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Großer ZapfenstreichOlaf Scholz ist leider keine schwarze Frau

Lesezeit 3 Minuten
dpatopbilder - 05.05.2025, Berlin: Der scheidende Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) steht beim großen Zapfenstreich der Bundeswehr anlässlich seiner Verabschiedung. Mit der Militärzeremonie nach Sonnenuntergang im Fackelschein werden vor dem Verteidigungsministerium in Berlin traditionell alle Kanzler, Bundespräsidenten, Verteidigungsminister und hochrangige Militärs bei ihrem Ausscheiden geehrt. Foto: Michael Kappeler/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Der scheidende Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) beim großen Zapfenstreich der Bundeswehr

Am Montagabend wurde Olaf Scholz verabschiedet. Seine Musikauswahl klingt melancholisch und auch ein wenig eingeschnappt.

Noch gar nicht so lange versüßt Popmusik den Abschied aus der Politik. Als Helmut Kohl 1998 als erster Bundeskanzler überhaupt vor dem Speyerer Dom mit dem Großen Zapfenstreich der Bundeswehr geehrt wurde, wählte er einen Marsch („Des Großen Kurfürsten Reitermarsch“), einen Choral („Nun danket alle Gott“), mit dem schon Kaiser Wilhelm II. seine Armee in den Weltkrieg geschickt hatte – und Beethovens „Ode an die Freude“ aus. Persönliches ließ sich daran kaum ablesen.

Sein Nachfolger Gerhard Schröder wünschte sich unter anderem Frank Sinatras „My Way“. Typisch, möchte man meinen. Tatsächlich hatte seine damalige Frau Doris Schröder-Köpf das Musikprogramm ausgesucht. Angela Merkel überraschte 2021 mit Nina Hagens DDR-Schlager „Du hast den Farbfilm vergessen“. Der, sagte die scheidende Kanzlerin, sei ein Highlight ihrer Jugend gewesen. Damals finanzierte sie ihr Studium, in dem sie als Bardame Kirsch-Whiskey mixte. Good times.

Für Patti Smiths„Power to the People“ war leider keine Zeit

Was uns zum Großen Zapfenstreich von Olaf Scholz bringt, der am Montagabend in Berlin stattfand. Der Ampelkanzler wählte drei Titel aus, „In My Life“ von den Beatles, „Brandenburgisches Konzert Nr. 2“ von Johann Sebastian Bach und Aretha Franklins „Respect“. In engerer Auswahl standen wohl auch noch Patti Smiths „Power to the People“ und Max Giesingers „80 Millionen“.

Der, so Scholz, habe leider nur vom Titel gepasst, auch als Kanzler sei er schließlich nur einer von 84 Millionen Deutschen gewesen, nicht jedoch vom Inhalt. Obwohl: „Ich war die letzten fünf Jahre alleine/Hab nach dem Sechser im Lotto gesucht/Sieben Nächte die Woche zu wenig gepennt/Wie auf 'ner Achterbahn im Dauerflug“ – das klingt schon ein wenig nach der Regierungserfahrung des SPD-Mannes.

„Respect“ hat Olaf Scholz schon 2021 eingefordert

Aber, keine Frage, John Lennons melancholische Rückschau „In My Life“ wirkt da ungleich versöhnlicher. Erinnerungen an Orte, Mitstreiter (wenn wir „lovers“ mal sehr frei übersetzen) und Freunde, die im Zurückdenkenden sämtlich nur Zuneigung und Liebe auslösen, das klingt nach einem Abschied in quasi-buddhistischem Gleichmut. Zumal der Song ja auch davon erzählt, dass all diese Reminiszenzen – zum Beispiel an Gespräche über die Cum-Ex-Geschäfte der Warburg Bank – angesichts der Gegenwart des einen, geliebten Menschen verblassen. Hoffen wir mal, dass Scholz selbst und nicht seine Gattin Britta Ernst das schöne Lied ausgesucht hat.

Bei dem berühmten Cembalo-Solo aus „In My Life“ handelt es sich übrigens um ein mit erhöhter Geschwindigkeit abgespieltes Klavier, eine Idee des klassisch versierten Beatles-Produzenten George Martin. Und natürlich schließt der spielerisch gefakte Barock aus dem Swinging London sehr schön an das Bach'sche Original an. So glockenhell und quecksilbrig, wie die Piccolotrompete, Oboe, Violine und Flöte hier miteinander wettstreiten, hätte sich Olaf Scholz wohl die Koalitionsrunden gewünscht. Die tiefer gelegte Blechbläser-Version des Musikkorps der Bundeswehr kommt der Wahrheit wahrscheinlich näher.

Zum Schluss eine Forderung: Mit dem Plakatslogan „Respekt für Dich“ gewann Scholz vor dreieinhalb Jahren die Bundestagswahl, von der Schwierigkeit, eine „Politik des Respekts“ durchzusetzen, sprach er in seiner Rede zur Vertrauensfrage im vergangenen Dezember: „Wir alle machen Deutschland aus, und alle verdienen Respekt.“

In Otis Reddings Originalversion handelt „Respect“ von einer gänzlich unromantischen Partnerschaft: Er bringt das Geld nach Hause, sie zahlt mit Sex, statt um Liebe gibt es hier nur um Geschäftsbeziehungen. Olaf Scholz wird sich eher auf Aretha Franklins feministische Überschreibung berufen, die zurecht viel bekanntere Version des Songs. Nun ist der Kanzler zum einen keine schwarze Frau in der amerikanischen Bürgerrechtsära, zum anderen von einer Mehrheit der 84 Millionen abgewählt worden: „Power to the People“ eben.

Weshalb Drohungen wie die, dass man möglicherweise ein leeres Haus vorfinden wird, wenn man ihm nicht endlich ein wenig mehr Respekt zeige, im direkten Scholz-Bezug ein wenig eingeschnappt klingen.