Doku „Hass gegen Queer“ bei ARDQueere Menschen zeigen Flagge

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Die beiden Drag Queens posieren für die Kamera. Barbie Breakout hat auffällig violette Haare, beide sind geschminkt und tragen schwarze Kleidung.

Drag Queens Barbie Breakout und Ivanka T. in der ARD-Doku „Hass gegen Queer“

Im Dokumentarfilm „Hass gegen Queer“, der am 19. Juli in der ARD läuft, berichten queere Menschen von Anfeindungen. Auch ein unauffälliges Leben schützt sie nicht.

Es ist ein bürgerliches Familienidyll: ein deutsch-französisches Paar mit Kind. Sie holen ihre Tochter von der Schule ab, die kleine Louise hat ein Bild gemalt, später essen sie zusammen. Doch Louise hat zwei Mütter – was einem Mann offenbar Grund genug war, die Familie nach einer Busfahrt anzugreifen. Erst schlug er Mama Charlotte nieder, und als die französische „Maman“ Linda eingreifen wollte, nahm der Täter auch bei ihr keine Rücksicht, obwohl sie ihre Tochter auf dem Arm hielt.

ARD Doku „Hass gegen Queer“ lässt Betroffene zu Wort kommen

Was das Paar erzählt, erleben queere Menschen in Deutschland und Frankreich vielfach. Im Dokumentarfilm „Hass gegen Queer“ berichten queere Menschen, welchen Anfeindungen sie ausgesetzt sind und wie sie damit umgehen. Produziert wurde die Doku im Auftrag von WDR und RBB und in Zusammenarbeit mit ARTE. Sie ist am 19. Juli in der ARD zu sehen, knapp anderthalb Wochen nach dem Kölner Christopher-Street-Day - einer Demonstrationsparade, die sich für die Rechte von sexuellen Minderheiten einsetzt.

Der Stil der Sendung ist dabei recht unaufgeregt, was eine ihrer Stärken ist. Oft zeigt die Kamera nur die Betroffenen, die ihre Geschichten erzählen. Trotzdem muss man mit Marilén weinen, wenn sie ihre Schulzeit beschreibt. Ihr Outing sei die unangenehmste Phase ihres Lebens gewesen. „Man hat mir gesagt, man sollte mich auf einen Scheiterhaufen stellen und mich so lange ficken, bis ich blute.“ Und natürlich kam auch der Standardspruch: „Ich drehe dich um. Ich mach' das richtig mit dir, dass du wieder hetero bist.“

Dokumentarfilm geht auf politische Reden von Konservativen ein

Ein wiederkehrendes Thema der Erzählungen ist neben den Schulerfahrungen auch, wie die Familien der Betroffenen auf ihr Outing reagiert haben. Baran etwa bekam um 2 Uhr morgens einen Anruf seiner Mutter – sie hatte auf Instagram ein Bild entdeckt, auf dem ihr Sohn ein Crop-Top anhatte. Selbst als sie ihn direkt konfrontierte, fiel es ihm schwer sich zu outen. Er fragte sie lediglich, was sie tun würde, wenn eines ihrer Kinder schwul wäre. Sie antwortete: es vor die Tür setzen. Baran hat heute keinen Kontakt mehr zu seinen Eltern, was er sehr bedauert. „Es vergeht kein Tag, an dem man gar nicht an sie denkt.“ Er fragt sich, ob seine Eltern auch an ihn denken. Eine andere Betroffene fragt sich: „Was machst du, wenn du selbst bei dir Zuhause nicht in Sicherheit bist?“

Kurze Clips aus Nachrichtensendungen, die von Gewalt gegenüber queeren Menschen berichten, ergänzen die Erlebnisberichte. Ein 25-Jähriger aus Münster wollte beim CSD vor einem Jahr zwei Frauen vor einem Mann verteidigen und wurde von ihm niedergeschlagen. Er fiel auf den Hinterkopf und erlag später seinen Verletzungen.

Passanten zeigen bei Angriffen nur wenig Zivilcourage

Clips zeigen auch das politische Geschehen in Europa. Konservative Kreise stilisieren Transleute immer wieder zum Feindbild, die Rede ist von Männern in Damenkleidung, die Frauen auf Toiletten auflauern oder sich Kindern ungebührlich nähern. So verwundert es nicht, dass queere Menschen davon berichten, wie sie auf offener Straße angegriffen werden. Mehrere Betroffene erzählen dabei frustriert, dass dies in Anwesenheit zahlreicher Passanten passiert, die keine Hilfe anbieten und nicht einmal die Polizei rufen.

Die Anfeindungen führen immer wieder zu einem Schutzmechanismus, man möchte sich verstecken. Charlotte und Linda etwa bezeichneten sich lange gar nicht als lesbisches Paar, sondern suchten alternative Ausdrücke wie „In ein Mädchen verliebt“. Die Drag Queen Barbie Breakout erzählt, dass sie als Kind lange Haare hatte und ihr Vater sie zum Friseur schleppte - nicht, weil er sie demütigen wollte, sondern weil er wusste, was sie in der Welt erwarten würde. „Aber sind wir mal ehrlich: Die Leute, die uns auf die Fresse hauen wollen, die Leute, die uns diskriminieren wollen, die erkennen uns auch mit kurzen Haaren.“

Abgeordnete Tessa Ganserer wirkt auch mit

Die Doku zeigt auch Lichtblicke, erzählt von Orten der Geborgenheit und von Selbstfindung. Mit Tessa Ganserer, die für die Grünen im Deutschen Bundestag aktiv ist und sich 2018 als Trans geoutet hat, verfolgt der Film den Versuch, queere Menschen politisch zu repräsentieren und ihnen eine mediale Bühne zu geben. Denn wie man im Fall von Charlotte und Linda sieht, ist das rechte Versprechen: „Seid bloß unauffällig genug, dann lässt man euch in Ruhe“, letztlich eine Lüge. Unsichtbar und leise zu bleiben, lässt das Problem nicht verschwinden.

Umso besser ist es dann, dass sich die Doku auf die Geschichten queerer Menschen einlässt. So können auch Menschen, die wenige Berührungspunkte mit ihnen haben, zumindest ein paar von ihnen kennenlernen.

Zur Doku

Der Dokumentarfilm „Hass gegen Queer“ läuft am 19. Juli in der ARD und ist schon jetzt in der Mediathek

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