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Indiana Jones mit 80 JahrenNostalgie ist das Nächstbeste zum heiligen Gral

Lesezeit 4 Minuten
Harrison Ford schaut als Indiana Jones auf das Meer hinaus.

Harrison Ford in einer Szene von „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“

Am Donnerstag kehrt Indiana Jones ins Kino zurück. Warum der Actionheld, der schon mit dem ersten Film unsere Sehnsucht nach Nostalgie bediente, heute immer noch so gut funktioniert.

So rüstig wie Harrison Ford mit 65 Jahren wirkte, hätte auch der vierte Indiana-Jones-Film in den 1930er Jahren spielen können. Aber Steven Spielberg war damals offenbar mehr daran gelegen, die Stimmung der Eisenhower-Ära und vor allem deren Filme zu persiflieren als noch einmal mit Nazis um den heiligen Gral zu tanzen. Dabei wäre der gealterte Indiana vielleicht erstmals versucht gewesen, selbst einen Schluck vom ewigen Leben zu nehmen.

Vor 15 Jahren mochte man sich nicht vorstellen, dass der peitschenknallende Archäologe noch einmal in Gestalt seines mit ihm verschmolzenen Darstellers zurückkehren würde. Schließlich war die digitale Technik damals noch lange nicht so weit, um glaubwürdige Doppelgänger und vor allem jüngere Ausgaben gealterter Helden zu produzieren. Und Harrison Ford im laufenden Serienbetrieb gegen einen anderen Darsteller auszutauschen, schien schon gar nicht opportun.

Sollte sich doch James Bond auf diese Weise (und an seinen kleinen Extras) jung erhalten. Zum Universitätsprofessor Jones passte die Vorstellung vom würdigen Ruhestand, auch wenn ausgerechnet Sean Connery im dritten Film dessen Vater mimte und dem „Junior“ vormachte, wie man sich die redlich verdienten Pensionsansprüche mit Heldenhaftigkeit versüßt.

Die Nostalgie war von Anfang das Erfolgsgeheimnis der Serie

Jetzt kommt der fünfte Indiana-Jones-Film in die Kinos, zur allgemeinen und besonderen Verblüffung des Hauptdarstellers wieder mit dem mittlerweile 80-jährigen Harrison Ford. In den Rückblenden trägt dieser eine digitale Gesichtsmaske, die allein ihm freilich kaum die gewohnte Geschmeidigkeit verliehen haben dürfte. Trotzdem ist der Erfolg mehr oder weniger programmiert. Wenn der heilige Gral statt ewiger Erquickung sofortige Verdammnis bringt, ist das Nächstbeste, gemeinsam mit seinen Helden zu altern – und in Erinnerungen zu schwelgen.

Die Nostalgie war von Anfang das Erfolgsgeheimnis der Serie – mehr noch als die wie Musicalnummern inszenierten Actionsequenzen. Man brauchte die billigen Cliffhanger-Filme, die Steven Spielberg und George Lucas hier im großen Stil wieder aufleben ließen, gar nicht zu kennen, um die konservierte kindliche Begeisterung in ihnen zu spüren. Lucas und Spielberg waren mit diesem Kino der Attraktionen aufgewachsen; Anfang der 1980er Jahre nahmen sie die Welt auf ihre private „sentimental journey“ mit und entdeckten, dass es nicht entscheidend ist, worauf sich die rückwärtsgewandte Sehnsucht bezieht. Was das Publikum vereint, ist die Liebe zur Nostalgie an sich.

Die Nazis erschienen Steven Spielberg wohl zu übertrieben, um wahr zu sein

Die Ironie der Indiana-Jones-Serie lag darin, dass man sich aus der Gegenwart in eine unbeschwerte Zeit zurück träumte – und diese dann ausgerechnet in die Kolonialjahre und die Nazi-Diktatur führten. Als Abenteuerspielplatz, der nach den Regeln seriellen, um Logik und Stimmigkeit nicht allzu sehr bemühten Erzählens funktionierte, wirkten selbst die NS-Jahre irgendwie putzig, aber vor allem unwirklich. Es war wohl Spielbergs Versuch, ihre Schrecken im Medium einer kindlichen Fantasie zu bannen. Die echten Nazis erschienen ihm, lange vor „Schindlers Liste“, zu übertrieben, um wahr oder auch nur darstellbar zu sein.

Man darf durchaus gespannt sein, wohin diese Flucht aus der Wirklichkeit im Angesicht eines heißen Krieges mitten in Europa führt – und ob sich tumbe Schurken immer noch so einfach von der Leinwand kegeln lassen. Schließlich ging Indiana Jones schon in seinen Blütejahren nicht wirklich als Verkörperung des Guten durch. Er war brutal, pragmatisch bis zum Zynismus und am besten als reiner Tor genießbar. Die beiden letzten Eigenschaften teilte er mit seinen beiden Schöpfern. Man muss schon verdammt naiv sein (oder überzeugend so tun), um nicht zu sehen, welche Abgründe unter der Beschwörung unbeschwerten Vergnügens lauern können.

Wir erinnern uns: Vor 15 Jahren fand sich Indiana in den Kulissen eines idealen amerikanischen Haushalts wieder, der sich dann als Atombomben-Testgelände entpuppte. In letzter Sekunde sprang er in einen massigen Kühlschrank und wurde durch eine Explosion in hohem Bogen durch die Luft geschleudert. Als der blinde Passagier des Kalten Kriegs sicher gelandet war, ahnten wir: Die Serie mag gealtert sein, aber ihr Held ist immer noch unverwüstlich.

Damals ging die Reise in den hintersten Winkel von Peru, wo neben dem titelgebenden Kristallschädel allerlei exotische Schrecken und ganz zuletzt eine Tür in kosmische Dimensionen auf die Abenteurer warteten. Leider überlebte dann mal wieder niemand, der uns die Lösung sämtlicher Welträtsel verraten könnte. Auch das lehrt die sentimentale Reise in die Vergangenheit: Man lernt, mit enttäuschten Erwartungen zu leben. Und mit Zeiten, die ein für alle Mal vergangen sind.


„Indiana Jones und das Rad des Schicksals“, Regie: James Mangold, mit Harrison Ford, Phoebe Waller-Bridge, Mads Mikkelsen, 154 Minuten, FSK 12. Der Film startet am Donnerstag in den Kinos.