Vom 22. bis zum 28. Juni gibt es viele Veranstaltungen rund um das Junge Buch für die Stadt „Gutenachtgeschichten für Celeste“. Ein Besuch bei dem Kölner Illustrator Nikolaus Heidelbach, der das Buch zusammen mit dem Hamburger Ole Könnecke gestaltet hat.
Junges Buch für die Stadt„Wer keine Angst hat, hat keine Fantasie“

Nikolaus Heidelbach
Copyright: Herbert Bucco
Nikolaus Heidelbach hält nichts davon, Kinder in Watte zu packen. Seine Bücherwelten sind definitiv kein Bullerbü (wobei übrigens selbst Bullerbü völlig zu Unrecht zum Synonym für eine rosarote Fantasiewelt geworden ist). Stattdessen gibt es bei Heidelbach tiefe Abgründe, wohliges Schaudern, schräge Gestalten, Risse in der Realität. Und sehr viel Humor.
Es sei ein Lieblingsthema von ihm, Kinder nicht permanent zu unterschätzen, sagt der Zeichner. Und tatsächlich kann er sich in Rage reden, wenn es um die „Übervorsicht“ geht, bei dem, was wir Kindern zumuten. Heidelbach findet es „scheinheilig“, Kinder von allem Bedrohlichen oder Verstörenden fernzuhalten: „Jedes Kind, das sich draußen in der Welt bewegt, wird doch früher oder später mit bestimmten Schrecken konfrontiert.“
Die Frage erübrigt sich also, ob er sich bei „Gutenachtgeschichten für Celeste“ Sorgen gemacht hat, dass seine Bilder zu gruselig sein könnten. Und die sind tatsächlich nichts für schwache Nerven: Eine Schwimmerin, die nicht weiß, was wir sehen: Ein Monster, das unter ihr im Wasser lauert. Ein einsames Mädchen, das in der Dämmerung vor dem Portal eines Friedhofs steht, das von unheimlichen Statuen bewacht wird. Eine Königin, die ihren Kopf unterm Arm trägt.
„Wer keine Angst hat, hat keine Fantasie. Und alle Kinder haben Fantasie“, ist Nikolaus Heidelbach überzeugt. Und außerdem sind seine gruseligen Bilder nur der eine Teil der Geschichte. Den anderen Teil hat Ole Könnecke gezeichnet - das Buch ist eine Köln-Hamburger Ko-Produktion. Und die Geschichte funktioniert auch nur genauso - mit zwei ganz unterschiedlichen Zeichenstilen.
Wer keine Angst hat, hat keine Fantasie. Und alle Kinder haben Fantasie
Es geht um einen Jungen, der seine kleine Schwester ins Bett bringen soll – die Eltern sind ausgegangen. Das Mädchen verlangt nach einer richtigen Gruselgeschichte. Aber egal, was der Junge auch auffährt: menschenfressende Monsterechsen, Ungeheuer, Fledermäuse, Riesenkröten - sie gruselt sich einfach nicht.
Den Jungen und die Schwester hat Ole Könnecke gezeichnet – den beiden gehören die rechten Seiten des Buchs. Auf den linken Seiten sind Nikolaus Heidelbachs Bilder zu sehen. Sie illustrieren die erfolglosen Gruselgeschichten-Versuche des Jungen. Wenn man das Buch aufklappt, sieht man sofort, dass hier zwei sehr unterschiedliche Künstler am Werk waren. Könneckes Stil ist comichaft minimalistisch. Und Heidelbachs bunt, fantasievoll und detailreich.
Wie sind diese beiden ungleichen Zeichner überhaupt zusammengekommen? Sie kennen sich schon lange, erzählt Nikolaus Heidelbach. Und auch die Idee für ein gemeinsames Projekt sei sehr alt. „Aber der Einfall, den es dazu braucht – den hatte ich erst vor zwei Jahren.“ Nämlich die Idee, mit der kleinen Schwester, die die Gutenachtgeschichten ihres Bruders todlangweilig findet. „Und auf einmal habe ich gemerkt: Moment, diese zwei Ebenen - das ist genau das, was wir für ein gemeinsames Buch brauchen!“
Ole Könnecke war offenbar erstmal gar nicht so begeistert, als Nikolaus Heidelbach anrief. „Er arbeitete gerade ein Buch über Bagger und war etwas unwirsch“. Aber am nächsten Tag rief er dann zurück – mit jeder Menge Ideen für das Buch. Es folgten zahllose Telefonate zwischen Köln und Hamburg. Währenddessen tobte sich Heidelbach schon mal für die Gruselbilder aus. Ole Könnecke zeichnete dann seinen Teil und schickte einen Entwurf für den Text – „und irgendwann hatten wir die Seiten zusammen und montiert. Und es hat sich das ereignet, was ich gehofft habe: Es funktioniert 1a!“

Das Cover von "Gutenachtgeschichten für Celeste"
Copyright: Hanser
Um welches Thema geht es denn nun eigentlich in „Gutenachtgeschichten für Celeste“? Wie Kinder lernen können, mit Ängsten umzugehen, vielleicht? Eine Frage, die Nikolaus Heidelbach ärgert: „Wenn der Mainstream meint, dass ein Kinderbuch einen bestimmten Zweck hat, ein Thema haben muss - dann ist schon was oberfaul“. Es geht Ole Könnecke und ihm darum, eine gute Geschichte zu erzählen - „nicht mehr und nicht weniger.“
Und das ist ihnen gelungen! Damit haben sie nicht nur tausende Kinder wie Erwachsene begeistert und die Jury des Jungen Buchs für die Stadt überzeugt. Sie sind gerade auch mit einem „BolognaRagazziAward“ ausgezeichnet worden, die an die weltweit besten Neuerscheinungen der Kinderbuch-Branche vergeben werden. Fast 4000 Titel aus 68 Ländern wurden in diesem Jahr eingereicht - „Gutenachtgeschichten für Celeste“ gewann in der Kategorie „Comics - Early Reader “. Eine Bilderbuchkarriere!
Genauso wenig wie ein Thema interessiert Nikolaus Heidelbach übrigens auch der pädagogische Hintergrund. Er habe aber nichts dagegen, stellt er vergnügt fest, wenn Kinder beim Anschauen von „Gutenachtgeschichten für Celeste“ merken: „Man kann auf zwei verschiedene Arten hervorragend malen“. Es dauere sehr lange - eigentlich ein Leben lang - ein ästhetisches Bewusstsein für Bilder und Erzählungen zu entwickeln. „Aber es ist eine tolle Zeit!“
Nikolaus Heidelbach, 1955 geboren, wurde u.a. mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis und dem Sonderpreis zum Deutschen Jugendliteraturpreis für sein Gesamtwerk ausgezeichnet. Er lebt in Köln.
Ole Könnecke, 1961 geboren, wuchs in Schweden auf und lebt in Hamburg. Seit 1990 hat er über 30 Bücher gestaltet, für die er mehrfach mit nationalen und internationalen Preisen ausgezeichnet wurde.
Das Junge Buch für die Stadt ist eine Aktion des Jungen Literaturhauses, der Kölner Stadtbibliothek und des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Vom 22. bis 28. Juni gibt es viele Veranstaltungen rund um „Gutenachtgeschichten für Celeste“ (Hanser). Den Auftakt macht eine Familienveranstaltung am Sonntag, 22. Juni, im Interim der Zentralbibliothek auf der Hohe Straße 68-82. Um 15 Uhr stellen Nikolaus Heidelbach und Ole Könnecke zusammen mit Britta Weyers ihr Buch vor. Kostenlose Tickets gibt es über die Webseite des Jungen Literaturhauses und der Zentralbibliothek.