Von Totentanz bis StadtverwaldungDie wichtigsten Kunstwerke auf den Straßen Kölns

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Die Spitze eines Obelisks steht schwarz vor einem orangefarbenen Himmel.

Rita McBrides Obelisk auf einem Kreisverkehr vor dem Breslauer Platz in Köln.

Köln hat nicht nur schöne Museen, sondern auch große Kunst im öffentlichen Raum. Diese sechs Skulpturen sollten Sie gesehen haben.

Köln ist eine Kunst- und eine Müllstadt und obendrein ziemlich verbaut. Auf den Straßen sind Schönes und Hässliches so innig miteinander verwachsen, dass man Methode dahinter vermuten könnte, wäre Wahnsinn nicht die vernünftigere Erklärung. Auf dem Weg zu den tollsten und ungewöhnlichsten Kunstwerken im Kölner Stadtraum stellt sich daher immer auch die kölsche Gretchenfrage: Wie hältst Du es mit der eigenen Zerrissenheit?

Obelisk von Rita McBride am Breslauer Platz

Am Breslauer Platz treffen sich eine urinverseuchte Unterführung, ein Busbahnhof, der die Brache vor einem Musical-Zelt notdürftig verdeckt, und sprudelnde Wasserspiele, die so kläglich in der Steinwüste vor dem Hauptbahnhof versickern, dass die Baufirma zunächst vergaß, die Leitungen zu legen. Ausgerechnet in diese Einöde setzte die Stadt den „Obelisk des Tutanchamun“ der US-Künstlerin Rita McBride, und zwar mitten in einen Kreisverkehr. Er besteht aus schwarzem Karbon, ist acht Meter hoch, sitzt auf einem Betonsockel und soll, so McBride, seine Umgebung einem organisierenden Prinzip unterwerfen. Das ist entweder pharaonischer Größenwahn oder ein genialer Witz, denn wer verstehen will, warum in Köln so viel schiefgeht, muss sich nur den Wildwuchs am Breslauer Platz ansehen. 

Eine steinerne Inschrift zwischen den Steinen der Domplatte.

„Dies könnte ein Ort von historischer Bedeutung sein“, heißt übersetzt die Inschrift auf Braco Dimitrijevic' Stein auf dem Domvorplatz.

Steinplatte von Braco Dimitrijevic auf dem Domvorplatz

Für die Ausstellung „Mein Kölner Dom“ ließ der bosnische Konzeptkünstler Braco Dimitrijevic einen Stein auf dem Domvorplatz entfernen und durch eine Tafel mit Inschrift ersetzen: „This could be a place of historical importance“ steht darauf in zierlichen Großbuchstaben. Auf Deutsch: „Dies könnte ein Ort von historischer Bedeutung sein.“ Mit seiner Steinplatte wollte Dimitrijevic auf die Zufälligkeit dessen hinaus, was wir üblicherweise Geschichte nennen. Er fand nicht nur die Huldigung „großer Männer“ albern, sondern auch die Quasi-Heiligsprechung historischer Stätten durch Gedenktafeln. Stattdessen glaubte er, dass jeder Ort zu jeder Zeit von historischer Bedeutung sein kann, ganz einfach, weil sich hier Menschen treffen und in jeder Begegnung der Keim zu etwas Besonderem steckt.

Mittlerweile liegt der Stein seit über 40 Jahren vor dem Dom und ist vermutlich das von den meisten Menschen übersehene Kunstwerk auf der Welt. Aber das gehört zur Idee dieser Gedenktafel. Sie lebt vom Zufall, davon, dass ein Blick statt zur Kathedrale hinauf nach unten geht und dort an etwas Unvermutetem hängenbleibt. „Dies könnte ein Ort von historischer Bedeutung sein“, liest man dann, wundert sich – und vergisst darüber vielleicht sogar das bedeutungsschwere Weltkulturerbe.

Joseph Beuys' „Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“ vor St. Gereon

Joseph Beuys und Köln, das ist eine unglückliche Beziehung. Den berühmten Beuys-Block hätte Peter Ludwig für sein Kölner Museum kaufen können, doch er ließ es lieber bleiben, weshalb selbst Kenner die Domtüren, an denen der junge Meisterschüler Beuys für seinen Lehrer Ewald Mataré arbeitete, für dessen Vorzeigewerk der Stadt halten. Dabei gibt es in Köln einen Ableger der Beuys’schen „7000 Eichen“, seiner wichtigsten Arbeit im öffentlichen Raum. Wulf Herzogenrath holte Beuys 1985 für die Ausstellung „Raum Zeit Stille“ in die Stadt, einem Beitrag zum Kölner Jahr der Romanischen Kirchen. Vor St. Gereon pflanzte Beuys drei Linden mit Basaltsteinen in einen bestehenden Lindenwald, der neben der viel befahrenen Christophstraße mehr eine gerupfte Straßenrandbegrünung war. Der schöne Titel der ordentlich gewachsenen Setzlinge lautet „Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“.

Ein Betonkasten in Autoform steht vor dem Kölner Filmpalast.

Wolf Vostells Aktionsplastik „Ruhender Verkehr“ auf dem Kölner Hohenzollernring,

Wolf Vostells „Ruhender Verkehr“, auf den Ringen

Im Oktober 1969 schlug das letzte Stündlein für Wolf Vostells stolzen Opel Kapitän. Der Kölner Happening-Künstler hatte seinen Wagen, Baujahr 1964, in die enge Domstraße gesteuert und in einer Parklücke vor der Galerie Art Intermedia abgestellt. An Ort und Stelle wurde der Wagen danach unter der erregten Anteilnahme besorgter Bürger in mehreren Etappen einbetoniert. In historischen Filmaufnahmen ruft eine Frau nach der Stadtverwaltung, doch die steckte mit dem Künstler unter einer Decke und steuerte eine Parkuhr als Leihgabe für das Denkmal bei. Schließlich stellte ein Mann die ebenso bange wie naheliegende Frage: Was wäre, wenn das jeder machen würde? Ja, was wohl: Die Stadt würde heute nicht an Blechlawinen ersticken, und wir alle wären Künstler.

Stattdessen machte Vostells „Ruhender Verkehr“ als Einzelstück Karriere. Nach langer Parkplatzsuche fand sich 1986 ein Platz auf dem Mittelstreifen des Hohenzollernrings am Filmpalast. Dort ist die Skulptur zwar falsch abgestellt, denn Vostell wollte unbedingt einen Parkplatz mit ihr besetzen. Aber heimisch geworden ist sie auf den Ringen doch.

„Totentanz“ des Sprayers Harald Naegeli am Museum Schnütgen

Vermutlich wird aus dem Hinterhof des Kulturzentrums kein Pilgerort der Kunstszene mehr – dabei gibt es dort ein Werk, das mehr Aufmerksamkeit verdient hätte, als es erhält. Es geht um den „Totentanz“ des Sprayers Harald Naegeli, der seinen behänden Knochenmann 1980 an die Wand des Museum Schnütgen zeichnete und diese moderne Interpretation eines mittelalterlichen Motivs mit Erlaubnis des damaligen Museumsdirektors Anton Legner 1989 erneuerte.

Anders als in den berühmten Totentänzen des Mittelalters, in denen sich jeder Mensch ohne Ansehen von Stand und Geschlecht in den Reigen des Sterbens einreihen musste, tanzt Naegelis gestrichelter Knochenmann allein. Gleichwohl nicht auf seinem kalten Grabstein, wie der Aberglaube will, sondern im steinernen Rahmen einer zugemauerten Kirchentür. Seine Arme gespreizt, die Beine breit, scheint er die Säulen zu halten und das gesamte Mauerwerk vor dem Einsturz zu bewahren.

„Standortmitte“ von Lutz Fritsch am Verteilerkreis

Mit seiner „Standortmitte“ hat sich der Kölner Künstler Lutz Fritsch ins Auge des automobilen Verkehrsorkans gewagt. Seine 50 Meter hohe, leuchtend rote Stahlstele steht inmitten des Kölner Verteilerkreises zur Autobahn nach Bonn (wo sich das Gegenstück an verwandter Stelle findet) und macht dem Auto die Herrschaft über den Stadtraum streitig. Sein Strich in der Landschaft markiert das Areal für die moderne Kunst, was angesichts der abertausenden hier durchfahrenden Autos aber eher ein Symbol als eine echte Kampfansage ist. Immerhin ist es verführerisch, an ein Karussell zu denken, in dem Fritsch den Verkehr ewig um seine Stele herum kreisen lässt – und sich endlich mal alles um die Kunst dreht. Aber natürlich hat die Kölner Politik ganz andere Ideen: Wenige Meter von Fritschs roter Stecknadel entfernt soll eine U-Bahntrasse auf Stelzen errichtet werden. So wird die Verkehrswende zum kulturellen Rowdytum.

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