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Robert Mapplethorpe in KölnDas Gewehr im Anschlag und den Teufel im Bunde

3 min
Der Fotograf Robert Mapplethorpe posiert mit Maschinenpistole vor schwarzem Stern. Er trägt eine schwarze Lederjacke.

Selbstporträt (1983) von Robert Mapplethorpe. Die Aufnahme ist in der Kölner Galerie Benden und Ackermann zu sehen.

Um die Fotografien Robert Mapplethorpes tobte ein Kulturkrieg. Jetzt zeigt die Kölner Galerie Benden und Ackermann 40 teils explizite Werke.

Beim Anblick einer Blüte denken vermutlich die wenigsten Menschen daran, dass sie ein Geschlechtsorgan betrachten. Bei Robert Mapplethorpes Blumenstillleben kommt man um diesen Gedanken hingegen kaum herum. Der 1989 verstorbene Fotograf inszenierte Blüten so kunstvoll, wie er es mit den Penissen seiner Aktmodelle tat, und entdeckte in beidem sowohl die Schönheit des Eros wie auch dessen unendliche Vielfalt.

Was ihr abartig nennt, so Mapplethorpe, ist natürlich und schön

Im Zuge eines neuen homosexuellen Selbstbewusstseins machte sich Mapplethorpe die Blütenmetaphorik selbst dort zum Verbündeten, wo er Sadomaso-Praktiken explizit ins Bild setzte. Seht her, bedeutete er in den 1970er Jahren dem teils schockierten Publikum, was ihr abartig nennt, ist natürlich und schön. Die Kunstgeschichte schlug sich mit einem Kalauer auf seine Seite: Mapplethorpes in formaler Hinsicht wichtigster Wegbereiter, Edward Weston, verhalf in den 1930er Jahren der „straight photography“ zu Popularität.

„Straight“ im Sinne Westons ist Mapplethorpes thematische Beschränkung auf Akt, Porträt und Stillleben sowie die formale Meisterschaft, mit der er Oberflächen in feine Schattierungen zerlegt und Körper mit dem Lichtstrahl aus dem Dunkel meißelt. Offenkundig „gay“ sind hingegen seine Gegenstände: muskulöse Männerleiber, explizite Sexualpraktiken, die entblößende Selbstdarstellung als Akt der Emanzipation. Nach seinem frühen Tod wurde Mapplethorpe als Chronist einer dem Untergang geweihten Subkultur betrauert und als Bewahrer eines antiken Schönheitsideals gefeiert – letzteres auch als Reaktion auf einen von Konservativen angezettelten Kulturkrieg um sein Werk.

Mapplethorpe war ein Mann der Posen, nur seine Feinde nahmen ihn bitter ernst

In der Kölner Galerie Benden und Ackermann begegnet uns Mapplethorpe nun selbst als Krieger – jedenfalls posiert er in einem 1983 entstandenen Selbstporträt mit Maschinenpistole vor schwarzem Stern. Mapplethorpe zitiert hier ein Pressefoto der zum Terrorismus bekehrten Milliardenerbin Patty Hearst, und die Spitzen des Sterns sind so gedreht, dass sie den Teufel heraufbeschwören. In diesem Auftritt als leibhaftiger Bürgerschreck steckt vermutlich so viel Selbstironie wie Selbsterkenntnis. Mapplethorpe war ein Mann der Posen, nur seine Feinde nahmen ihn bitter ernst.

Auf der nächsten Wand wird es dann explizit und exquisit: John führt sich einen Dildo in den Anus ein, als wäre es eine Paprika von Edward Weston, und ein gewisser Joe wartet ganz in Gummi auf seinen freundlichen Peiniger. Sanft blasphemisch wird einem beim Kruzifix zumute, das Lisa Lyon sehr dekorativ zwischen ihren Brüsten balanciert, während „Edward und Melody“ wie Geisterwesen einer dandyhaften Séance erscheinen. Die äußerst seltene (und unverkäufliche) Aufnahme ist eine vorweggenommene Totenklage: Mapplethorpe machte sie, bereits unheilbar erkrankt, von seinem Bruder und dessen Lebensgefährtin.

Im hinteren (und unteren) Teil der Ausstellung finden sich, geradezu verschämt präsentiert, die Bilder, auf die sich bei Mapplethorpe alle einigen können: ein Strauß Tulpen und eine Rose in hoher Vase. Allerdings sieht man sie eben in Gesellschaft von Bodybuildern und Flagellanten etwas anders an. Wobei Mapplethorpe seine Motive weniger sexualisiert als mit einem Glorienschein umgibt – auch bei ihm will alle Lust vor allem Ewigkeit. Beinahe konventionelle Studiofotografie sind seine Porträts von Freunden und Bekannten: „Larry und Bobby Kissing“, „Black Jack“, „Tim Scott“ und, als ironische Übung in Helmut Newton’scher Modefotografie, „Marcus“, schwebend in der schwarzen Nacht, mit einem toten Hasen auf den Schultern.

„Look at the Pictures“ heißt die Ausstellung, mit der Klaus Benden den Sommer überbrücken will – weniger als zehn der rund 40 Bilder sind verkäuflich. Anschauen genügt aber vielleicht auch. Sehen ist schließlich der Anfang von Verstehen.


„Robert Mapplethorpe: Look at the Pictures“, Galerie Benden und Ackermann, Maybachstr. 8, Köln, Di.-Fr. 11-18 Uhr, Sa. 11-16 Uhr, bis 30. August