Kölner AusstellungSo wunderbar trist kann urbanes Leben sein

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Köln – Die großen Helden der sachlichen Fotografie in Deutschland sind nicht gerade für quirlige Großstadtaufnahmen bekannt – und am wenigsten diejenigen, mit deren Werken die Kölner SK Stiftung Kultur ihre Photographische Sammlung begründete. Auf den Architekturaufnahmen Bernd und Hilla Bechers sucht man Menschen meist so vergeblich wie auf den Industrie- und Landschaftsbildern eines Albert Renger-Patzsch, und auch August Sander steckte die Kölner Stadtgesellschaft am liebsten nach Typen sortiert in Sammelmappen.

Die Photographische Sammlung zeigt Ansichten von Architektur, Industrie und dem Leben in der Stadt  

Ein wenig fremdelt man deswegen mit der zweiten großen Sammlungspräsentation der Kölner Stiftung in diesem Jahr. Die verspricht im Titel neben Architektur und Industrie auch urbanes Leben, was bei August Sander dann um 1925 eben hieß, das Kölner Hansa-Hochhaus vor akkurat leergefegter Straßenkreuzung aufzunehmen. Auch Werner Mantz, der große Chronist des Kölner Bauwunders in der Weimarer Republik, interessierte sich nicht dafür, wer morgens aus den neuen Arbeiter- und Angestelltensiedlungen schlich, sondern für die wohlstrukturierten Ecken und Kanten der modernen Architektur.

Diese Neigung zur Objektivierung der Welt zieht sich durch die gesamte Ausstellung – mit Ausnahme des „Amerika-Raums“ im kleineren Saal der Photographischen Sammlung. Langweilig wird die Sache dadurch freilich nicht, ganz in Gegenteil. Wie aufregend die Formensprache zweckgebundener Industrieprodukte sein kann, wissen wir schließlich nicht erst seit Bernd und Hilla Bechers unterkühlten Studien in Bergbau-Ungetümen. Auch Renger-Patzsch fotografierte das Innere einer Textilfabrik stets so, als sei ein Maschinenpark vor allem zum Staunen da.

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Hin und wieder schleicht sich aber doch das Alltags- und Arbeitsleben in die Bilder. Etwa bei Horst Lang, der, als hauptberuflicher Tatortfotograf, zur Entspannung am Wochenende einsame Radfahrer und Passanten vor Ruhrgebietskulissen fotografierte. Ruth Hallensleben wiederum interessierte sich neben den Produkten der Kölner Radium-Gummiwerke auch für die Arbeiterinnen im Betrieb. Bei ihr rückt sogar die Rückseite der Industrie in den Fokus, etwa wenn sie Ansichten eines durch Abwasser verschmutzen Flusses zeigt.

Ansonsten zeigt sich in der Ausstellung vor allem, wie stark der Einfluss der sachlichen Klassiker selbst auf eher humanistisch gestimmte Fotografen ist. Für das Porträt ihres Heimatortes Medebach findet Petra Wittmar lauter leere Straßen und leere Räume, von denen man immerhin auf ihre Bewohner und auf eine sich zum Stadtrand streckende dörfliche Gemeinschaft schließen kann.

Mit Stephen Shore und der Reise in die USA wechselt die Ausstellung ins Farbige 

Sobald der Blick aus Deutschland in die USA auswandert, kommt deutlich mehr Farbe ins Spiel. Noch nicht bei Lee Friedlander und Henry Wessel, zwei Klassikern der Landschafts- und Straßenfotografie, aber unweigerlich mit Stephen Shores Serie „American Surfaces“, einem visuellen Tagebuch, in dem Shore jede noch so abwegige Ausgeburt der US-Alltagswelt als exportfähig und daher bildwürdig vorführt. Zwischen den beiden Ausstellungssälen liegt auch ein kultureller Ozean: Die deutsche Sachlichkeit zeigt eine „traumlose“, industriell geprägte Welt, die US-Dokumentarfotografie beschwört die landschaftlich geformten Freiheitsmythen des Landes selbst dann noch herauf, wenn sie diese in ausfransenden Vorstädten oder vor tristen Touristenattraktionen begräbt.

Gleichsam als Ehrengäste sind im „Amerika-Raum“ zwei deutsche Fotografen vertreten, die ihre Motive auf Reisen suchten. Achim Riemers fuhr für seinen „Europa-Index“ vor allem durch Staaten des ehemaligen Ostblocks und setzte seine Eindrücke zu Bildtafeln zusammen; jedes Motiv ist ein Puzzlestück im Wimmelbild urbaner Kulturen. Katja Stuke filmte Menschen auf den Straßen von Osaka mit der Videokamera und fotografierte später einzelne Standbilder vom Fernsehbildschirm ab. Hier wird die Stadt endlich lebendig, allerdings im Modus einer Überwachungskamera.

„Urbanes Leben, Architektur, Industrie“, Photographische Sammlung der SK Stiftung Kultur, Im Mediapark 7, Köln, Do.-Di. 14-19 Uhr, bis 8. Januar 2023.

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