Zum 80sten der Kölner Fotografin Candida HöferStatt Menschen bringt sie Räume zum Sprechen

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Die Fotografin Candida Höfer.

Die Fotografin Candida Höfer.

Perfektion und Diskretion - Die Kölner Fotografin Candida Höfer ist 80 Jahre alt geworden.

Die Welt ist da, um angesehen und fotografiert zu werden. In diesem Glauben lichteten schon Eugène Atget und später Walker Evans Schaufenster und Reklametafeln ab, doch erst Candida Höfer erkannte das ganze Potential dieser nicht nur berufsbedingten Weltanschauung. Sie richtet die Kamera auf Museumshallen, Verkaufsvitrinen und die Gehege zoologischer Gärten, sie fotografiert Staatsarchive und türkische Tante-Emma-Läden, die privaten Ausstellungsräume berühmter Sammler oder Flipperbuden im Kölner Kiez.

So unterschiedlich diese Innenräume sind, sie gleichen sich darin, dass sie für unsere Augen hergerichtet wurden, um uns zu verführen, zu leiten oder zu belehren. Meist sind Höfers Aufnahmen menschenleer, und gerade deswegen fragt man sich: Was geben die abgebildeten Räume über ihre Gestalter und Besucher preis?

Diskretion ist eine von Candida Höfers großen Qualitäten

Eine der großen Qualitäten Candida Höfers ist ihre Diskretion. Ihre Bilderserien platzen nicht mit Antworten heraus, sondern sammeln Indizien. Über den trostlosen Illusionismus der Tiergehege, über die Selbstgenügsamkeit eines modernistischen Botschaftsbaus oder die kleinen Fluchten in der Spielhöhle von nebenan.

Diesen eleganten Vorführeffekt erreichte sie bereits in ihrer frühen Serie „Türken in Deutschland“ (1978), die noch ganz im Sinn August Sanders dem Menschen in seinen beruflichen und privaten Lebenswelten gewidmet war. Im Lauf der Jahre sind die Menschen dann aus ihrem Werk verschwunden. Sie wollte, so Höfer, kein Eindringling mehr sein. Gleichzeitig sei ihr bei „Türken in Deutschland“ bewusst geworden, wie wichtig die gestaltete Umgebung für die Menschen ist: „Damit wuchs mein Interesse an Innenräumen, und wegen meiner Befangenheit waren es dann öffentliche oder doch zumindest halb öffentliche Räume.“

Geboren wurde Candida Höfer 1944 in Eberswalde, aufgewachsen ist die Tochter von Elfriede Scheuer, der langjährigen Solotänzerin der Kölner Oper, und des Journalisten Werner Höfer, in Köln – wo sie bis heute in der modernistischen Villa ihrer Eltern lebt. Ihr Handwerk lernte sie beim Kölner Fotostudio Schmölz-Huth und den Kölner Werkschulen, später schulte sie sich an der Kunstakademie Düsseldorf bei den legendären Lehrern Bernd und Hilla Becher ein. Von diesen übernahm sie den Hang zur technischen Perfektion. Bekannt ist Höfer aber vor allem für bildungsbürgerliche Motive, die eher das Gegenteil der „proletarischen“ Industrieanlagen der Bechers sind.

Zu Höfers Markenzeichen wurden die Innenansichten von Bibliotheken, Universitäten, Museen und anderen Wissensspeichern, in denen sie Verwandte des fotografischen Gedächtnisses erkennt. Statt Menschen bringt sie Räume zum Sprechen: Man ahnt bei ihr die historische Tiefe alter Bibliotheken, aber auch, dass diese längst Museen oder Weihestätten gleichen, in denen ein unzugänglich gewordenes Wissen dem Vergessen überlassen wird. Vielleicht geht es Höfer bei solchen Bildern nicht allein um den Geist des Ortes, sondern auch um die Zukunft der Fotografie. Im digitalen Zeitalter wirkt deren Selbstdefinition als Wissensspeicher schließlich ebenfalls antiquiert.

Strenge Klarheit

Auch Höfers vor einigen Jahren entstandenen Aufnahmen des Belgischen Hauses in Köln zeigen die mit diesem Ort verbundenen Erinnerungen im überhöhten Reinzustand der Architektur. Man sieht Säle, Treppenhäuser, Bibliothek, Theatersaal und die große Empfangshalle in strenger Klarheit, hell erleuchtet und zumindest teilweise vom Ballast befreit, so etwas wie historische Bedeutung darstellen zu müssen.

Auf den ungemein detailreichen Fotografien betont Höfer die handwerkliche Qualität von Türen, Handläufen und Böden und treibt den Räumen mit einer wohlkalkulierten Überdosis Tageslicht die alte Schwere aus. Auf einem Bild könnte man das durch zwei farbige Fenster fallende Licht geradezu kathedralisch finden, wirkte der Lichtschein nicht wie in den Boden gefräst. Wurden dieses Belgische Haus wirklich gebaut, damit Menschen darin arbeiten und leben können? Oder doch eher, um eines fernen Tages fotografiert zu werden?

Am liebsten wäre Candida Höfer wohl so unsichtbar wie die Bewohner der von ihr fotografierten Räume. Als sie vor einigen Jahren den Preis der Kölner Designkunstmesse Cologne Fine Art erhielt, sagte sie nur: „Vielen herzlichen Dank.“ Aber das mit einem höchst erfreuten Lächeln. Am Sonntag, 4. Februar, wurde sie 80 Jahre alt.

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