Kölner KunsthandelWarum man Rudolf Zwirner auch mit 90 noch zuhören sollte

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Der Kunsthändler Rudolf Zwirner sitzt auf einer Sessellehne in seinem Berliner Haus.

Rudolf Zwirner in seinem Haus in Berlin-Grunewald. In Köln gründete er die Kunstmesse Art Cologne.

Rudolf Zwirner war Hauslieferant von Peter Ludwig und Mitbegründer der Kölner Kunstmesse Art Cologne. Moderne Kunst war für ihn eine Befreiung von der deutschen NS-Vergangenheit.  

Beim Namen Zwirner denkt die Kunstwelt heute eher an David, einen der drei Galeristen, die den Markt der Weltstars weitgehend unter sich aufteilen und dabei jeweils Umsätze erzeugen, von denen altehrwürdige Kunstmessen wie die Art Cologne nur träumen können. Allerdings gäbe es Megagalerien wie die David Zwirners wohl nicht, ohne die in Köln geleistete Pionierarbeit, und dass es David nicht ohne den Art-Cologne-Mitbegründer Rudolf Zwirner gäbe, steht ohnehin felsenfest. Letzterer hat das Talent zum Kunsthändler offensichtlich an seinen Sohn vererbt.

Schaut man sich heute die Angebotsliste von Rudolf Zwirners Debüt auf der Kölner Kunstmesse an, fühlt man sich ins Museum Ludwig versetzt: Max Ernst fehlt darauf ebenso wenig wie Lucio Fontana und Roy Lichtenstein, Claes Oldenburg ist vertreten, René Magritte, selbstredend Andy Warhol, dazu Otto Freundlich, Dieter Roth, Emil Nolde und George Grosz. Alles Klassiker der Moderne, vor 1967 jedoch überwiegend unverkäuflich - außer an passionierte Liebhaber von solchem „Driss“, wie Zwirner einmal sagte. Leben konnte man als Händler davon eher nicht. Das änderte sich erst mit Peter Ludwig.

Vermutlich konnte nur ein Zugezogener die Kölner Galerienszene so aufmischen

Man kann über die glanzvolle Karriere Rudolf Zwirners nicht sprechen, ohne die Rolle Ludwigs, seines wichtigsten Kunden, zu würdigen. Allerdings kann man auch über Ludwigs Aufstieg zu einem der einflussreichsten Sammler der Nachkriegszeit nicht reden, ohne Zwirners Anteil daran zu erwähnen. Aus dessen Auslage stammen zahllose Bilder, die nach Ludwig benannte Museen schmücken, vor allem Pop Art, aber auch Baselitz und Richter, und man übertreibt sicher nicht, wenn man Zwirner als graue Eminenz hinter dem zeitweiligen Aufstieg Kölns zur Weltstadt der modernen Kunst bezeichnet.

Vermutlich konnte nur ein Zugezogener die eher geruhsame Kölner Galerienszene so aufmischen wie Zwirner. In seiner vor einigen Jahren erschienenen Autobiografie schildert er, geboren 1933 in Berlin, seinen Aufstieg vom Kriegskind zum Vater des modernen Kunstmarkts, wobei das Kapitel über Zwirners unverhofften Aufstieg zum Generalsekretär der zweiten Documenta zur Pflichtlektüre für all diejenigen werden sollte, die glauben, die Start-up-Kultur wäre eine Erfindung unserer Gegenwart.

Wenn es der Stadt Köln nicht gelingt, die Museen finanziell stärker zu unterstützen, wird es auch mit dem Kunsthandel nicht besser.
Rudolf Zwirner

Allzu viel hatte der 26-jährige Zwirner damals nicht vorzuweisen: ein in Kriegszeiten erworbener Freiheitsdrang, ein intellektuelles Elternhaus und eifrige Lehrjahre unter anderem bei Hein Stünke in Köln und Heinz Berggruen in Paris – letztere mehr oder weniger bei Wasser und Brot. Aber nach Kriegsende dominierte in der deutschen Kunstwelt die Sehnsucht nach Modernität, und so wurden die 50er Jahre eine ertragreiche Blütezeit gebrochener Biografien und verschwiegener Arrangements. Manches, was Zwirner miterlebte, erschien ihm nicht ganz sauber, wie der Ankauf eben noch verfemter Kunst aus dubiosen Quellen. Aber das verbucht Zwirner ebenso großzügig unter tätiger Reue wie die fortschrittliche Galeriearbeit seines Mentors Stünke; in den Kriegsjahren hatte er diesen noch als Parteigänger der Nazis kennengelernt.

Für Zwirner war die moderne Kunst eine Befreiung von der Vergangenheit und eine lange versperrte Tür in die Gegenwart. Trotzdem hielt er stets professionelle Distanz zu Sammlern und Künstlern. Später trug ihm das den Vorwurf ein, mehr Geschäftsmann als Kunstvermittler zu sein - als würde das eine nicht das andere bedingen. Vielleicht war es auch gerade diese hart erkämpfte Unabhängigkeit, die Zwirner für Peter Ludwig zum geschätzten und ebenbürtigen Sparringspartner machte. Allerdings hatte auch Zwirners Einfluss seine Grenzen: Als er Ludwig davon überzeugen wollte, den großen Beuys-Block für das entstehende Kölner Museum Ludwig anzukaufen, biss er sich die Zähne aus; dabei wollte Beuys laut Zwirner das heute weltberühmte Mammutwerk eigenhändig im Museum installieren.

Im Jahr 1992 gab Zwirner seine Kölner Galerie auf und zog sich aus dem aktiven Geschäft zurück - er hatte früher als andere begriffen, dass Kölns große Zeit vorüber war. Allerdings blieb er auch in Berlin, seiner neuen Wahlheimat, ein kritischer Begleiter des Kunstmarkts. So half er mit, das Kölner Zentralarchiv für internationale Kunstmarktforschung (Zadik) zu etablieren, und auch die Entwicklung Kölns liegt ihm weiterhin am Herzen: „Wenn es der Stadt nicht gelingt, die Museen finanziell stärker zu unterstützen“, sagte er 2014 bei einem öffentlichen Auftritt, „wird es auch mit dem Kunsthandel nicht besser.“ Mitunter fühle er sich als einsamer Rufer, so Rudolf Zwirner. Man sollte ihm weiterhin gut zuhören. An diesem Freitag wird er 90 Jahre alt.

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