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Kölner PhilharmonieEine akustische Situation führt zur nächsten

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Das Bild zeigt das Ensemble Modern

Das Ensemble Modern arbeitet seit Jahrzehnten mit dem Komponisten Helmut Lachenmann zusammen.

Das Ensemble Modern feiert Helmut Lachenmann zu dessen 90. Geburtstag in der Kölner Philharmonie.

Ein Hammerschlag gegen den Rahmen klingt auf dem Saitenchor des Konzertflügels wie in einer halligen Grotte nach. Was sich im Innenklavier ereignet, folgt dann draußen im großen Ganzen des Konzertsaals. Dem Ensemble auf der Bühne antwortet eine zweite Instrumentalgruppe hinter dem Auditorium. Von allen Seiten klingt es, haucht, rauscht, orgelt, sirrt, rattert. Das Publikum sitzt mitten im Klang und erlebt die kreuz und quer laufenden Signale und Resonanzen als gingen sie durch einen hindurch.

Helmut Lachenmanns „Concertini“ sind ein klangsinnliches, strukturell und formal faszinierendes Ensemblewerk. Vor zwanzig Jahren vom Ensemble Modern beim Lucerne Festival uraufgeführt, wurde das große Ensemblewerk nun im Vorfeld des 90. Geburtstag des Komponisten von derselben Formation mit Unterstützung durch die Internationale Ensemble Modern Akademie unter Leitung von Sylvain Cambreling in der Kölner Philharmonie gespielt. Wie die Instrumente den Klang- und Hörraum aufspannen, bilden sie durch schnell abwechselnde Einzeltöne auch durchgehende Melodien, Harmonien, Rhythmen und Repetitionen.

Als gälte es, den aus der Flasche befreiten Sound wieder einzufangen

Im Raum verteilte Blechbläser, Flöten, Schlaginstrumente und vier Oboen prägen den Klang. Hinzu kommen geriffelte Reibestöcke, die über Metallplatten und Holznotenständer rattern. Als gälte es, den aus der Flasche befreiten Dolby-Surround-Sound wieder einzufangen, gibt es vier Holzkisten, die mit Stöcken gerieben werden. Der Reihe nach treten alle Instrumente und Gruppen auch mit Soli hervor: Gitarre, Harfe, Streicher. Mehrmals bläst die Posaune ins Innenklavier, so dass die Töne wie Echos zurückhallen. Eine akustische Situation führt zur nächsten. Hörend durchwandert man eine Landschaft, in der zartes Knacken plötzlich zu massiven Tutti-Schlägen mutiert oder tosende Klangwellen in Stille auslaufen.

Als Zugabe und Geburtstagsständchen für Lachenmann spielte das Ensemble dessen „Marche Fatale“. Die anfangs schmissigen Marschmelodien zerfallen nach und nach, bis nur noch versprengte Fetzen zucken, Zitate aus Wagners „Tristan“ herumgeistern, und schließlich ein fauchender Tamtam-Schlag den Spuk beendet. Den Komponisten verbindet mit den Interpreten eine mehr als vierzigjährige Zusammenarbeit. Nun wurden sie und insbesondere Helmut Lachenmann in Köln mit stehenden Ovationen gefeiert.

Vorangegangen war eine farbensprühende Aufführung von Unsuk Chins „Graffiti“. Bei dieser virtuosen Musik werden verschiedene Gesten und Aggregatzustände jedoch bloß gereiht, statt durch Übertragung oder Abwandlung einer oder mehrerer Detaileigenschaften auseinander hervorzugehen. Was Lachenmann durch genaue Kenntnis und Experimentierfreude aus den Instrumenten, Spielweisen und Klängen entwickelt, bleibt bei Chin an der Oberfläche und deswegen leicht beliebig.