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Kommentar

Ahmad Mansour
„Es ging Gaza-Aktivisten nie um Menschenrechte, sondern um Selbstinszenierung“

4 min
Ahmad Mansour attackiert die Pro-Palästina-Bewegung aufs Schärfste.

Ahmad Mansour attackiert die Pro-Palästina-Bewegung aufs Schärfste.

Der Psychologe und Extremismus-Experte Ahmad Mansour über Antisemitismus und selektives Schweigen nach der Waffenruhe in Gaza.

Brennende Fackeln, Handgreiflichkeiten, Geschrei – diese Szenen stammen nicht von einem Fußballspiel, sondern aus dem ehrwürdigen Saal der Pariser Philharmonie. Dort störten antisemitische Aktivisten am Donnerstagabend das Konzert des Israel Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Lahav Shani. Bereits am Abend zuvor konnte ein Auftritt des Dirigenten in der Kölner Philharmonie nur unter massivem Sicherheitsaufgebot stattfinden. Protestierende störten mit Zwischenrufen das Konzert und wurden des Saales verwiesen.

Eine gezielte Inszenierung der Einschüchterung – und ein deutliches Signal: Die Bewegung, die in den vergangenen zwei Jahren den Antisemitismus auf die Straßen, in Kunst, Kultur und Medien getragen hat, ist noch da. Nicht einmal die Waffenruhe hält sie auf.

Die antiisraelische Bewegung wirkt seit der Waffenruhe in Gaza irritiert.
Ahmad Mansour

Die antiisraelische Bewegung im Westen wirkt seit der Waffenruhe in Gaza irritiert: Zwei Jahre lang fordert sie lautstark eine Waffenruhe.  Als diese eintritt, herrscht - Schweigen. Keine Freude, keine Hoffnung, keine Dankbarkeit. Warum?

Wo sind die Demonstrationen für den Sudan?

Die Antwort ist so simpel wie beunruhigend: Das Ziel dieser Bewegung war nicht der Frieden, ebenso wenig das Wohl der Menschen in Gaza, sondern die Dämonisierung Israels. Der Krieg war ihr Motor: Solange Bomben fielen, blühten die Hashtags, wuchsen die Reichweiten und die Empörung. Die emotionalen, Wut erzeugenden Narrative ließen sich im Krieg einfacher verbreiten, die moralische Selbstvergewisserung wurde kultiviert und konnte gedeihen. Seit dem Ende der Kriegshandlungen ist die Bühne verschwunden – und mit ihr die Pose.

Während in Gaza die Waffen schweigen, sterben im Sudan weiterhin täglich Hunderte Menschen. Ganze Städte liegen in Trümmern, Millionen sind auf der Flucht, Frauen werden systematisch vergewaltigt. Wo sind die Demonstrationen? Wo die „Free Sudan“-Plakate, die moralischen Manifeste, die Protestzüge durch europäische Metropolen? Stattdessen: Stille. Eine Stille, die lauter spricht als jede Parole.

Das Mitgefühl endet dort, wo keine Israelis oder Juden beteiligt sind.
Ahmad Mansour

Die Bewegung, die sich als Stimme der Unterdrückten versteht, ist selektiv stumm. Ihr Mitgefühl endet dort, wo keine Israelis oder Juden beteiligt sind. Im Sudan verhungern Menschen, werden ermordet– doch ohne Israel als Feindbild fehlt der Antrieb. Kein Pathos, keine Klicks, kein moralisches Kapital. Der moralische Kompass zeigt nicht nach Sudan, sondern dorthin, wo sich Empörung auszahlt und die moralische Selbstverortung ihren idealen Nährboden findet.

Warum ist das so? Erstens, weil es Donald Trump ist, dem das Zustandekommen der Waffenruhe in Gaza zugeschrieben wird. Das allein ist schon für diese Blase eine Zumutung. Wer in schwarz und weiß denkt, kann und will nicht die Komplexität sehen. Trump ist böse, sein Handeln ebenso.

Frieden zerstört Selbstinszenierung der Palästina-Aktivisten

Zweitens: Der Frieden zerstört die Selbstinszenierung. Es ging nie um legitime Kritik an Israels Kriegsführung, so notwendig sie manchmal sein mag. Es ging um Israels Existenz als jüdischer Staat – um Boykott, Dämonisierung, Delegitimierung. Der Krieg war die Bühne der Bewegung, der Frieden ist ihr Untergang. Wo das Narrativ von „Kolonialmacht und Widerstand“ bröckelt, schwinden Parolen, Follower und Likes.

Für Islamisten - und ihre nützlichen Idioten von links - ist die Waffenruhe eine ideologische Niederlage.
Ahmad Mansour

Mit dem neuen Gaza-Plan verändert sich etwas Grundsätzliches. Der Druck auf Israel verliert an Schlagkraft, das vertraute moralische Drehbuch funktioniert nicht mehr. Wer die Hamas romantisierte und Israels Vernichtung als „Widerstand“ verbrämte, steht nun entlarvt da.

Für Islamisten – und ihre nützlichen Idioten von links – ist die Waffenruhe noch mehr als ein taktischer Rückschlag: Sie ist eine ideologische Niederlage. Wenn die Hamas entmachtet und aus der Verwaltung Gazas gedrängt wird, endet auch ihre bequeme Tarnung hinter dem Leid der Zivilbevölkerung. Wer dann noch an der Hamas festhält und Israel als das ultimativ Böse darstellt, gibt offen zu: Es ging nie um Menschenrechte, es ging um Macht, Einfluss und Selbstinszenierung.

Israel hat den Nahen Osten zum Positiven verändert. 
Ahmad Mansour

Und die Realität ist bitter: Israel hat den Nahen Osten trotz allem zum Positiven verändert. Der Hamas gehört in Gaza nicht die Zukunft. Eine Vielzahl der muslimischen Länder unterstützt den Plan Trumps, sie senden vielleicht sogar Soldaten, um Gaza vor der Hamas  - nicht vor Israel - zu schützen. Der Iran ist geschwächt, die Hisbollah und die Huthis ebenfalls. Der Kampf, der seit dem 7. Oktober 2023 auch auf TikTok weltweit gegen Israel geführt wird, ist trotz allem gescheitert.

Brutale Bilder aus Gaza waren Propagandamaterial

Für die Islamisten ist die neue Entwicklung noch fataler: Der Krieg war eine Radikalisierungsmaschine. Die brutalen Bilder aus Gaza dienten als Propagandamaterial – emotional, wirkungsvoll, mobilisierend. Mit der Waffenruhe versiegt diese Quelle.

Was bleibt? Das fragile Bündnis aus Islamisten, identitätspolitischen Aktivisten und revolutionären Romantikern sucht bereits nach neuen Bühnen. Die fortgesetzte Hetzjagd auf israelische und jüdische Künstler, Wissenschaftler und Intellektuelle zeigt: Der harte Kern dieser Gruppen kämpft ums politische Überleben. Ich mache mir keine Illusionen – diese Netzwerke verschwinden nicht. Sie werden neue Betätigungsfelder finden. Der Mechanismus bleibt derselbe: Empörung als Selbstzweck, Verfolgung Andersdenkender als Methode. Das sollte uns allen große Sorgen machen.

Das neue Schweigen entlarvt, was zwei Jahre lang überdeckt wurde: Wenn der Krieg endet und das Leid der Menschen schwindet, doch statt Jubel dröhnende Stille herrscht – dann war Humanität nie das Ziel.