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Kölner Rapper Mo-Torres„Ich hatte kein normales Verhältnis zu meinen Gefühlen “

7 min
Mo-Torres ist ein Kölner Rapper.

Mo-Torres ist ein Kölner Rapper.

Mo-Torres appelliert für einen offeneren Umgang mit mentalen Problemen. Ein Gespräch über schwierige Zeiten in seinem Leben, die Heilkraft der Musik und große Pläne für 2026.

Mo, in einer aktuellen Umfrage haben zwei Drittel der Männer angegeben, über mentale Probleme sprechen zu wollen, allerdings geben viele auch an, nicht zu wissen, mit wem und wie. Dieses Gefühl kennst du auch – wie war das bei dir?

Während des Schreibprozesses für mein neues Album habe ich vor drei Jahren gemerkt, dass da etwas anders war. Ich hatte auf einmal Tage, an denen ich vor allem morgens Probleme hatte. Es war nicht so, dass ich nicht aufstehen konnte. Aber alltägliche Dinge, wie das Schreiben einer Mail, haben mich unendlich viel Überwindung und Kraft gekostet. Das war der erste Moment, wo ich so dachte: Komisch, das kenne ich gar nicht von mir! Ich konnte das überhaupt nicht einordnen. Ich habe das dann erstmal weiter mit mir rumgeschleppt. Aber irgendwann gab es auch Tage, an denen es mir schwerfiel, überhaupt einen positiven Gedanken zu fassen. Kleine, negative Dinge haben mich damals so sehr aus der Fassung gebracht, dass ich jedes Mal direkt meine Karriere hinschmeißen wollte. Gleichzeitig war ich bei positiven Erlebnissen auf einmal total euphorisch. Eigentlich war mein Leben ein permanentes zwischen „Himmelhoch jauchzend“ und „Zu Tode betrübt“. Ich hatte einfach kein normales Verhältnis mehr zu meinen Emotionen.

Wann hast du denn gemerkt, dass dieses Gefühlschaos nicht nur ein „Mal-nicht-gut-drauf-Sein“ ist, sondern dass du ein Problem hast, das du nicht selbst lösen kannst?

Das kam einfach mit der Zeit. Ich halte mich schon für einen reflektierten Menschen, der sich selber hinterfragt. Das ist ja irgendwie auch Teil meines Jobs, zu fragen: Was hab ich im letzten Album gut gemacht und was könnte ich noch besser machen. Diese Selbstreflexion habe ich damals dann für mein Privatleben übernommen. Aber irgendwie habe ich – anders als bei der Musik – keine Antworten auf meine Fragen gefunden, warum mich alles so affektiert und aus der Bahn wirft.

Selbst Freunde und die Familie konnten dir nicht helfen. In einem Lied auf deinem aktuellen Album beschreibst du, dass in deinem Herzen nichts mehr ankam.

Ja, bis dahin habe ich auch aus meiner persönlichen Erfahrung immer daran geglaubt, dass man mit Liebe alle Probleme lösen kann. Und das war wirklich sehr ernüchternd, zu erkennen, dass Liebe eben nicht mehr das Allheilmittel ist. Meine Freunde und Familie haben wirklich alles versucht und ich habe mich ihnen auch geöffnet. Ich wollte ihnen meine Situation erklären, wollte, dass sie verstehen, warum ich solche Verhaltensweisen an den Tag lege. Aber ich konnte ihnen gegenüber meine Probleme einfach nicht in die richtige Sprache übersetzen. Und da wurde mir klar: Ich brauche einen Dolmetscher, der quasi meine Probleme so übersetzen kann, dass ich selbst sie verstehe und auch die Menschen um mich herum.

Mo-Torres und seine Hündin Suki bei einem Veedelsspaziergang durch Bickendorf.

Mo-Torres und seine Hündin Suki bei einem Veedelsspaziergang durch Bickendorf. (Archivbild)

Dann hast du einen solchen Dolmetscher gesucht und dir professionelle Hilfe geholt. Was hat dir da geholfen?

Dass ich jetzt eine gewisse Klarheit über meine mentale Situation habe und dass ich weiß, warum ich bestimmte Gefühle habe und woher sie kommen. Außerdem habe ich einen Werkzeugkoffer an die Hand bekommen, der mir hilft, mit den schwierigen Phasen umzugehen. Eines der wichtigsten Learnings für mich als perfektionistischen Menschen ist: Es geht gar nicht darum, dass die Phasen, in denen mir alles zu viel wird, in denen mein Kopf voller Gewitterwolken hängt, auf einmal komplett weg sind. Es geht eher darum, sie zu akzeptieren, einen Umgang mit ihnen zu finden und sich klarzumachen, dass nach jeder Gewitterwolke irgendwann wieder sonnige Tage kommen. Im übertragenen Sinn werde ich in den Gewitterphasen jetzt nicht mehr pitschnass und erkälte mich nicht, sondern habe dafür sozusagen einen Regenschirm dabei, den ich aufspannen kann. Und mit diesem Wissen und dieser Stabilität versuche ich, in meinem Leben mehr Sonne und weniger Gewitterwolken an den Start zu bekommen.

Hat sich denn sonst was in deinem Leben geändert?

Ich versuche, Dinge, die ich früher verbissen angegangen bin, etwas gelassener zu sehen. Heute frage ich mich dann: Was ist eigentlich der Worst Case, der jetzt passieren kann? Ich versuche, die Dinge noch mal genauer in Relation zu setzen. Ich habe in meinem Kopf eine ganz klare Liste von Dingen, die mir im Herzen wichtig sind. Bei allem anderen rund um den Job sage ich: Es ist wichtig, aber ich muss das ja nicht jetzt um ein Uhr nachts machen.

Wie sehr hat dir denn die Musik geholfen?

Voll. Ich habe gemerkt, wie schön es ist, dass ich Musik immer noch aus derselben Intention heraus mache wie früher und dass sie für mich immer noch genau dasselbe bewirkt, wie zu der Zeit, als ich angefangen habe, Musik zu machen. Musik ist für mich ein Ventil, ich kann mit Musik Dinge verarbeiten, die ich vielleicht mit Menschen nicht besprechen kann. In Musik kann ich einfach alles rauslassen, was mich bewegt. Ob ich die Songs dann nachher rausbringe oder nicht, steht auf einem anderen Blatt. Musik als therapeutisches Element nutzen zu können, hat mir auf jeden Fall geholfen.

Mo-Torres präsentierte im Greatlive sein neues Album „schönso“. Zusammen mit seinem Gitarristen Kevin Joost (l.) spielten die beiden drei Songs.

Mo-Torres präsentierte im Greatlive sein neues Album „schönso“. Zusammen mit seinem Gitarristen Kevin Joost (l.) spielten die beiden drei Songs. (Archivbild)

Tatsächlich hat man gerade bei deinem neuen Album „schönso“ bei einigen Liedern das Gefühl, dass du darin die schwierige Zeit in deinem Leben aufarbeitest.

Also für mich ist ein neues Album auch immer wie ein Jahresbuch von mir, in dem ich die Dinge, die ich seit dem letzten Album erlebt habe, aufarbeite. Das sind dann mal schöne Dinge, mal traurige oder auch melancholische Dinge.

Mit deinen Problemen gehst du in den Liedern sehr offen um. In dem neuen Lied „Es ist okay“ zum Beispiel heißt es etwa: „Es ist okay, nicht okay zu sein ... und es ist gut, dass die Welt es weiß“. Auch bei deinen Konzerten appellierst du an die Fans, sich auch bei mentalen Probleme Hilfe zu holen. Wie ist denn die Resonanz auf diese Offenheit?

Brutal gut. Mir manchmal ehrlich gesagt zu gut. Eigentlich sollte es doch längst selbstverständlich sein, dass man darüber spricht und auch über die männliche Stigmatisierung von mentalen Problem sollten wir eigentlich längst hinweg sein.

Die aktuelle Umfrage, von der wir eben sprachen, zeigt aber schon, dass sich viele Männer immer noch sehr schwertun. Was glaubst du, woran liegt das?

Ich kann es mir wirklich nur mit dem alten Rollenbild vom starken Mann erklären, der keine Schwächen zeigen darf. Aber das hieße ja, dass Männer keine Gefühle haben. Ist doch Quatsch. Ich merke glücklicherweise, dass der Umgang mit mentalen Problemen in meinem Umfeld komplett gekippt ist. Mit Mitte 30 fangen viele an, sich die eine oder andere Frage zu stellen, warum manche Charakterzüge so sind und manche Eigenschaften und man fängt an, in seiner Persönlichkeit zu graben. Und ich erlebe es bei den Menschen in meinem Umfeld, die sich Unterstützung suchen, dass dieser Prozess der psychologischen Betreuung viel Positives bewirkt. Ich finde, es ist ein Zeichen der Stärke, sich einzugestehen, dass man alleine nicht weiter kommt. Und es ist für mich eher ein Zeichen von Schwäche, wenn man sich seine Probleme nicht eingesteht, keine Hilfe von außen annimmt und stattdessen sein eigenes Leben weiter wie im Hamsterrad vor die Wand fährt.

Wenn ich selber irgendwie gesund bleiben will – für meine Familie und meine Freunde – dann muss ich mir selber wichtig sein.
Mo-Torres über seine Prioritäten

Auch wenn die Resonanz auf deine Offenheit so positiv ist, macht diese Offenheit dich nicht auch ein bisschen verletzlich?

Ich mache das für mich und für Leute, die dafür empfänglich sind. Und wenn ich nur einem damit helfen kann, sich selber Hilfe zu suchen, dann habe ich gewonnen. Meine Musik findet schon den Weg zu den richtigen Leuten und die finden den Weg zu meiner Musik.

Apropos Menschen, die zu deiner Musik kommen. Im nächsten Jahr, am 21. August, wirst du dein größtes Solokonzert im Tanzbrunnen spielen. Was macht dieses Konzert für dich so besonders?

Zum einen, dass da unfassbar viele Leute sein werden. Mein größtes Konzert war bisher vor 4000 Leuten, am Tanzbrunnen ist Platz für 12.500 Fans. Zum anderen ist der Tanzbrunnen in Köln eine Institution und ein Ort, der in mir nostalgische Gefühle auslöst. Eines der ersten Konzerte, die ich als Jugendlicher gesehen habe, war eins von den Wise Guys am Tanzbrunnen. Außerdem habe ich viele Konzerte schon als Gast auf der Bühne miterleben dürfen, zum Beispiel von den Bläck Fööss. Das Konzert am 21. August ist ein Riesending, eine verrückte Idee, aber ich habe total Bock darauf, das anzupacken und richtig was auf das Parkett zu legen. Und zum 18. Geburtstag von Mo-Torres eine Riesenparty zu feiern.

Was wäre denn dein abschließender Rat, den du gerne weitergeben würdest?

Es ist wichtig, im Leben zu priorisieren. Ich habe für mich drei wichtige Dinge definiert, hinter denen alles andere zurücksteht. Für mich sind das meine Familie, meine Freunde und ich selbst. Ich muss mir selber wichtig sein und auf mich achten und erkennen, dass ich eben keine 100 Stunden in der Woche arbeiten kann. Wenn ich selber irgendwie gesund bleiben will – für meine Familie und meine Freunde – dann muss ich mir selber wichtig sein.


Zur Person

Mo-Torres heißt mit bürgerlichem Namen Moritz Helf und ist am 13. Juli 1989 in Köln geboren. Er wuchs in Bickendorf auf. 2016 veröffentlichte er mit Cat Ballou und Lukas Podolski den Titel „Liebe deine Stadt“ und erlangte größere Bekanntheit. Während der Schwerpunkt seiner musikalischen Anfangsjahre ab 2008 im Bereich des Raps lag, ist Mo-Torres heute viel mehr Popmusiker – und tritt weit über die Stadtgrenzen hinaus auf. 18 Jahre nach seinem ersten Auftritt auf seinem Abiball am Montessori-Gymnasium lädt Mo-Torres zu seinem bislang größten Solo-Konzert ein: Am 21. August 2026 steht er auf der Open-Air-Bühne des Tanzbrunnens. Sein aktuelles Album „schönso“ hat mit Platz sechs als drittes Album in Folge die Top zehn der Deutschen Album Charts erreicht.