Bei der Verleihung des „Kölner Recherchepreises“ 2025 warnt NRW-Medienminister Nathanael Liminski (CDU) vor den Folgen einer wachsenden Bedrohung der Pressefreiheit.
Kölner Recherchepreis 2025Ehrung für herausragende Arbeiten junger Journalistinnen und Journalisten

Verleihung des Kölner Rechechepreises 2025. Von links nach rechts: Isabella Neven DuMont, Sabrina Winter, Joachim Frank, Werner Schulte, Sophie Sommer, Friedrich Roeingh, Philip Zeitner, Verena Kensbock, Christian DuMont Schütte, Prof.in Marlis Prinzing, Heinz-Jürgen Lievenbrück, Katharina Schmalenberg.
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Für herausragende Leistungen junger Journalistinnen und Journalisten ist in Köln zum dritten Mal der „Kölner Recherchepreis“ verliehen worden.
1. Preis: Sophie Sommer, WAZ
Der erste Preis ging an Sophie Sommer (Westdeutsche Allgemeine Zeitung) für ihren Report „Ich spüre noch seine Hände auf mir“ über Kinderprostitution am Beispiel der Stadt Dortmund.
Die Jury lobte Sommers bereits mehrfach ausgezeichneten Beitrag als umfassend recherchiert, exzellent aufgebaut und eindrucksvoll geschrieben. „Ein großer Text, der niemanden unberührt lassen kann und der im Gedächtnis bleibt“, heißt in der Preisbegründung. Wie es Sommer gelungen sei, das Vertrauen ihrer Protagonisten zu gewinnen und ihnen Stimme zu geben, das könne keine Künstliche Intelligenz. „Dazu braucht es analoge Intelligenz, soziale Kompetenz und echte Menschlichkeit, dazu braucht es professionellen Journalismus.“

Sophie Sommer (Westdeutsche Allgemeine Zeitung) wurde dem 1. Preis ausgezeichnet. Laudator Joachim Frank (Kölner Stadt-Anzeiger, Vorsitzender der Jury) gratuliert.
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Sophie Sommer habe eine erschütternde Realität, die sich kaum beachtet und von den Tätern wie von den Opfern verschwiegen jeden Tag ganz in unserer Nähe abspielt, ans Licht geholt. „Was Sophie Sommers Report zeigt, sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Hier sind Journalistinnen und Journalisten gefragt – mit Empathie, rechtschaffener Empörung und einem ethischen Kompass.“
Es mache die besondere Qualität von Sommers Text aus, wie sich die Autorin dieser Herausforderung gestellt hat. Besonders hervorzuheben sei dabei, dass Sommer ihre Leserinnen und Leser wissen lasse, was sie tut, „was sie weiß und was sie nicht weiß“. Die Autorin „nimmt ihre Stimme professionell zurück, spricht auch und vor allem durch ihre Protagonistinnen und Protagonisten. Sie bleibt im Hintergrund, verschwindet aber nicht hinter Ihrem Text, sondern ist präsent. Sie verurteilt nicht, aber bleibt auch nicht außen vor.“
2. Preis: Sabrina Winter, fragdenstaat.de
Den zweiten Preis erhielt Sabrina Winter (fragdenstaat.de) für einen investigativen Report zu Missständen im Berliner Maßregelvollzug. „Sabrina Winter hat mit großer Hartnäckigkeit und extrem langem Atem skandalöse Zustände im Umgang mit psychisch kranken Gewalttätern aufgedeckt“, schreibt die Jury in ihrer Begründung. „Ohne jede Dramatisierung öffnet sie tatsächlich die Türen zu einem ‚Krankenhaus des Grauens‘.“

Sabrina Winter (fragdenstaat.de) wurde mit dem 2. Preis ausgezeichnet. Juror Friedrich Roeingh (ehem. Chefredakteur der Mainzer Allgemeinen) hielt die Laudatio.
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Die Autorin „lässt frustrierte Ärzte und Psychologen zu Wort kommen, die ihre Arbeit im Berliner Maßregelvollzug nicht mehr mit ihrem Gewissen vereinbaren konnten und sich vom Gesundheitssenat im Stich gelassen fühlen.“ Sie zeige auf, wie menschliches, organisatorisches und auch politisches Versagen in diesem Dunkelfeld ineinandergreifen“ - mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit nicht nur in Berlin. Winter habe Quellen offengelegt, die keine Behörde jemals freiwillig herausgerückt hätte. Und sie hat nach Einschätzung der Jury „musterhaft vorgeführt, welche Möglichkeiten die Informationsfreiheitsgesetze von Bund und Ländern gerade auch für Journalistinnen und Journalisten bieten, solche Missstände aufzudecken“.
3. Preis: Verena Kensbock und Philip Zeitner, RP
Mit dem dritten Preis zeichnete die Jury Verena Kensbock und Philip Zeitner (Rheinische Post) für eine 11-teilige Serie über den Wohnungsmarkt in Düsseldorf unter dem Titel „Das Wohn-Dilemma“ aus. Die Jury würdigte damit eine journalistisch herausragende Analyse, die nicht nur anklage, sondern auch erkläre.

Den 3. Preis erhielten Verena Kensbock und Philip Zeitner (rechts, Rheinische Post). Die Ehrung nahm Werner Schulte vor, Geschäftsführer des Lingen-Verlags und Mitglied der Jury. Er hielt auch die Laudatio.
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„Mit großer Sorgfalt und Empathie beleuchten die Autorin und der Autor, wie Verwertungskündigungen, steigende Baukosten und Trägheit der Verwaltung die Lage auf dem Wohnungsmarkt wechselseitig verschärfen. Sie lassen Mieter, Eigentümer und Expertinnen gleichermaßen zu Wort kommen und machen sichtbar, was hinter Zahlen und Schlagworten steht: den Verlust von Sicherheit, Teilhabe und Heimat.“ Die Serie überzeuge durch klare Sprache, differenzierte Recherche und gesellschaftliche Relevanz – „ein Beispiel für Journalismus, der Missstände aufzeigt und Demokratie stärkt“.
Herausgeber des „Kölner Stadt-Anzeiger“: Preisträger sind Fackelträger der Demokratie
Isabella Neven DuMont und Christian DuMont Schütte, Herausgeber des „Kölner Stadt-Anzeiger“, forderten gemeinsame Anstrengungen, den unabhängigen Qualitätsjournalismus zu sichern und in Zeiten der digitalen Transformation fortzuentwickeln. „Echte Recherche“ sei wichtiger denn je. „Denn sie führt zu Ergebnissen, die noch nicht im digitalen Datenstamm von ChatGPT enthalten sind.“ Es sei „immer wieder großartig, zu erleben – und zu lesen, wie junge Journalistinnen und Journalisten für ihren Beruf brennen und mit hoher Professionalität ihren Job machen“, sagten die Herausgeber mit Blick auf die Preisträger und ihre ausgezeichneten Beiträge. „Sie sind damit Fackelträger der Demokratie und der Freiheit.“

Die Gastgeber Isabella Neven DuMont (Mitte) und Christian DuMont Schütte, Herausgeberin und Herausgeber des „Kölner Stadt-Anzeiger“, bedanken sich am Ende der Preisverleihung bei Moderatorin Katharina Schmalenberg (Schauspiel Köln).
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Für den Fortbestand des lokalen und regionalen Journalismus benötigten die verantwortlichen Medienhäuser politische Unterstützung auf Landes-, Bundes- und Europaebene im Kampf „gegen die überlebensbedrohliche Marktmacht der Tech-Konzerne und ihrer Plattformen“, so die Herausgeber weiter. Ausdrücklich begrüßten sie in diesem Zusammenhang den jüngsten Vorstoß von Kulturstaatsminister Wolfram Weimer (parteilos) zu einer Digitalabgabe als „einen Schritt zu mehr Steuergerechtigkeit, Marktöffnung und Schutz der Medienvielfalt“.
NRW-Medienminister Nathanael Liminski: Pressefreiheit verteidigen
Als Gast der von Katharina Schmalenberg (Schauspiel Köln) moderierten Preisverleihung im Neven DuMont Haus sagte Nathanael Liminski (CDU), Minister des Landes Nordrhein-Westfalen für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales sowie Medien und Chef der Staatskanzlei: „Der Kölner Recherchepreis macht deutlich, wie unverzichtbar unabhängiger Journalismus für eine Gesellschaft ist, die auf Fakten und Vertrauen gründet.“ Diese Erkenntnis, so Liminski weiter, sei keine Selbstverständlichkeit mehr.

NRW-Medienminister Nathanael Liminski (CDU) bei seinem Grußwort zur Verleihung des „Kölner Recherchepreises“ 2025
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Die Frage nach der Pressefreiheit stelle sich heute mit anderer Dringlichkeit. „Wir werden bald entscheiden müssen, ob wir bereit sind, für Presse- und Medienfreiheit einen Preis zu bezahlen“, sagte Liminski mit Blick auf Drohungen der Trump-Administration gegen Medien in den USA und Attacken auf europäische Regulierungen von Plattformbetreibern und Aktivitäten im Internet. Er sei dazu bereit, nicht zuletzt mit Blick auf die ausgezeichneten Arbeiten, die auf der Freiheit und Unabhängigkeit des Journalismus beruhten. „Es muss sich zeigen, ob wir zurückschrecken oder Ernst machen mit unseren Kerninteressen und europäischer Identität.“
Hier könne es – anders als etwa in der Zollpolitik oder auch bei der Lastenverteilung in der Sicherheitspolitik – schwerlich Kompromisse geben. „Bei der Frage, was freie Rede bedeutet, fällt mir angesichts der Rede von US-Vizepräsident J.D. Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz die Vorstellung eines Kompromisses ziemlich schwer“, sagte Liminski.
Mit Blick auf die Situation auch in Deutschland fuhr Liminski fort: „Pressevertreter werden nicht ohne Grund von Gegnern unseres freiheitlichen Systems regelrecht angefeindet. Das macht die unerschrockene Recherche der ausgezeichneten Journalisten auch zu schwierigen Themen umso relevanter.“ Es sei richtig und wichtig, dass dieser Arbeit mit dem Recherchepreis eine Bühne bereitet und das hohe Gut journalistischer Arbeit gepflegt werde.
Kölner OB Torsten Burmester: Ausgezeichneter Journalismus stärkt Vertrauen in die Demokratie
Der neue Kölner Oberbürgermeister Torsten Burmester (SPD) betonte die Verantwortung des Journalismus und der Medien für Qualitätsstandards in einer „kritischen wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Situation“.

Auch Kölns neuer Oberbürgermeister Torsten Burmester (SPD) gratulierte den Preisträgern.
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Die Arbeit der Preisträgerinnen und Preisträger stärke das Vertrauen in die wichtige Arbeit der Medien. In ihr gehe es darum, zuverlässig zu informieren, Debatten zu führen, Machtverhältnisse zu hinterfragen, Fehlentwicklungen offen zu legen und den Finger in die Wunde von Missständen zu legen. Qualität im Journalismus erfordere Zeit und Geld und Engagement.“ Das müsse der Gesellschaft wie auch den Medienhäusern etwas wert sein.
Wissenschaftlerin Marlis Prinzing: „Der Journalismus, den wir brauchen, braucht auch uns.“
Die Journalistik-Professorin Marlis Prinzing (Hochschule Macromedia Köln) brachte dies in ihrem Impulsvortrag unter dem Titel „Der Journalismus, den wir brauchen“, auf die Formel: „Der Journalismus, den wir brauchen, braucht auch uns.“ Angesichts massiver gesellschaftlicher Veränderungen, unzureichend vermittelter Medienkompetenz und einer Allverfügbarkeit von Informationen im Netz komme es handwerkliche Professionalität an, sagte Prinzing.

Professorin Dr. Marlis Prinzing, Macromedia Hochschule Köln, sprach über „den Journalismus, den wir brauchen.“
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„Der Journalismus, den wir brauchen, ist zudem offen für Innovation, beweglich und zugleich reflektiert, verantwortungsbewusst als Instanz der kritischen Beobachtung und Stütze der demokratischen Gesellschaft.“ Als weitere Anforderungen nannte die Wissenschaftlerin die Werteorientierung von Journalistinnen und Journalisten, „auf Kurs gehalten von einem berufsethischen Kompass“, sowie die Nähe zu den Menschen. „Der Journalismus, den wir brauchen, geht hin, hört hin.“ Wie das vorbildlich gelinge, hätten die Gewinnerinnen und Gewinner des „Kölner Recherchepreises“ gezeigt.
„Kölner Recherchepreis“ mit 15.000 Euro dotiert
Der mit insgesamt 15.000 Euro dotierte „Kölner Recherchepreis“ wird seit 2023 gemeinsam vom „Kölner Stadt-Anzeiger“ und der Kölner Lingen-Stiftung ausgelobt. Zuvor wurde er drei Jahre lang als „Gutenberg-Preis“ von der Mainzer Mediengruppe VRM und der Lingen-Stiftung verantwortet. Prämiert werden Beiträge von Journalistinnen und Journalisten bis 35 in deutschen Lokal- und Regionalzeitungen oder auf redaktionell eigenständigen Online-Plattformen.

Statuetten und Urkunden für die Trägerinnen und den Träger des Kölner Recherchepreises 2025
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„Wir freuen uns, dass wir als Kölner Medienunternehmen auch in diesem Jahr wieder den ‚Kölner Recherchepreis‘ vergeben können. Es liegt uns am Herzen, gemeinsam mit der Lingen-Stiftung exzellente Recherchearbeit junger Journalistinnen und Journalisten zu honorieren. Die Qualität der eingereichten Beiträge war durchweg sehr hoch. Einen herzlichen Glückwunsch an die Gewinner“, sagte Thomas Schultz-Homberg, CEO der Kölner Stadt-Anzeiger Medien.

Abraham Lehrer (links), Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland und Vorstand der Synagogengemeinde Köln, im Gespräch mit Stadtsuperintendent Bernhard Seiger beim Empfang im Neven DuMont Haus vor der Verleihung des „Kölner Recherchepreises“ 2025
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Heinz-Jürgen Lievenbrück, Vorstand der Lingen-Stiftung, bezeichnete es als „unerlässlich, dass Presse- und Meinungsfreiheit gelebt werden. Bei aller Freiheit aber ist es aber ebenso notwendig, dass Genauigkeit und Glaubwürdigkeit im Journalismus oberste Priorität haben, indem objektiv recherchiert und umfassend analysiert wird. Nur dann kann Journalismus gerade in dieser schwierigen Zeit echte Informationsquelle und Orientierungshilfe sein.“

Gerald Selch (Mitte), Chefredakteur des „Kölner Stadt-Anzeiger“ im Gespräch mit OB Torsten Burmester (links) und Herausgeber Christian DuMont Schütte
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Gerald Selch, Chefredakteur des „Kölner Stadt-Anzeiger“, hob hervor: „Hervorragende Recherche ist nicht abhängig von der Größe des Mediums. Gerade deshalb lohnt sich der Fokus des Kölner Recherchepreises auf lokale und regionale Zeitungen. Die diesjährigen Preisträger stellen das mit ihren Arbeiten eindrucksvoll unter Beweis.“
50 Bewerbungen für den „Kölner Recherchepreis“
Für den diesjährigen Preis wurden rund 50 Bewerbungen eingereicht. Der Preis fördert junge Journalistinnen und Journalisten, die sich auch im Zeitalter von Meinungswettstreit und Zielgruppenkommunikation dem klassischen journalistischen Grundsatz verpflichtet fühlen: Vor der Information steht die gründliche Recherche.
Mit dem „Kölner Recherchepreis“ wollen der „Kölner Stadt-Anzeiger“ und die Lingen-Stiftung junge Journalistinnen und Journalisten dazu ermuntern, „in diesen ebenso schnellen wie meinungsoffensiven Zeiten die Kultur des Dicke-Bretter-Bohrens zu pflegen“. Der Preis sei aber auch zu verstehen als „ein Merkposten, eine Mahnung explizit an Lokal- und Regionalzeitungsverlage, dass wir aufwändige Recherchen so gut es irgend geht erhalten, fördern, ja womöglich sogar ausbauen“.
Mitglieder der Jury in diesem Jahr waren: Joachim Frank (Chefkorrespondent „Kölner Stadt-Anzeiger“, Vorsitzender), Annette Binninger (Chefredakteurin „Sächsische Zeitung“), Friedrich Roeingh (ehemaliger Chefredakteur „Mainzer Allgemeine“), Alina Schneider (Lokaljournalistenprogramm bei der Bundeszentrale für politische Bildung) und Werner Schulte (Geschäftsführer Lingen-Verlag).
