Kölner SchauspielDer Klassiker als Bastelbiografie – Huxleys „Schöne neue Welt“

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Szene aus „Schöne neue Welt”

Szene aus „Schöne neue Welt”

Köln – Oh wie schön ist sie doch, die neue Welt. Totale Konditionierung, problemloser Konsumrausch und kollektive Normen haben die Menschen nach Jahrtausenden von Krieg und Zerstörung im 26. Jahrhundert zu einer stabilen, friedlichen Gemeinschaft zusammenfinden lassen.

Bassam Ghazi hat mit dem „Import Export Kollektiv“ Aldous Huxleys dystopischen Sci-Fi-Klassiker „Schöne neue Welt“ für die Bühne der Außenspielstelle des Schauspiel Köln am Offenbach Platz in Szene gesetzt. Nachdem der Regisseur bereits bei der letzten „Kollektiv“-Produktion – dem preisgekrönten „Real Fake“ – mit seinem Jugendensemble Realität, Fiktion und künstlerische Konstruktion zu „Bastelbiografien“ verwoben hatte, geht er mit der Adaption des Romanklassikers noch einen Schritt in Richtung Rollentheater weiter. Ein Wagnis, das Ghazi souverän auffängt, indem er die Stärken des Ensembles und der einzelnen Akteure konsequent herausarbeitet.

Ging es bei „Real Fake“ noch um die Frage, wer wir wirklich sind, so leben die Menschen in der „schönen neuen Welt“ in grenzenloser Zufriedenheit und widerspruchsloser Gewissheit. „Kollektivität, Identität und Stabilität“ lautet das Credo der Gesellschaft, in der ein Wunsch nach Individualität im sehr strengen Kastensystem erst gar nicht aufkommt. Gewalt muss die kleine, elitäre Herrscherschicht nicht einsetzen, soziale Kontrolle und Selbstregulierung sorgen für Ruhe, notfalls fügt sich der Nonkonformist widerstandslos der Umsiedlung in ein Strafgebiet.

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Das Bühnenbild zu dieser durchkonstruierten Welt besticht durch Eleganz und Klarheit. Drei große, drehbare runde Spiegel beherrschen die Kulisse, mal Symbol für die Geschlossenheit und Selbstgenügsamkeit dieses Systems, mal aber auch – dank eindringlicher Videoprojektionen – Raumöffner in die fabrikartige Funktionalität dieser Welt. Erfrischend sind die gezielt herbeigeführten Ausbrüche aus diesem geschlossenen Kosmos: In Pausen vom Spiel reflektieren die Darsteller über das Stück und ihre Rollen und setzen dabei eigene Bedürfnisse und Erfahrungen in reizvollen Kontrast zu Huxleys Gedankengebäude.

In Reservaten, streng getrennt von den übrigen Menschen, leben die sogenannten „Wilden“ nach alten Gesetzen. Sie kennen das Glück romantischer Beziehungen ebenso wie Liebeskummer, Krankheit und Leid. Alter und Angst sind der Preis für eine individuelle Freiheit, Fantasie und Leidenschaft, die von den „Zivilisierten“ mit wohligem Grauen bestaunt werden. In der Bühnenfassung löst sich gegen Ende im heftigen Ringen zwischen diesen beiden Lebensentwürfen das rauschhaft geformte Kollektiv langsam auf. Am Ende dieses ungemein vitalen Theaterabends steht die inspirierende Aufforderung, anzufangen mit dem eigenen Leben.

Nächste Termine: 12., 25.10., 6.,7., 20., 27.11., 20 Uhr

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