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Sorge um journalistische UnabhängigkeitProgrammbeirat des Domradios ruft Medienaufsicht zu Hilfe

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Sonnenstrahlen dringen durch den Nordturm am Dom. 

Beim Kölner Domradio verschärft sich der Konflikt um die Umstrukturierung des kircheneigenen Senders.

Der Programmbeirat des Kölner Domradios hat einen Brandbrief an die Landesanstalt für Medien (LfM) geschrieben. Darin kommen erstmals Hintergründe zur Ablösung von Domradio-Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen zur Sprache.

Aus Sorge um die Zukunft des Kölner „Domradio“ und seine journalistische Unabhängigkeit ruft der Programmbeirat des kircheneigenen Senders die Landesanstalt für Medien NRW (LfM) zu Hilfe. Das Aufsichtsorgan für den privaten Rundfunk solle die vom Erzbistum Köln unter Kardinal Rainer Woelki geplante Umstrukturierung des Domradios einer kritischen Prüfung im Hinblick auf den Auftrag der LfM unterziehen, „nämlich Freiheit in den Medien zu schützen, Vielfalt zu fördern und Recht zu sichern“, heißt es in einem Schreiben des Beiratsvorsitzenden, Professor Jürgen Wilhelm, an LfM-Direktor Tobias Schmid.

In neun Punkten untermauert der Beirat seine Befürchtung, die Bistumsleitung strebe eine unkritische Berichterstattung des kircheneigenen Multimedia-Senders über das Erzbistum, den Erzbischof und kirchenpolitische Fragen wie den Reformprozess „Synodaler Weg“ an. Dafür spreche die Berufung des früheren Leiters der „Diözesanstelle für Berufungspastoral“, Gerald Mayer, zum zweiten Geschäftsführer für das Domradio. In einer Sitzung mit dem Beirat gab Mayer es als seinen Auftrag aus, „das Gegenüber von Erzbistum und Sender“ aufzulösen.

Hintergründe zur Ablösung von Domradio-Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen

In diesem Zusammenhang legt Wilhelms Schreiben an die LfM erstmals Hintergründe zur Ablösung von Domradio-Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen offen, die das Erzbistum im Juni überraschend bekannt gab. „Noch bis vor wenigen Wochen hat der Programmbeirat Herrn Brüggenjürgen als motiviert und tatkräftig erlebt. Von Rücktrittsabsichten oder Vertragsauflösung war nicht die Rede. Dem Vernehmen nach soll Herr Brüggenjürgen sich in den Wochen danach über die Einmischung in redaktionelle Inhalte durch den neuen zweiten Geschäftsführer nachhaltig in seiner Unabhängigkeit beeinträchtigt gesehen haben.“ Die Neubesetzung sei ohne vorherige Information oder gar aktive Einbeziehung des Programmbeirates erfolgt. Es stehe zu befürchten, dass bei den Journalistinnen und Journalisten des Domradios eine „Schere im Kopf“, also eine Art Selbstzensur um sich greifen könnte, um nicht als missliebig aufzufallen, so der Beirat.

Gleiches gelte für das „völlig intransparente Besetzungsverfahren“ für den neuen Geschäftsführer. Die Finanzierung einer vollen Stelle „für einen doch recht überschaubaren Betrieb“ von rund 30 Mitarbeitenden aus Bistumsmitteln „lässt befürchten, dass diese zusätzliche Geschäftsführung zukünftig deutlich stärker in die Zuständigkeiten und Befugnisse“ des Chefredakteurs eingreifen werde, des laut Medienstaatsvertrag Verantwortlichen für journalistisch-redaktionelle Inhalte. „Unter Managementgesichtspunkten und der Beachtung sparsamer Haushaltsführung ist eine solche zusätzliche Stelle jedenfalls nicht zu rechtfertigen.“

Kölner Domradio genießt guten Ruf als seriöser, journalistisch unabhängiger Sender

Unter Brüggenjürgens Führung hat sich das Domradio über die Jahre einen guten Ruf als seriöser, journalistisch unabhängiger Sender erarbeitet. Im März wurde bekannt, dass die Bistumsleitung die Trägerschaft dem plural zusammengesetzten Bildungswerk des Erzbistums entziehen und einer gemeinnützigen GmbH übertragen will. Das Erzbistum und auch der neue Geschäftsführer Mayer bestreiten geplante Änderungen im Programm oder eine Einschränkung der journalistischen Freiheit.

Demgegenüber sieht der Programmbeirat auch diesen „massiven Umbau“ höchst kritisch. Es sei dem Erzbistum nicht gelungen, „eine überzeugende inhaltliche, finanzielle oder aus sonstigen Gründen akzeptable Begründung für diesen Rechtsformwechsel darzulegen“. Die geplante Ausgliederung wird nach Ansicht des Beirats „die Möglichkeiten der Einflussnahme durch das Erzbistum weiter vergrößern“. Die Vorsitzende des Bildungswerks, Petra Dierkes, trat kurz nach Bekanntgabe der Umstrukturierungspläne zurück und scheidet vorzeitig aus dem Dienst des Erzbistums aus. Sie war bislang selbst Mitglied des Programmbeirats.

Zu dem Gremium gehören auch die frühere Staatssekretärin und Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Karin Kortmann (SPD), der Kölner Caritas-Chef Frank Johannes Hensel, ntv-Nachrichtenchefin Renate Friedrich, Dombaumeister Peter Füssenich, der Leiter des Museums Kolumba, Stefan Kraus, und Ex-Opernintendantin Birgit Meyer.

Konflikt zwischen Domradio-Beirat und neuem Chef des Bildungswerks

Die LfM ist für die Vergabe der Sendelizenzen an private Hörfunkanbieter zuständig. Durch die Anbindung des Domradios an das Bildungswerk sollte bei der Gründung vor fast 25 Jahren sichergestellt werden, dass der Sender kein reines Verkündigungsorgan des Erzbistums ist. Die LfM muss unter anderem prüfen, ob auch ein neuer Träger die für eine Sendelizenz erforderliche Pluralität des Programms gewährleistet.

Ein weiterer Konflikt zeichnet sich zwischen dem Beirat und Dierkes‘ Nachfolger an der Spitze des Bildungswerks, Simon Schmidbaur, ab. Dieser gilt als Woelkis Wunschbesetzung für den strategisch wichtigen Posten. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“, wies Wilhelm Schmidbaurs Ansinnen eines kurzfristig anberaumten Gesprächstermins mit dem Beirat als schlechten Stil zurück.

Auf Nachfrage wollte Wilhelm unter Hinweis auf Vertraulichkeit weder hierzu noch zum Schreiben des Beirats an die LfM Stellung nehmen. Es ist davon auszugehen, dass der Vorgang auch NRW-Medienminister Nathanael Liminski (CDU) erreicht.