Kölner StadtgartenKämpferisches Solidaritätskonzert für die Ukraine

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Szene aus dem Konzert im Stadtgarten       

Köln – Vor einigen Jahren eroberten Tamara Lukasheva aus der Ukraine und Matthias Schriefl aus dem Allgäu gemeinsam Köln. Jubilierend sangen und spielten sie in einem Video das Lied „In den Bergen“, Schriefls unhandliches Alphorn wurde auf ein Fahrrad geschnallt, das erst auf der Zoobrücke von kopfschüttelnden Polizisten gestoppt wurde. „In den Bergen“ folgte der Melodie des Old-Time-Evergreens „You Are My Sunshine“, Tamara Lukasheva sang: „Von ganzem Herzen … liebe ich dich.“

Es war wohl kein Zufall, dass das Lied in die Mitte des Solidaritätskonzerts „Freiheit und Frieden“ rückte, das am Montagabend im ausverkauften Stadtgarten für die in der Ukraine lebenden und arbeitenden Musikerinnen und Musiker stattfand. „In den Bergen“ war symbolisches Scharnier zwischen den Konzertteilen, wobei die Zeile „Von ganzem Herzen“ einen neuen, vehement politischen Unterton bekam. So nahtlos und reißfest die Gesangswelt der Stimm-Virtuosin Tamara Lukasheva und der unbekümmert-tiefgründige Klangkosmos von Matthias Schriefl miteinander harmonierten, so eindrucksvoll verschmolzen während des gesamten Konzerts heimische und fremde Traditionen und setzten ein emphatisches Signal des Aufbruchs – mit Klängen, die tief berührten, trösteten, für zwei Stunden zur Ruhe kommen ließen und trotz des unbegreiflichen Geschehens in der Ukraine mitunter ein Lächeln hervorzauberten.

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Es war ein mitreißendes Konzert, gespielt von elf vorzüglichen Künstlerinnen und Künstlern, die ukrainische Lieder facettenreich weiterdachten, dies stets frei von jeder Touristen-Folklore: (Jazz-)Musik als unmittelbares, echtes Gefühl, Klangkunst als Replik auf einen kriegerischen Gewaltakt. Zustande gekommen war das Konzert auf Initiative von Tamara Lukasheva, die Schirmherrschaft übernahm die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker, der WDR übertrug es live und in voller Länge. Alle Einnahmen werden gespendet: „Wir teilen die tiefe Bestürzung“, schrieb der Stadtgarten, „und stehen in Solidarität zu allen in der Ukraine verbleibenden Menschen, hier besonders zu den Musikerinnen und Musikern.“ Um sie unterstützen, solle das Spendengeld schnellstmöglich zugestellt werden.

Liebe, Klage und Kampf

Das Konzert wurde zum beeindruckenden Beleg für die Vielfalt, aber auch die Wirkungsmächtigkeit zeitloser Liedkunst: Wiegen- und Liebeslieder, Klage- und Kampflieder, dazu ein aufwühlendes Requiem. Mitunter erinnerte das ans Liberation Music Orchestra, das Bassist Charlie Haden vor mehr als 50 Jahren gegründet hatte: Damals bombardierte Richard Nixon Kambodscha, auch Haden widmete seine Musik „einer Welt ohne Krieg und Totschlag, ohne Armut und Ausbeutung“. Ähnlich mutierten nun die von Tamara Lukasheva ausgewählten Heimatlieder zu politischen Songs.

Nur wenige Tage des Planens und Übens reichten, um ein brillantes Konzert auf die Bühne zu bringen. Spielte Tamara Lukasheva zunächst mit Matthias Schriefl (Trompete, Flügelhorn, Akkordeon), Clemens Orth (Klavier), Janning Trumann (Posaune), Jakob Kühnemann (Bass) und Dominik Mahnig (Schlagzeug), präsentierte die ebenfalls aus der Ukraine stammende, in Köln lebende Sängerin Marianna Sadovska im Anschluss ihre eindringliche „Weltmusik“ als Aufruf zu Frieden und Verständigung. Während sie sich auf dem Harmonium begleitete, steigerten Jarry Singla (Klavier), Janko Hanushevsky (E-Bass) und Christian Thomé (Schlagzeug) die Musik zu hymnischer Dichte, die, unterstützt von Schriefl, Trumann und Tamara Lukasheva, konsequent in die wuchtig interpretierte, ukrainische Nationalhymne mündete.

Emotionale Vorbereitung

Zuvor hatte ein A-Cappella-Volkslied darauf emotional vorbereitet: Tamara Lukasheva und Marianna Sadovska sangen es mit der russischen Sängerin Tasja Chernishova als demonstrativer Schulterschluss und Signal dafür, dass Instrumenten und Stimmen keinerlei Grenzen gesetzt werden können.

Behutsam, mitunter um Fassung ringend, moderierte Tamara Lukasheva den Abend. Im Vorfeld sei sie gefragt worden, ob das Konzert eine Waffe gegen Putin sei. „Natürlich kann ich nicht kämpfen“, sagte sie, „ich habe keine Ahnung von Waffen. Aber ich bin davon überzeugt, dass alles, was Liebe, Freiheit, Freude, Zusammensein strahlt, Putins Feind ist.“

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