Kölnischer KunstvereinDaniela Ortiz nimmt Rache an Kolonialherren und Rassisten

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Aus einer Bildgeschichte von Daniela Ortiz

Aus einer Bildgeschichte von Daniela Ortiz

Köln – Wie sag ich‘s meinem Kinde? Was sich Eltern bei heiklen Themen fragen, treibt derzeit auch viele Künstler um, wenn sie der weißen Mehrheitsgesellschaft unangenehme Wahrheiten verklickern wollen. Wobei letztere ja weniger als naiv und daher schützenswert gilt, sondern in Sachen „weiße Schuld“ durchaus als verstockt.

Eine erstaunlich naheliegende Antwort bietet die neue Ausstellung im Kölnischen Kunstverein. Die peruanische Künstlerin Daniela Ortiz erzählt die Verbrechen der europäischen Kolonialherrschaft dort in Form von Märchen nach, in denen die Täter eine ebenso grausame wie poetische Gerechtigkeit ereilt. Man könnte ihre Bildgeschichten auch Rachefantasien im Kleid fabelhafter Lehrstücke nennen.

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In ihrer „Rebellion der Wurzeln“ geht es um die Entführung exotischer Pflanzen aus den Kolonien in europäische Gewächshäuser – und gleichzeitig um die Ausbeutung und Versklavung ganzer Länder und Kontinente. In kurzen Szenen werden Exempel an imperialistischen Figuren wie Carl Hagenbeck statuiert, der in Hamburg nicht nur einen Tier- und Pflanzenpark gründete, sondern auch einen „Völkerschau“ genannten Zoo mit indigenen Menschen einrichtete. Bei Ortiz findet Hagenbeck sein Schicksal in einer Schlange, die ihm eine ungesunde Dosis Gift einimpft.

Eine andere Bilderfolge schließt direkt an Wilhelm Buschs Lausbubengeschichte „Max und Moritz“ an. Allerdings spielen hier zwei namibische Kinder den europäischen Rassisten grausame Streiche und die Zeichnungen sind weniger virtuos als absichtsvoll „volkstümlich“ gehalten. Sie wirken wie parodistische Comics eines indigenen „Stammeskünstlers“, der entweder nicht sonderlich talentiert ist oder seine europäischen Vorbilder nicht der übertriebenen Mühe wert befindet. Dafür sieht man seinen scheinbar naiven Skizzen den todernsten Spaß an, die europäischen Rassisten des 19. Jahrhunderts an ihren eigenen Verbrechen zugrunde gehen zu lassen.

Abgerundet wird die Ausstellung durch ein Kasperletheater zum Thema staatlicher Kindesraub und ein Klassenzimmer-ABC zum Rassismus in Europa. Wer die Botschaft dann immer noch nicht kapiert hat, will es wohl nicht wissen. Aber ein wenig mehr Kunst hätte der Überredungskunst auch nicht unbedingt geschadet.

Abstraktes Gemälde von Melike Kara im Kunstverein 

Abstraktes Gemälde von Melike Kara im Kunstverein 

In den oberen Stockwerken zeigt der Kunstverein bis Anfang Dezember zudem neue Arbeiten von Melike Kara, einer Kölner Künstlerin, die sich hier mit autobiografischen Anleihen der kurdischen Diaspora widmet. Im Studio präsentiert sie eine mit Bleichmitteln behandelte Fototapete aus Archiv- und Familienbildern, auf denen die Erinnerungen an die verlorene Heimat buchstäblich ins graue Vergessen zu sinken scheinen; im Theatersaal stehen abstrakte Gemälde, auf denen Kara die Bildsprache traditioneller kurdischer Textilien zitiert. So versucht sie durch Vertreibung und Verbote abgeschnittene Traditionen wenigstens im „falschen“ Medium zu bewahren. Die Kunst wird bei ihr weniger zum Träger einer Botschaft als zur rettenden Zuflucht – das Letzte, was einem bleibt.

Daniela Ortiz, Melike Kara, Kölnischer Kunstverein, Hahnenstr. 6, Köln, Di.-So. 11-18 Uhr, bis 30. Januar 2022 (Ortiz) und 5. Dezember 2021 (Kara).

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