Kommentar zum KinoprogrammNur noch Fortsetzungen und Neuauflagen – haben die Filmemacher keine neuen Ideen mehr?

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Der Filmprojektor leuchtet in den Kinosaal.

Der Filmprojektor leuchtet in den Kinosaal.

Das Kinojahr 2024 wird von Prequels, Sequels, Remakes und Spin-offs dominiert. Originelles gibt es kaum.

Aufgewärmtes Essen schmeckt, bis auf wenige Ausnahmen, meist nicht so gut, wie frisch gekocht. Es erfüllt seinen Zweck, es stillt den Hunger. Aber wirklich befriedigend ist es irgendwie nicht.

Analog lässt sich das auch auf die Filmbranche anwenden. Überwiegend werden bekannte Werke neu interpretiert, oder mit einem Prequel, Sequel oder Spin-off versehen. 

Dieses Recycling von Filmen ist in den meisten Fällen kein Zeichen für schlechte Qualität. Also handwerklich. Talentierte Schauspielerinnen und Schauspieler bringen die Handlung zum Leben. Mit modernsten Filmtechniken sieht das Bewegtbild immer spektakulärer aus.

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Doch an der Immersion scheitert es. Die Figuren sind bereits bekannt, die Geschichte hat man schon gesehen. Überraschungen oder neue Denkanstöße, die Kunst auslösen kann, bleiben aus. Das Kinojahr 2024 verspricht in diese Richtung allerdings nur wenig.

Alles wie immer: 2024 kommen Godzilla und King Kong zurück an die Leinwände

Am 25. Januar 2024 erscheint etwa eine neue Fassung der Kult-Teenie-Komödie „Mean Girls“. Eine Verfilmung der Musicaladaption des Originals von vor 20 Jahren. Mit derselben Besetzung. Wenig später kommt am 8. Februar eine Neuauflage von „Die Farbe Lila“ in die Kinos. Warum? Gute Frage. Denn das Original von Steven Spielberg mit Whoopi Goldberg aus dem Jahr 1985 ist ein zeitloses Stück Filmgeschichte.

Mit „Gladiator 2“ bekommt das mit fünf Oscars prämierten Epos am 21. November eine Fortsetzung. Ridley Scott war wieder verantwortlich, die Besetzung um Denzel Washington, Pedro Pascal und Paul Mescal ist vielversprechend. Doch nach einem neuen Kapitel des Films aus dem Jahr 2000 hat sicherlich niemand gefragt. Zumal die Geschichte ein rundes Ende hatte. Russel Crowes Maximus Decimus Meridius – Spoiler – stirbt, nachdem er seine Ehre wiederherstellte und den römischen Herrscher Commodus (Joaquin Phoenix) im Kolosseum tötete.

Dann noch ein neuer Ghostbusters-Film. Godzilla und King Kong prügeln sich auch wieder und zerstören dabei alles. Der „Kung Fu Panda“ macht zum vierten Mal dasselbe. Und die Transformers führen ebenfalls wieder Krieg mit ihren Widersachern. Simbas Vater Mufasa bekommt seine eigene Geschichte. Dazu die erwartbaren Fortsetzungen und Spin-offs, die seit 15 Jahren aus dem Marvel Cinematic Universe gewrungen und lieblos an die Leinwände und Bildschirme geklatscht werden. Eigentlich alles wie immer.

„Dune“, „Nosferatu“: Es gibt auch vielversprechende Fortsetzung und Neuauflagen

Natürlich kann das alles auch spannend und vor allem unterhaltsam sein. Neuauflagen und Fortsetzungen können auch zu recht besser als die Originale sein. Oder zumindest für sich stehen. Vielversprechend ist etwa „Nosferatu“ von Robert Eggers, der am Ende des Jahres erscheinen soll. Oder die Fortsetzung des neu verfilmten Science-Fiction-Klassikers „Dune: Part Two“.

Glücklicherweise gibt es, wenn auch immer seltener, doch immer mal wieder vielversprechende Geschichten, die man noch nie zuvor so an den Leinwänden gesehen hat. Etwa der kürzlich erschienene Miyazaki-Anime „Der Junge und der Reiher“. Oder „Civil War“, ein Dystopie-Actionfilm von Alex Garland mit Kirsten Dunst in der Hauptrolle. Oder „Mickey 17“ aus der Feder von „Parasite“-Schöpfer Bong Joon-ho.

Trotzdem setzen die Filmproduzenten, das zeigt eben das Kinoprogramm, lieber auf Sicherheit, um ordentlich Umsatz an den Kinokassen zu erzielen. Nur so erklärt sich, wieso zeitlose Klassiker, eine Fortsetzung verdient haben oder gleich komplett neu verfilmt werden müssen. Oder warum Franchises bis auf den letzten Rest Story ausgeschlachtet werden. Bekannte Namen ziehen eben. Es ist daher nur eine Frage der Zeit, bis Batman oder Spider-Man zum wiederholten Mal neu aufgezogen wird.

Vom Barbie-Hype ins Mattel Cinematic Universe: Filmstudios interpretieren eigene Erfolge falsch

Sie scheinen ihrem Publikum nicht viel mehr zuzutrauen. Das müssen sie auch nicht, ihre recycelten Filme sind ja trotzdem erfolgreich. Gleichzeitig interpretieren sie diesen Erfolg falsch. Statt etwa aus dem Hype um „Barbie“ die Quintessenz zu ziehen, dass auch clever verpackte feministische, gesellschaftskritische Inhalte zum Kassenschlager werden können, geht man in Hollywood einen völlig anderen Weg. Mattel will sein eigenes Cinematic Universe etablieren, mehr Filme zu ihren Puppen und Spielzeugen stehen in den Startlöchern. Sei es der lilafarbene Feel-Good-Dino Barney, Polly Pocket oder Hot Wheels.

Die Filmstudios könnten stattdessen auf wertvolle, unbekannte, neue Ideen von talentierten Autorinnen und Autoren setzen. Das machen sie aber nicht. Das Risiko ist für die Produzenten einfach zu groß – und eine riesige Marketingmaschinerie, die quasi von selbst läuft, ist auch nicht garantiert. Sie haben offensichtlich vergessen, dass der Kinofilm auch eine Kunstform mit großer Wirkung sein kann. Aber nicht, wenn dem Publikum ausschließlich dieselbe aufgewärmte Kost angeboten wird.

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