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„Kompakt 500“-AusstellungDieses weltbekannte Kölner Techno-Label ist jetzt museumsreif

Lesezeit 5 Minuten
Wolfgang Voigt und Valerie Knoll posieren lachend. Voigt gestikuliert für die Kamera. Hinter ihnen sind von verschiedenen Künstlern gestaltete Variationen des Kompakt-Doppeladlers zu sehen. Neben ihnen eine Baumskulptur von Albert Oehlen.

Kompakt-Chef Wolfgang Voigt und Valerie Knoll, Leiterin des Kölnischen Kunstvereins in der „Kompakt 500“-Ausstellung.

Der Kölnische Kunstverein zeigt eine große Rückschau anlässlich der 500. Veröffentlichung auf dem Kompakt-Label.

Wenn einem die Cover von Schallplatten, die man einst im Laden erstanden hat, als Ausstellungsstücke im Kunstkontext wiederbegegnen, kann man dies als sicheres Anzeichen dafür nehmen, dass man in die Jahre gekommen ist. Ebenso die gezeigten Künstlerinnen und Künstler. Beziehungsweise das Label.

Mit „Kompakt 500“ widmet sich der Kölnische Kunstverein nach seiner Udo-Kier-Schau erneut einer örtlichen Legende, der Techno-Firma Kompakt – Label, Laden, Produktionsstätte, Vertrieb und Künstleragentur in einem, ein mittelständischer Betrieb von Weltgeltung. Und genau wie der Kultstar Kier noch höchst aktiv.

Kunstvereins-Leiterin Valerie Knoll vergleicht das Kompakt-Haus in der Werderstraße mit Andy Warhols Factory, ein Freiraum, in dem gegen das entfremdete Leben integrativ gewirtschaftet und gefeiert werden kann. Aber natürlich reicht das Konzept der Künstlerwerkstatt bis ins alte Griechenland zurück.

„Das Auge hört mit“, sagt Kölns Techno-Urvater Wolfgang Voigt

„500“ – die runde Katalognummer hat Kompakt fast 30 Jahre nach seiner Gründung erreicht, nun reihen sich sämtliche Veröffentlichungen des Labels an einer Wand, die sich über die Länge der Ausstellungshalle erstreckt. „Eine Wand aus Klang“, nennt Wolfgang Voigt, Urvater des Kölner Techno, die Präsentation, die er unbedingt als Skulptur verstanden wissen will: „Das Auge hört mit.“

Von der Nummer 1, Jürgen Paapes „Triumph“, einem Track, der mit minimalem Aufwand maximalen Schwung erreicht, bis zur 500, einer silbernen Edelbox, die 50 besten Stücke auf fünf Vinylscheiben gepresst. Paape gehört zusammen mit Voigt und Michael Mayer, dem Star-DJ des Labels, zu den Gründern von Kompakt.

Die Coverkunst – oft von Grafikdesignerin Bianca Strauch – spiegelt den undogmatischen Minimalismus der Musik, Weglassen ist Gebot, aber nicht Gesetz. Am Ende wundert man sich, wie häufig Elemente aus der unmittelbaren Nachbarschaft hier auftauchen, angefangen beim Doppeladler aus dem Kölner Stadtwappen, den das Label als Erkennungszeichen in einem Akt kultureller Selbstaneignung für sich requiriert hatte.

22.05.2025 Köln. Kölner Techno ist jetzt museumsreif: Die neue Ausstellung im Kölnischen Kunstverein widmet sich dem weltweit erfolgreichen Kölner Label Kompakt und seiner Ästhetik. Foto: Alexander Schwaiger

Sämtliche Veröffentlichungen des Kompakt-Labels, schön ordentlich an einer Wand aufgereiht.

An der hinteren Wand der Halle zeigen befreundete Kunstschaffende – unter anderem Albert und Markus Oehlen, Joseph Zehrer und Lothar Hempel – ihre Versionen des Adler-Logos. Am „Hampeladler“ von Petra Hollenbach darf man sogar ziehen, das trifft den respektlosen Humor, der stets die künstlerische Formstrenge der Kompakt-Ästhetik abmilderte.

Von Albert Oehlen stammt auch die raumgreifende Skulptur aus Baumstämmen und mit Gaffer-Tape umwickeltem Gehölz, vielleicht ein Verweis auf Wolfgang Voigts berühmtestes Projekt Gas, von dem er dieser Zeitung einmal erzählt hat, es sei an einem magischen Tag Mitte der 90er entstanden, als er Samples von Wagner, Schönberg und Berg mit einer weit entfernten Bassdrum kombinierte.

Künstler wie Albert Oehlen, Cosima von Bonin und Wolfgang Tillmans begleiten Kompakt von Anfang an

Im Treppenhaus zum Untergeschoss hat Voigt diesen Sound auf zwei Drucken aus geloopten Fotografien von seinem geliebten Königsforst optisch übersetzt: „Ich habe den Wald so umorganisiert, wie ich ihn gerne hätte.“ Der Bezug zur Bildenden Kunst war bei Kompakt von Anfang an vorhanden, nicht erst, seit das Label vor einigen Jahren mit eigenem Stand auf der Art Cologne vertreten war. Vitrinen, in denen die Frühzeit des Sounds of Cologne dokumentiert wird, zeigen Cover und Artikelfotos von Kai Althoff, Cosima von Bonin und Wolfgang Tillmans.

An der Wand gegenüber findet man einige der konzeptuelleren, auf Unterlabels veröffentlichten Arbeiten, zum Beispiel die Kreisel-99-Serie: 52 Singles, die 1999 als Countdown zum Millennium im Wochenryhthmus erschienen. Oder die Reihe „Protekt“, deren Tracks auf Schützenswertes verweisen, das auf den Covern in schwarzen Umrissen abgebildet ist: eine Fledermaus oder die Christuskirche neben dem Kompaktladen. Mit seinem Projekt „Sog“ antwortet Voigt auf den berüchtigten Totenschädel von Damien Hirst: Den 8.601 Diamanten, mit denen dieser besetzt ist, entsprechen hier 8.601 Schläge der Bassdrum. Kommt günstiger und kickt besser.

22.05.2025 Köln. Kölner Techno ist jetzt museumsreif: Die neue Ausstellung im Kölnischen Kunstverein widmet sich dem weltweit erfolgreichen Kölner Label Kompakt und seiner Ästhetik. Foto: Alexander Schwaiger

Hören kann man die Höhepunkte aus fast 30 Jahren Kölner Techno natürlich auch.

Im Untergeschoss kann man sich den Klang zum Bild dann anhören, dazu gibt es einen Pop-Up-Store, geschäftstüchtig ist man ja auch. Umrisszeichnungen verweisen auf die bisherigen drei Kompakt-Standorte, angefangen hatte der Kölner Betrieb 1993 als Ableger des Frankfurter Techno-Ladens Delirium.

Damals herrschte in der Welt elektronischer Tanzmusik noch babylonische Verwirrung. Die 12-Zoll-Singles, auf denen die begehrte Musik nahezu ausschließlich gehandelt wurde, steckten oft in neutral-weißen Hüllen, ihre Urheber versteckten sich hinter einer Vielzahl von Pseudonymen. Voigt hatte damals zusammen mit Jörg Burger (The Modnernist, The Bionaut) britische Acid-House-Musik nach Köln exportiert und ihr seinen ganz eigenen Spin versetzt. Er veröffentlichte etwa als Mike Ink, Wassermann, Love Inc., Polka Trax oder Studio 1 auf ebenso vielen Labels. Bis er beschloss aufzuräumen und dem bunten Gewusel der Szene eine selbstgebastelte Corporate Identity zu verpassen, mit bunten Punkten und Doppeladler, klar, streng und verständlich. Aber mit typisch kölnischer Offenheit.

Oben, im Studio, laden die von Veronika Unland für die „Pop Ambient“-Reihe des Labels gestalteten Blumen- und Blütenbilder   zum Durchatmen ein. Die Kompilation erscheint seit 2001 jährlich und vereint die besten Bassdrum-losen Tracks des jeweiligen Jahrgangs. „Musik, die Schmerzen lindert, die andere Musik verursacht“, warb das Label damals verschmitzt. Aber die hier ausgestellten Motive übertreiben es nicht mit der Lieblichkeit, suchen eher die Mitte zwischen Georgia O'Keefes sexuell aufgeladenen Blumengemälden und Andy Warhols „Flowers“-Serie. Auch hier wird die Natur aufgeräumt und aufs Wesentliche reduziert.

„Kompakt 500“ wird am Freitag, 23. Mai, ab 19 Uhr mit Non-Stop-Musik der Kompakt-Allstars-DJs eröffnet und ist bis zum 20.7. im Kunstverein zu sehen.