Konzert in KölnFKA twigs singt über das Liebesaus mit Robert Pattinson

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FKA twigs am Mittwochabend im Kölner Carlswerk Victoria. 

FKA twigs am Mittwochabend im Kölner Carlswerk Victoria. 

  • Die Sängerin FKA twigs gab im Carlswerk Victoria ein exklusives Deutschland-Konzert.
  • Die Besucher ließ sie erst einmal lange warten.
  • Ihre Show belohnte dann allerdings mit großen Momenten.

Köln – Nachdem der letzte Ton im Kölner Carlswerk Victoria verklungen, das letzte Wort gesungen ist, lässt FKA twigs ihre rechte, das Mikrofon haltende Hand sinken. Langsam, ganz langsam. In den 75 Minuten zuvor hatte das Publikum jede Bewegung, jeden Blick der Sängerin mit Ausrufen der Entzückung oder mit Applaus quittiert. Jetzt ist die Stille vollkommen, kein Zwischenruf, kaum Atmen. Ein verblüffender Moment am Ende eines verblüffenden Konzerts, des einzigen Deutschlandauftritts von Tahliah Debrett Barnett — so der bürgerliche Name der Engländerin.

Obwohl FKA twigs ihre Tänzerinnenfigur unter einer bauschigen Bluse und einem langen, karierten Glockenrock verbirgt, hat sie sich erst jetzt, mit ihrer Ballade „Cellophane“, vollkommen enthüllt. Ihre ausgeklügelte, hoch artifizielle, unter ständiger Spannung vibrierende Gesamtkunst führt oft zu dem Fehlschluss, dass deren Bedeutungen schwer zu entziffern wären. Dabei könnte sie sich kaum klarer ausdrücken: „Sie warten/ Sie beobachten uns/ Sie hassen/ Und hoffen, dass ich nicht genüge“ lauten FKA twigs letzte Zeilen vor der großen Stille.

Ex-Vampir und zukünftiger Batman

Gemeint ist selbstredend die zwangsöffentliche Beziehung zum ehemaligen „Twilight“-Vampir und zukünftigem Batman Robert Pattinson. Mit dem teilte Barnett drei Jahre lang Tisch und Bett und sah sich in dieser Zeit dem Hass fanatischer Anhängerinnen des schönen Schauspielers ausgesetzt. Nicht wenige der anonymen Kommentare waren offen rassistisch, Barnetts Vater ist Jamaikaner. Aber das war sicher nicht der einzige Grund, warum sie nicht in die bleiche Fantasiewelt der „Twilight“-Anhängerinnen passte. Die anspielungsreiche Gegenwelt, die sich FKA twigs erschaffen hatte, war einfach so viel eindrücklicher als die der Teenie-Saga.

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Weshalb sie viele Kritiker, als sie 2014 ihr Debütalbum veröffentlichte, zum nächsten großen Ding ausriefen, zur neuen Hohepriesterin des elektronisch verfremdeten R„n„B, gebrauchsfertig gestylt für die Titelblätter gehobener Modemagazine. Doch der große Durchbruch in den Mainstream blieb aus und das lag letztlich weder an der lästigen Klatschspalten-Geschichte, noch am gutartigen Gebärmutter-Tumor, den sich Barnett entfernen lassen musste. Sondern daran, dass ihr die Eigensinnigkeit ihrer Kunst offensichtlich sehr viel wichtiger war und ist — die Einordnung ins R“n“B-Genre etwa hat sie sich vehement verbeten —, als deren Massenkompatibilität: Es erfordert einiges an Anstrengung, sich auf FKA twigs Songs und deren Präsentation einzulassen.

Das gilt leider nicht nur im übertragenen Sinn. Die Sängerin lässt in Köln auf sich warten. Der Konzertbeginn ist für 20 Uhr angesetzt, doch erst um Viertel nach Neun wird das Hallenlicht gedimmt und ein Chor erklingt, der „a woman’s work“ ankündigt. Man darf dabei ruhig an Kate Bushs Single „This Woman„s Work“ denken, es führt eine gerade Linie von Bush zu Björk zu FKA twigs. Frauen, die den männlichen Stanzen eigene Vorstellungen von weiblicher Autorschaft entgegengesetzt haben.

Rüschiges Piratenoutfit

Jubel brandet auf, als Barnett endlich vor den Vorhang tritt, angetan mit einem rüschigen Piraten-Outfit. Das ist jedenfalls die erste Assoziation, aber ihr Federhut ist auch eine große Tüllwolke. Später wird sie noch ein Kostüm tragen, das gefährlich zwischen den politisch inkorrekten Polen „exotische Morgenland-Prinzessin“ und „rassige Zigeunerin“ changiert. Doch die üblen Klischees transzendiert FKA twigs scheinbar mühelos, so wie sie, zum Höhepunkt der Show, einen spektakulären Stangentanz vollführt, der eine Strip-Club-Nummer in eine futuristische Performance verwandelt.

Ebensowenig lässt sich ihr Gesang auf einen einfachen Nenner bringen, er wechselt stufenlos vom scheuen Hauch zur Koloratur-Arie, vom ätherischen Elfenjuchzen zum erdigen Blues-Statement. Atemraubend ist zumal die Kontrolle, mit der Barnett die Register wechselt. Das gilt für ihren gesamten Körper, von der kleinsten Geste bis zum weit ausschreitenden Vogueing: FKA twigs ist die beste Tänzerin unter allen Pop-Diven, und sie versteht es folglich auch, mit ihren Bewegungen am meisten auszudrücken. 

Einmalige Momente

Die Show ist voller einmaliger Momente: Vom ersten Auftritt der Tänzer, über die kurze Passage, die Barnett, an die Absperrung gelehnt, Auge in Auge mit einer Zuschauerin singt, bis zum Moment in dem endlich der schwere Vorhang fällt und den Blick auf ein Gerüst freigibt, auf dessen oberer Etage die kleine Band (Bass, Percussion, elektronisch verfremdetes Cello) musiziert. Die Songs ihres neuen Albums „Magdalene“ haben sich mit den Mitteln des Pop so weit als möglich vom Pop entfernt. Mann kann ihre Melodien noch mitsingen, man kann auch den Hintern dazu bewegen. Aber man würde sich auch nicht wundern, kaufte das Museum of Modern Art den gesamten Abend an und fügte ihn seiner Sammlung zu.

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