Nicki Minaj ist die erfolgreichste Rapperin der Welt. Zurecht. Ganz zufrieden kann man mit ihrer Kölner Show trotzdem nicht sein.
Konzert in KölnNicki Minaj lässt ihre Fans in der Lanxess-Arena lange warten
Niemand steckt Nicki Minaj in eine Box. Beziehungsweise in eine Schublade, wie man im Deutschen sagt. Vier solcher Boxen, klotzig wie die alten Telefonzellen, in denen Superman sich umzuziehen pflegte, stehen in der Kölner Arena am Bühnenrand. Jeweils eine für ein Alter Ego der Rapperin, denn dafür, dass sie viele ist, ist sie bekannt.
Als Harajuku Barbie trägt sie pinke Kostüme wie die Mattel-Figur, spricht mit sanfter Stimme, gibt sich liebenswert, schrullig und verspielt. Chun Li dagegen verbirgt unter ihren Kimono-Outfits – eigentlich ein krasses Beispiel kultureller Aneignung – eine unverfroren-unverblümte Wesensart, den Namen hat Minaj von einem Kombattanten des Videospiels „Street Fighter“ entlehnt. Was wir von Red Ruby Da Sleeze halten sollen, ist noch nicht ganz klar, sie ist bislang erst in einem Track zum Vorschein gekommen. Anders als Roman Zolanski, ein gewalttätiger, im Cockney-Slang sprechender Homosexueller, wahrscheinlich der ideale Verbündete im Klappmesserkampf.
Das Gewirr aus Stimmen und comicartigen Charakteren begleitet Nicki schon seit ihrer Kindheit, es hat die lautstarken Streitigkeiten ihrer Eltern übertönt, später hat es ihr den Mut gegeben, sich lautstark, gerissen und gelegentlich furchterregend in der männlich bestimmten Hip-Hop-Welt durchzusetzen.
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Am Ende lässt Nicki Minaj endlich das Monster von der Kette
Nachdem sich Minaj endlich durch jede Box gerappt hat, Kostüm- und Persönlichkeitswechsel inklusive, erklimmt sie, von allen Schubladen befreit, die Treppenstufen ihres Bühnenaufbaus und rappt jene Strophe aus Kanye Wests „Monster“, die sie vor 14 Jahren berühmt gemacht hat. Darin wechselt sie das Alter Ego von Zeile zu Zeile, in tadellosem Flow, bis sie schließlich das knurrende Monster von der Kette lässt, das die ganze Zeit im Dunkeln gewartet hatte. Die anderen Gastrapper – Rick Ross, Jay-Z – hatte sie lässig deklassiert und Kanye West überlegte ernsthaft, den Track in letzter Minute von seinem Album „My Beautiful Dark Twisted Fantasy“ zu entfernen, von dem er wusste, dass es sein Meisterwerk war – und trotzdem alle nur von Nicki Minajs furiosem Einsatz reden würden.
Trotzdem: Hätte die Newcomerin aus Queens damals einfach hier und an ihre in der Szene gefeierten Mixtapes angeschlossen, sie würde heute wohl kaum die Lanxess-Arena füllen, als erfolgreichste Rapperin aller Zeiten. Stattdessen erfand sich Minaj noch einmal neu als überlebensgroßer, aufgesexter Popstar, willens selbst totgenudelte Songs zu zitieren – Cyndi Laupers „Girls Just Wanna Have Fun“ in „Pink Friday“, Rick James‘ „Super Freak“ in „Super Freaky Girls“, Aquas „Barbie Girl“ in „Barbie World“. So kann die Masse mitsingen, quer durch alle Altersschichten.
Viele haben sich in der Kölner Arena in pinke Barbie-Fummel geschmissen
Das tut sie selbstredend auch in Köln, aber das Publikum rappt auch komplette Stücke mit. Viele haben sich in pinke Fummel geschmissen, schließlich hat sich Minaj selbst den Barbie-Chic schon lange vor dem Filmphänomen des vergangenen Jahres angeeignet. Ihre Fan-Armee nennt sich Barbz. Da steckt auch ein Stück Stacheldraht, „barbed wire“, mit drin. Man legt sich besser nicht mit ihr an.
Doch selbst auf diese Gefahr hin: ein reiner Triumph war Nicki Minajs Kölner Auftritt nicht, bis Viertel vor Zehn ließ sie ihr Publikum in der Halle ausharren, nur um dessen Geduld mit ausgedehnten Kostümwechsel-Pausen – die letzte davon neun Minuten lang! – noch ein wenig mehr auf die Probe zu stellen. Ging es endlich wieder los, musste man oft erst einmal den Tänzern dabei zuschauen, wie sie sich zum Playback verrenkten (Livemusik gab es nur von einem Schlagzeuger, einem Keyboarder und einer Background-Sängerin, die spät am Abend plötzlich in einer Lücke im LED-Schirm auftauchte).
Konkurrentinnen, die sich Nicki Minajs Zorn einfangen, gehen besser in Deckung
So wirkte fast jeder Track wie ein Unpacking-Video, bei dem man Schachtel um Schachtel, Schleife um Schleife entfernt, bis man an den Kern des Ganzen gelangt, und die Rapperin, auf den weit in den Innenraum reichenden Steg stöckelnd, endlich einige ihrer eindrücklich bissigen Zeilen ins goldene Mikrofon rotzte.
Wunderbar dagegen ihr Mienenspiel, das man in Großaufnahme verfolgen konnte, vom 100.000-Dollar-Lächeln zum abschätzigen Seitenblick im Sekundenbruchteil. Nicht nur mit ihren Fans, auch mit der Künstlerin selbst sollte man sich gut stellen. Wer sich ihren Zorn einfängt, geht besser in Deckung. Oft sind das Konkurrentinnen – Meghan Thee Stallion, Cardi B, sogar die Veteranin Lil‘ Kim – die weggebissen werden, dabei ist Minajs herausgehobene Position doch völlig unbestritten. Aber ohne Drama geht es nicht. Die Minaj scheint Kontroversen förmlich anzuziehen, der viel berichtete Zwischenfall auf dem Amsterdamer Flughafen (es ging nur um ein paar vorgedrehte Joints) war da noch das harmloseste Beispiel. Das jedoch immerhin über Umwege dazu führte, dass Minaj ihr für den 4. Juni angesetztes Kölner Zusatzkonzert kurzfristig absagte.
Da wirkt es schon ein wenig seltsam, wenn die Volatile ihren Fans vor einem Balladenteil vor digitalen Zuckerwattebäumchen Lebenshilfetipps gibt. Dass man die Menschen, die einen lieben, ebenso liebevoll umsorgen sollte. Dass das Universum dich beschenkt, wenn du Positivität ausstrahlst. So ein Schmonzes! Ihre Raps klingen dann zum Glück ganz anders.
Geboren wurde die Rapperin als Onika Tanya Maraj in Trinidad und Tobago. Nicki Minaj, das darf man nicht vergessen, ist auch nur eine weitere ihrer multiplen Persönlichkeiten.