Ab Freitag, 7.11., verwandelt das Week-End-Fest im Stadtgarten Köln wieder für zwei Tage in eine Pop-Metropole.
Konzertveranstalter Jan Lankisch„Köln sollte sich mehr Mühe geben“

Jan Lankisch veranstaltet in Köln das Week-End-Fest
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Der Filmpalast stand schon einige Zeit leer, der Riphahn-Bau am Ring zeigte erste Spuren des Verfalls, als sich die Möglichkeit einer Zwischennutzung auftat. Das Theaternetzwerk Freihandelszone durfte die verlassenen Säle im Herbst 2011 bespielen, sogar länger als es das konnte und wollte. Weshalb sich die Theatermacher an Jan Lankisch wandten. Ob er nicht ein Konzert im Kino organisieren wolle? Er wollte, aber für einen Gig hätte sich der Aufwand kaum gelohnt. Warum nicht ein ganzes Festival? Lankisch, im Hauptberuf Grafikdesigner, kontaktierte seinen Kollegen Jörg Waschat, „ein Verbündeter im Geiste“.
Im Restaurant San Angelo saßen sie dann zusammen, schrieben Lieblingsbands auf Servietten und entwarfen – noch ahnungslos, was daraus einmal werden sollte – den Grundriss eines Festivals, das bis heute einen Höhepunkt im Kölner Popjahr markiert. Das Week-End-Fest: zwei Tage, keine Parallelkonzerte, keine Headliner-Logik. Stattdessen: unerwartete Begegnungen, Konzentration aufs Wesentliche, auf jene seltene Form der Aufmerksamkeit, die Musik erst zu einem gemeinsamen Erlebnis macht.
Vorher hatte Lankisch hauptsächlich Konzerte auf der winzigen Tanzfläche des King Georg und auf der Dachterrasse des Museums Ludwig veranstaltet. Jetzt stand er backstage mit alten Indie-Helden wie Jochen Distelmeyer und Thurston Moore zusammen. Die Künstler und Künstlerinnen kamen, weil sie von der persönlichen Vision der Festivalmacher überzeugt waren, das Budget war begrenzt.
Jan Lankisch ist ein Tüftler, der Künstlern Kontexte baut
Zwei Dinge, die sich auch zur 14. Week-End-Ausgabe, die am kommenden Freitag und Samstag im Stadtgarten steigt, nicht geändert haben. „Ich bin Veranstalter ohne den Kaufmann“, sagt Lankisch und meint das nicht kokett. Das Week-End lebt, trotz Förderung, seit Jahren auf Sparflamme. Armut war selten so reich an Ideen. Der Wahlkölner ist ein Tüftler, einer, der Künstlern Kontexte baut.
Das begann mit einer Schnapsidee. Für die zweite Ausgabe hatten Waschat und Lankisch die Balloni-Hallen angemietet, auch wenn sich Waschat weigerte, deren Namen auszusprechen und nur von der Alten Kranhalle sprach. Lankisch wusste, dass Stephen Malkmus – noch so ein Indie-Held – Cans „Ege Bamyasi“-Album liebte. Das feierte 2012 seinen 40. Geburtstag. Er erreichte den einstigen Pavement-Sänger auf einem Spielplatz in Berlin und schaffte es, ihn davon zu überzeugen, die Platte der Kölner auf dem Week-End zusammen mit Musikern der Band Von Spar komplett zu covern. Das Konzert wurde ein Triumph, die Auslandspresse berichtete, später wählte der „Musikexpress“ die Aufnahme des Sets zu einem der 100 besten Livealben der Popgeschichte.
Anschließend zog das Week-End für zehn fantastische Ausgaben in die Stadthalle Mülheim, erlebte in jener Zeit aber auch seine größte Krise, als 2018 Jörg Waschat starb. „Die Auseinandersetzung mit Jörg fehlt mir bis heute. Wir haben uns die Bälle hin- und hergeschmissen.“ Trotzdem entschied sich Lankisch damals, wenigstens eine Miniausgabe des Festivals zu veranstalten. „Irgendwas brennt da in mir. Ich will dann einfach, dass die Leute diese Künstler und Künstlerinnen genau jetzt sehen.“

Jessica Pratt auf dem Week-End-Fest 2024 im Stadtgarten
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Und oft anders, als wenn sie nur auf Tour vorbeigekommen wären. Lankisch lädt seine Gäste immer wieder zu ungewöhnlichen Projekten ein. Ließ Go-Betweens-Sänger Robert Forster von einem Streichquartett begleiten und den zarten Freak-Folk-Barden Devendra Banhart seine Songs zu Big-Band-Begleitung croonen. Oder stellte der brasilianischen Sängerin Joyce die orchestrale Begleitung zur Verfügung, um ihr wiederentdecktes Album „Passarinho Urbano“, aufgenommen zu Zeiten der Militärdiktatur im italienischen Exil, angemessen aufführen zu können: „Ich sagte ihr: Die Platte hat Streicher, also lass es uns so machen, wie es damals gedacht war.“
Lankisch nennt das: „eine Idee anbieten“. Diese Ideen kommen ihm beim Hören, beim Grübeln, beim Erinnern. „Ich glaube, das Wichtige ist, dass ich mich mit den Personen beschäftige“, sagt er. „Wo kommen die her, was interessiert die, wovon sind die selbst Fans?“ Aus solchen Fragen wachsen Projekte, die bei den Musikerinnen und Musikern oft tiefe Spuren hinterlassen. „Das Schönste“, sagt Lankisch, „ist, wenn Leute noch Jahre später sagen: Ich war damals in Köln, das war nicht einfach ein weiterer Auftritt.“
Dabei helfen ihm Menschen wie die niederländische Flötistin und Bandleaderin Jorik Bergman, mit der er seit fünf jahren zusammenarbeitet. Sie sagt, das Festival sei ein „Safe Space“, ein Ort, an dem man die Freiheit hat, einfach mal machen zu können. Vertrauen ist das Geheimnis des Week-End: zwischen Künstlern und Publikum, zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Köln und der Welt.
„Das versüßt einem die Stadt“, sagt der Veranstalter, „wenn Leute, die von außerhalb zum Week-End kommen, das Kölner Ambiente toll finden, wenn sie Dinge sehen, die man selbst gar nicht mehr wahrnimmt. Ich finde, Köln sollte sich mehr Mühe geben, eine große Stadt zu sein.“ Wie das geht? In dem man möglichst viele persönliche und künstlerische Verbindungen zum Rest der Welt knüpft, unsichtbare Bande, die auf dem Week-End hörbar werden.
Inzwischen kuratiert Lankisch eine monatliche Radioshow in New York, für die er mit den Acts spricht, die er nach Köln geladen hat, oder mit befreundeten Musikern, die sich gerade auf der Durchreise befinden. Der Name seines Programms: „The Cologne Affair“.
Das Week-End-Fest 2025 findet am 7. und 8. 11. im Stadtgarten statt, u. a. mit Carl Craig, Smerz, Charles Tolliver und Emma-Jean Thakray. Alle weiteren Infos gibt es hier

