Künstler in der Kölner PhilharmonieKonzertveranstalter wollen keine Putin-Freunde

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Berühmt und Putin-nah: der Geiger Vladimir Spivakov

Köln – An russische oder russisch-stämmige Musiker werden in diesen Tagen im „Westen“ ungewohnte Beurteilungskriterien angelegt: Ob sie gut oder schlecht spielen oder singen, scheint weniger wichtig als ihre Antwort auf die Gretchenfrage: Wie hältst du’s mit Putin? Nun ist in dieser Sache die Position einiger Top-Rank-Vertreter bekannt: Nicht nur Valery Gergiev, sondern auch der Geiger Vladimir Spivakov, der Bratschist Yuri Bashmet und der Pianist Denis Matsuev gehören seit Jahren zur ergebenen Kultur-Entourage des Kreml-Herrschers; viele andere – womöglich sogar eine deutliche Mehrheit – sind seit jeher erbitterte Putin-Feinde. Oder es durch seine Aggression gegen die Ukraine geworden.

Zu ihnen gehört zum Beispiel die in Köln lebende Pianistin Olga Scheps, die sich am Donnerstag mit einem bewegenden Post auf Instagram an die Öffentlichkeit wandte. Ihr familiärer Hintergrund hat es übrigens mit Blick auf die aktuelle Situation in sich: Die Mutter ist Russin, der Vater Ukrainer.

Zu einem Entscheidungsfall wird der Krieg gegen die Ukraine indes nicht nur für die Musiker, sondern auch für die Konzertveranstalter. Soll man tatsächlich Interpreten im Saal empfangen, die Putins Aggression rechtfertigen? Auch in Köln liegt diese Frage auf dem Tisch – immerhin wird die Philharmonie intensiv auch von russischen Künstlern frequentiert. Wie geht man mit Blick auf lange schon geplante Konzerte mit ihnen um? Soll man sich an das halten, was sie von sich aus sagen oder auch nicht sagen? Oder soll man sie quasi ultimativ zur Stellungnahme drängen?

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Die Sache ist auch sonst nicht einfach: Was ist zum Beispiel – Olga Scheps wurde schon genannt – mit Interpreten russischer Herkunft, die aber zusätzlich oder alternativ andere Staatsbürgerschaften angenommen haben, die schon lange im Ausland leben und ihre Verbindungen zum Herkunftsland mehr oder weniger gekappt haben? Ein solcher Fall ist zum Beispiel der Gürzenich-Ehrendirigent und gebürtige Leningrader Dmitri Kitajenko, der in den vergangenen Jahrzehnten mit den Kölnern sehr erfolgreich das russisch-sinfonische Repertoire erschlossen hat. „Maestro Kitajenko ist Schweizer Staatsbürger, verließ Russland 1990 und arbeitet nicht in Russland“, teilt Pressesprecherin Sumi Schmidt auf Anfrage mit: „Er hat sich weder in der Vergangenheit noch in der Gegenwart zu politischen Themen und dem Regime in Russland geäußert.“ Das Orchester sieht somit keine Hindernisse für eine Fortsetzung der Zusammenarbeit.

Stark mit dem „russischen Problem“ konfrontiert ist unter den Kölner Veranstaltern zumal Martin Blankenburg von den Kontrapunkt-Konzerten: Seit dem Start der beiden Abo-Reihen noch am Ende der Ostblock-Ära ist die bevorzugte Einladung von Künstlern aus der ehemaligen Sowjetunion Teil seines Geschäftsmodells.

Seine grundsätzliche Position benennt er im Gespräch mit unserer Zeitung: „Die Künstler müssen diesen Angriffskrieg eindeutig ablehnen, das ist die Bedingung für einen Auftritt bei mir.“ Wer sie nicht erfülle, werde ausgeladen und ersetzt: „Das ist gar kein Problem.“

„Keine Probleme“ in dieser Saison

Überhaupt sieht er zumindest für die laufende Saison „keine Probleme“. Das Konzert mit der Kammerphilharmonie Sankt Petersburg? „Das ist ein Emigrantenorchester, die Musiker leben alle im Ausland.“ Für etliche andere von ihm verpflichtete Interpreten gilt das auch – was Blankenburg indes zu einem auf Anhieb merkwürdig anmutenden Hinweis provoziert: „Die werden sich auch gegen den Krieg äußern, weil sie ihre wirtschaftliche Existenzbasis im Westen nicht gefährden wollen.“ Das klingt sarkastisch, indes kann es wohl in dieser Sache nicht anders laufen als mit der Akzeptanz von Gesetzen: Sie müssen lediglich befolgt werden, die Motivation dahinter (Einsicht in die Sache oder Angst vor Strafe) hat Gesetzgeber und Justiz nicht zu interessieren.

Schwierig hätte es immerhin werden können, wenn am 25. März die Slowakische Philharmonie, also ein „westliches“ Orchester, in den Kontrapunkt-Konzerten aufschlägt. Denn der Dirigent, Daniel Raiskin, und der Solist, der Pianist Alexei Volodin, sind Russen. Beide haben sich indes schon scharf gegen den „Diktator Putin“ und den „barbarischen Krieg“ geäußert. Raiskin berichtet in einer erschütternden Nachricht an Blankenburg von der Odyssee seiner krebskranken Schwiegermutter, die ihre Chemotherapie abbrechen musste, unter anhaltendem Artilleriebeschuss aus Charkiw Richtung Slowakei.

Schwierig könnte es allenfalls mit dem Auftritt des als systemnah geltenden Moskauer Kathedralchores kurz vor Weihnachten, also in der kommenden Saison, werden. Blankenburg: „Den müssen wir unter Umständen durch das Dresdner Kammerorchester ersetzen.“

Konsequent und differenziert

Eine konsequente und zugleich differenzierte Haltung nimmt Burkhard Glashoff ein, Geschäftsführer der Westdeutschen Konzertdirektion, die in der Philharmonie die Meisterkonzerte veranstaltet: „Wir werden darauf Wert legen, dass russische Künstler, die in Zukunft bei uns auftreten, sich von Putins barbarischer Politik distanzieren. Regimenahe Künstler werden wir nicht nach Köln einladen. Einen Boykott russischer Kultur insgesamt halten wir jedoch für nicht zielführend, kommt doch dem Kulturaustausch als einem wichtigen Bindeglied in Krisenzeiten eine herausgehobene Bedeutung zu.“

Auch der Hausherr, Intendant Louwrens Langevoort sieht für die Philharmonie die Notwendigkeit, sich als Konzerthaus politisch zu positionieren. Wie Glashoff warnt er allerdings vor Pauschalurteilen: „Nicht jeder russische Musiker unterstützt die Politik Putins, das gilt ja genauso für die Künstler aus den Staaten, die von Orban, Erdoğan oder Kaczynski regiert werden.“ Bisherige Konzertabsagen russischer Formationen wie des Russischen Nationalorchesters und der Petersburger Philharmoniker hätten übrigens nichts mit dem Krieg zu tun, sondern seien der Pandemie geschuldet.

Harter Schnitt in Düsseldorf

Einen harten Schnitt hat soeben die Düsseldorfer Oper vollzogen: Sie sagte die für den 14. Mai geplante Premiere von „Andrea Chénier“ ab. Der Hintergrund: Mit Dmitry Bertman führt bei dieser Produktion der Intendant der Moskauer Helikon-Oper Regie. Die Entscheidung habe Intendant Christoph Meyer, so die Pressemitteilung, in Abstimmung mit den Oberbürgermeistern von Düsseldorf und Duisburg getroffen.

„Ich bedaure“, wird Meyer zitiert, „diese Absage zutiefst, sie ist jedoch in der aktuellen Situation alternativlos. Ich möchte ausdrücklich betonen, dass sie sich nicht gegen den Künstler Dmitry Bertman richtet. Wir legen vielmehr die Zusammenarbeit mit einer offiziellen Kulturinstitution des russischen Staates auf Eis, die mit seinem Namen untrennbar verbunden ist. Eine künstlerische Partnerschaft, die auf institutioneller Ebene ihren symbolhaften Ausdruck findet, kann es angesichts dieses Bruchs des Völkerrechts und aus Solidarität mit der Ukraine und den Opfern dieses Krieges nicht geben.“

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