Kunstmuseum Bergisch GladbachKatharina Hinsberg zeichnet mit Stift und Skalpell
Bergisch Gladbach – Auf den ersten Blick sieht es so aus, als hätte Katharina Hinsberg nur mit roter Farbkreide auf die Wand gekritzelt. Und zwar mit weit ausholenden Schwüngen, wie beim Wutausbruch oder aus dem Künstlerinnenbauch heraus. Doch einmal blinzeln genügt, und die Sache stellt sich schon ganz anders dar: Die roten Linien stehen nicht auf der Wand, sondern schweben vor ihr und zwar in einem Stück.
Katharina Hinsberg schneidet Farbfäden aus dem Papier
Des Rätsels Lösung ist zugleich denkbar einfach und (für die Künstlerin) unglaublich mühsam und kompliziert. Hinsberg bemalt für ihre „Schraffen“ genannte Bilderserie zuerst Blätter mit rotem Farbstift. Anschließend schneidet sie mit Skalpell oder Cuttermesser große Stücke aus dem Blatt heraus, und zwar so, dass (beinahe) nur die einzelnen, miteinander verbundenen Farbfäden übrig bleiben. Gehalten wird dieses hauchzart wirkende Gewebe von ebenfalls stehen gebliebenen weißen Streben.
Im Kunstmuseum Villa Zanders lohnt es sich immer genauer hinzusehen. Die Papierstadt Bergisch Gladbach leistet sich ein Ausstellungshaus, in dem die Kunst auf Papier regelmäßig in erstaunliche Feinheiten getrieben wird. Katharina Hinsberg macht hier keine Ausnahme, die auf der Raketenstation Hombroich lebende Künstlerin verblüfft die Besucher in jedem Saal aufs Neue. Als Zeichnungen sind ihre Arbeiten dabei nur ungenügend beschrieben. Malstifte sind für sie ein Werkzeug unter vielen. Sie schneidet, kratzt Spuren mit präparierten Fingerkuppen oder bohrt Muster mit unzähligen kleinen Löchern ins Papier.
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Man könnte Hinsbergs Zeichnungen als körperlich bezeichnen, denn sie bauschen sich stets ein wenig in den Raum und werfen feine Äderchen als Schatten. Vollends räumlich wird Hinsberg bei einigen großflächigen Arbeiten. So hängt sie in meterlange Streifen geschnittene Din-A4-Blätter unter eine Treppe und macht aus ihnen eine schockgefrorene Traufe in Rot.
Etwas komplizierter ist das zentrale, sich durch sämtliche Ausstellungssäle ziehende Werk zu beschreiben. Die „Linie im Raum“ wird durch Hunderte Knetgummikugeln gebildet, die, mit einem Angelblei als Kern, an Nylonschnüren von der Decke hängen. Das Ganze ähnelt einer planetarischen Perlenschnur, die sich auf- und abschwingend durch den Kosmos zieht und die staunenden Besucher durch die Räume leitet. Auch bei diesem Werk stand am Anfang eine Zeichnung. Katharina Hinsberg hat mit weit ausholenden Bewegungen Striche an eine Museumswand gezogen und diese dann maßstabsgetreu ins Dreidimensionale übertragen.
„Katharina Hinsberg – Still Lines“, Kunstmuseum Villa Zanders, Bergisch Gladbach, bis 7. August.