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„Kursk“-Regisseur im Interview„Man wollte mich zensieren“

Lesezeit 5 Minuten

Matthias Schoenaerts ist einer der Hauptdarsteller in „Kursk“

  1. Regisseur Thomas Vinterberg spricht im Interview über seinen Film „Kursk“.
  2. Darin schildert er, warum die Dreharbeiten diesmal wenig mit seiner sonstigen Art des Arbeitens zu tun hatte.
  3. Außerdem erklärt er, warum der Film letztlich doch nicht in Russland gedreht wurde und was seiner Meinung nach 80 Prozent seines Jobs ausmachen.

Herr Vinterberg, bekannt sind Sie überwiegend für kleine, komplexe Dramen, von „Das Fest“ über „Die Jagd“ bis zu „Die Kommune“. Ihr neuer Film „Kursk“ dagegen ist nun eine deutlich größere, technisch aufwendigere Sache: eine wahre Geschichte, mit riesigem Ensemble und zu weiten Teilen unter Wasser in einem U-Boot gedreht. Der schwierigste Dreh Ihrer Karriere?

Nein, denn wirklich schwierig werden Dreharbeiten nur, wenn man mit einem Drehbuch arbeitet, das einfach nicht funktioniert. Denn das lässt sich meistens nicht retten. Wenn die Schwierigkeiten dagegen technischer Art sind, dann engagiert man eben einen Techniker.

So einfach?

Ich weiß natürlich, was Sie meinen: die Sache war schon etwas komplizierter umzusetzen als meine früheren Filme. Aber ich fand das eher faszinierend und spannend. Statt einen Raum mit Wasser zu füllen, haben wir zum Beispiel unser Set in einem Wassertank versenkt. Was für ein Aufwand! 18 Schauspieler, entsprechend auch 18 Stuntmänner, die sie zur Not retten können, dazu dann Lampen, Scheinwerfer, Kabel. Und immer jemand von der Versicherungsfirma, der alles absegnen muss. Mit meiner sonstigen Art des Arbeitens hatte das wirklich wenig zu tun.

Es gab noch andere Schwierigkeiten. Die anfangs vorgesehene Zusammenarbeit mit russischer Seite kam ja nicht zustande, richtig?

Das stimmt. Zunächst wollten wir den Film mit einer russischen Firma koproduzieren und auch in Russland drehen. Immerhin ist diese Geschichte ja auch eine russische. Doch dann kamen uns schnell die Behörden in die Quere. Beim Militär bestand man drauf, das Drehbuch zu lesen – und hatte dann etliche Anmerkungen, um es mal so zu sagen. Überhaupt hatte ich den Eindruck, die komplette Geschichte sollte geändert und heldenhafter gestaltet werden. Ausgerechnet der russischen Flotte bei diesem Fall die künstlerische Deutungshoheit zu überlassen, erschien mir dann doch zu ironisch. Also haben wir uns von den Plänen verabschiedet und lieber anderswo gedreht.

Liefen Sie nicht Gefahr, der Film könnte unauthentisch wirken?

Ursprünglich dachte ich, dass Dreharbeiten vor Ort in Russland für mehr Wahrhaftigkeit sorgen würden. Aber dann war das Gegenteil der Fall, denn man wollte mich zensieren. Und das kam eben nicht in Frage. Was nicht heißt, dass wir nicht Mitstreiter mit großer Glaubwürdigkeit hatten.

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Der echte David Russell, also jener britische Kommandant, den nun Colin Firth spielt, stand uns als Berater ebenso zur Verfügung wie ein Russe, der auf solchen Atom-U-Booten gearbeitet hatte.

Die Besetzung von „Kursk“ ist international. Wonach haben Sie sich Ihre Darsteller ausgesucht?

Es war immer klar, dass wir auf Englisch drehen wollen, selbst wenn der Film in Russland spielt. Das war für mich die vielleicht größte Herausforderung bei diesem Projekt. Nach reiflichen Überlegungen entschied ich mich, alle Russen im Film mit Schauspielern und Schauspielerinnen aus Zentraleuropa zu besetzen, denn Briten kommen in der Geschichte ohnehin vor, und einen amerikanischen Akzent hätte ich vollkommen unpassend gefunden. Insgesamt gibt es im Film 108 Sprechrollen, das machte die Sache echt kompliziert. Aber letztlich sind wir mit Darstellern aus Belgien, Frankreich, Deutschland oder Dänemark ganz gut gefahren.

Aus Deutschland sind unter anderem Martin Brambach, Matthias Schweighöfer und August Diehl mit von der Partie. Kannten Sie diese Schauspieler?

Ich kannte zumindest August, denn ich habe schon einige Male am Burgtheater in Wien inszeniert, wo er ja zum Ensemble gehört. Genauso übrigens wie Peter Simonischek, der in „Kursk“ auch mitspielt. Schauspieler von diesem Kaliber zu besetzten ist für einen Regisseur die halbe Miete.

Zur Person

Seit dem Film „Das Fest“, mit dem er 1998 zu einem der Mitbegründer des Dogma-Manifests wurde, gehört Thomas Vinterberg zu den meistbeachteten Regisseuren Europas. Die Filme des Dänen wurden auf der Berlinale („Submarino“) genauso gefeiert wie in Cannes („Die Jagd“), er wurde mit dem Europäischen Filmpreis ausgezeichnet. Nach der englischsprachigen Hardy-Adaption „Am grünen Rand der Welt“ und der dänischen Tragikomödie „Die Kommune“ hat er sich nun für „Kursk“ (seit dem 11. Juli im Kino) des Untergangs des gleichnamigen russischen U-Boots im Jahr 2000 angenommen. (ph)

Ach, mehr noch: die ideale Besetzung zu finden, sind 80 Prozent meines Jobs! Jemanden wie Matthias Schweighöfer habe ich einfach besetzt, weil er bestens in die Rolle passte. Dass er oder auch einige der dänischen Schauspieler in ihrer Heimat Superstars sind, aber bei mir nun ziemlich kleine Rollen spielen, mag nach außen seltsam wirken. Doch mir ging es wirklich nur um das ideale Ensemble!

Was hat Sie an dieser Geschichte überhaupt interessiert?

Vor allem faszinierte mich die Tapferkeit dieser Männer. Außerdem beschäftigt es mich sehr, dass unser aller Zeit auf dieser Welt begrenzt ist. Meine Frau, die ja eigentlich Schauspielerin und auch in „Kursk“ zu sehen ist, hat sich zur Pfarrerin ausbilden lassen, und ich liege ihr immer wieder mit der Frage in den Ohren, warum wir denn eigentlich alle sterben müssen. Das treibt mich wirklich um, wahrscheinlich auch, weil in unserer Gesellschaft heutzutage so selten darüber gesprochen wird. Immer geht es nur um Jugend und darum, unser Leben zu optimieren. Dass diese Geschichte nun ganz konkret davon handelt, dass die Zeit abläuft, und was das mit einem macht, hat mich bewegt, fasziniert und verängstigt. Was alles gute Impulse für einen Künstler sind!