lit.CologneDa schrie Corinna Harfouch vor Vergnügen auf

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Corinna Harfouch auf der lit.Cologne 7. März 2024

Corinna Harfouch las im Rahmen der lit.Cologne in der Kölner Volksbühne

Die Schauspielerin las in der Kölner Volksbühne aus dem wiederentdeckten Roman „Maud Martha“ der schwarzen US-Autorin Gwendolyn Brooks.

Eine Anekdote, erzählt Corinna Harfouch in der Kölner Volksbühne, habe Gwendolyn Brooks (1917-2000) in ihrem Leben immer wieder erzählt. Sie handelt davon, wie Brooks im Mai des Jahres 1950 für ihren zweiten Gedichtband den renommierten Pulitzerpreis erhielt, als erste afroamerikanische Person überhaupt. Und sie handelt von der Armut und der Scham, die mit ihr einhergeht.

Wie die Heldin ihres stark autobiografisch geprägten Romans „Maud Martha“ lebte Gwendolyn Brooks damals in einer der ärmlich-engen Kitchenette-Wohnungen in Chicago, in denen man Schwarze damals ghettoisierte. Am Nachmittag hatte sie sich mit ihrem Sohn in ein Kino geflüchtet, damit der nicht merke, dass in ihrer Wohnung der Strom abgestellt worden war.

Gwendolyn Brooks gewann als erste Afroamerikanerin den Pulitzer-Preis

Für den Abend waren Reporter der „Chicago Tribune“ ankündigt. Statt sich über ihre historische Auszeichnung zu freuen, harrte die Autorin in Angst erstarrt der peinlichen Situation, die sich unweigerlich einstellen würde, wenn der Zeitungsfotograf keine funktionierende Steckdose für sein Blitzlicht fände. Wundersamerweise, pflegte Brooks ihre Anekdote zu schließen, sei der Strom just im richtigen Moment wieder da gewesen.

Eine Pulitzer-Preisträgerin, die fürchtet, dass nun die ganze Welt von den prekären Verhältnissen erfährt, in denen sie lebt. Was eindrücklich zeige, sagte Harfouch, wie Rassismus bis in den hintersten Winkel durchschlage.

Corinna Harfouch leiht vergessenen Autorinnen auf der lit.Cologne ihre Stimme

Drei Jahre später veröffentlichte Gwendolyn Brooks „Maud Martha“, ihren einzigen, schmalen Roman, den im vergangenen Jahr der Manesse Verlag erstmals von Andrea Ott ins Deutsche übersetzen ließ. Dessen Präsentation nun im Rahmen der lit.Cologne den Auftakt zu einer kleinen Reihe bildete, in der Corinna Harfouch vergessenen Autorinnen ihre prominente Stimme leiht.

Und nicht nur diese. Harfouch trug mit Armen und Händen vor, schlug mit spürbarer Empörung die Seite ihres Lesemanuskripts um, als davon berichtet wird, wie alle die hellhäutigere Schwester der Titelheldin vorziehen, schrie später vor Vergnügen auf, als sich Maud Marthas Mann Paul, überfordert von der Hausgeburt der ersten Tochter, im Übersprung das Haar bürstet.

Da hatten Brooks‘ vignettenhaften Geschichten mit Harfouchs tatkräftiger Unterstützung das Publikum längst in ihren Bann geschlagen. Man krümmte sich vor Fremdscham als eine weiße Kosmetikvertreterin im nebenbei das schlimmere der beiden N-Wörter fallen lässt, wollte am liebsten einschreiten, als ein mürrischer Kaufhaus-Weihnachtsmann Maud Marthas Tochter erst auf Ermahnung der Mutter hin das absolute Minimum an Aufmerksamkeit schenkt und die Tochter daraufhin die Mutter fragt: „Warum hat mich Santa Claus nicht gemocht?“

„Noch eine!“, hatte eine Stimme aus dem Saal zuvor von Corinna Harfouch verlangt. Da war sie wieder: die Vorleselust der Kindheit.

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