Kommentar zu Mobbing bei „Promis unter Palmen“Wir Zuschauer sind schuld

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  • Aufmerksamkeit bringt Quote. So einfach, so zynisch ist das.
  • Doch bei „Promis unter Palmen“ zeigte sich am Mittwoch, was passiert, wenn dieses Krawallprinzip auf die Spitze getrieben wird.
  • Was dann folgte, war Mobbing in Reinform. Ein Kommentar.

Köln – Trash-TV lebt von Streit. Niemand, der Formate wie „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ oder „Big Brother“ anschaut, will Menschen dabei zu sehen, wie sie sich gegenseitig ihre tiefe Verbundenheit aussprechen, Mut machen und Händchen halten. Stress und böse Worte sind gut fürs Geschäft, denn die bringen Aufmerksamkeit.

Und Aufmerksamkeit bringt Quote. So einfach, so zynisch ist das. Und jedem B- bis Z-Promi, der bei so was mitmacht, muss das klar sein. Mitleid ist da fehl am Platz.

Das weiß auch Sat.1 und hat schon bei der Auswahl der Besetzung von „Promis unter Palmen“ dafür gesorgt, dass jede Menge Konfliktpotenzial vorhanden war. Ob nun Désirée Nick, Bastian Yotta, Ronald Schill oder Matthias Mangiapagne – wo so viel Selbstüberschätzung und Egozentrismus aufeinander treffen, muss es knallen. Und das tat es auch in den vergangenen Ausgaben. Da flogen sehr unterhaltsam die Fetzen, in den sozialen Netzwerken ging es hoch her, die Quoten waren bestens.

Claudia Obert wurde ausgegrenzt und niedergemacht

Doch am Mittwochabend zeigte sich, was passiert, wenn dieses Krawallprinzip auf die Spitze getrieben wird. Und plötzlich aus harmlosem Zeitvertreib Ernst wird. Claudia Obert, im wahren Leben wohl als Modedesignerin tätig, hatte es sich mit den anderen Bewohnern der Villa in Thailand verscherzt, unter anderem, weil sie das Handtuch von Mitbewohnerin Carina Spack, das ihr die Sicht versperrte, vom Balkon warf.

Nun ist Obert mit ihrer Rund-um-die-Uhr-Vorliebe für Hochprozentiges und ihrer lauten Art sicherlich oft anstrengend und die Balkon-Aktion war auch kein Glanzstück, aber was dann folgte, war Mobbing in Reinform. Egal, was sie sagte oder tat, die anderen beschimpften sie auf übelste Art und Weise. Der selbsternannte Motivationscoach Bastian Yotta verglich sie gar mit einem ausgedrückten Pickel.

Wer ein Lehrvideo braucht, warum Mobbing Menschen zerstören kann, wird hier fündig. Obert wurde ausgegrenzt und niedergemacht, auch wenn sie gar nichts tat. Und alle anderen fühlten sich im Recht. Sie sei ja selbst Schuld. Obert schien ehrlich getroffen. Nur Tobias Wegener, intellektuell sicher nicht die hellste Kerze auf der Torte, zeigte Empathie und Mitgefühl.

Streit bringt Quote

Schnell wurden daraufhin bei Twitter die Rufe laut, die von Sat.1 Konsequenzen verlangten und sagten, so etwas hätte niemals ausgestrahlt werden dürfen. Ein verständlicher Impuls und natürlich hat auch der Sender eine große Verantwortung und Mitschuld. Die ganze Wahrheit ist aber eine andere: Sat.1 reagiert vor allem auf das, was vom Publikum gewünscht wird. Streit bringt Quote, das ist die Formel, die immer noch gilt. Und ob die, die da belacht werden, unbeschädigt aus dem Format herauskommen, interessiert sonst auch niemanden.

Wenn wir, die Zuschauer, uns solche Formate nicht mehr anschauen würden, wenn wir nicht den Protagonisten, die sonst nichts geleistet haben, zu Bekanntheit und Geld verhelfen würden, liefe so etwas auch nicht im Fernsehen. Es ist leicht, Sat.1 die Schuld zu geben. Wer ehrlich ist, gibt aber zu, dass der eigene Voyeurismus mindestens genauso verantwortlich ist für solch unschöne Szenen.  

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