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Demütigung bei Trump-Besuch?Auf Bundeskanzler Merz wartet im Oval Office das Dschungelcamp

Lesezeit 4 Minuten
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) wird am Donnerstag auf US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus treffen.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) wird am Donnerstag auf US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus treffen.

Beim Antrittsbesuch im Weißen Haus steht Friedrich Merz ein schwieriger Drahtseilakt bevor. Donald Trump inszeniert das Treffen als Reality-Show für seine Wähler.

Früher war der Ablauf  klar: Erst ein Handschlag an der Tür, dann ein kurzer Fototermin im Oval Office und die Gespräche hinter verschlossenen Türen - und schließlich zum Abschluss eine gemeinsame Pressekonferenz im East Room oder im Rose Garden. Doch wenn Bundeskanzler Friedrich Merz am Donnerstag zu seinem Antrittsbesuch im Weißen Haus eintrifft, gelten neue Regeln.

In Donald Trumps zweiter Amtszeit ist die „Begrüßung“ der ausländischen Gäste im Oval Office der zentrale Medientermin, der per Videostream live übertragen wird. Der ehemalige Reality-TV-Star inszeniert die Zusammenkunft wie eine Dschungelcamp-Prüfung, bei der er sich in Szene setzen kann. Die Gäste aber gehen ein hohes Risiko ein: Wer das Falsche sagt, ist raus wie im Februar der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj.

Eine Szene, die in der ganzen Welt Empörung auslöste: US-Vizepräsident JD Vance (r) spricht mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj (l) im Beisein von US-Präsident Donald Trump (M) im Oval Office des Weißen Hauses.

Eine Szene, die in der ganzen Welt Empörung auslöste: US-Vizepräsident JD Vance (r) spricht mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj (l) im Beisein von US-Präsident Donald Trump (M) im Oval Office des Weißen Hauses.

Schon der erste Eindruck ist wichtig. „Er hat sich heute richtig schick gemacht“, höhnte Trump, als Selenskyj vor dem Westflügel des Weißen Hauses mit Cargohose und dunklem Pullover aus seiner Limousine kletterte. Bei Merz dürfte ihm spontan dessen Körpergröße auffallen: Der Deutsche ist rund sechs Zentimeter größer. Verbrüderungsgesten, wie sie Macron zelebrierte, wären für den Deutschen fehl am Platz. Eher könnte er sich an den freundlichen, aber nicht übertriebenen Begrüßungen des britischen Premierminister Keir Starmer und dessen kanadischen Kollegen Mark Carney orientieren.

Im Oval Office erwartet Bundeskanzler Merz ein Kulturschock

Drinnen im Oval Office erwartet den Sauerländer dann ein Kulturschock: goldene Türknöpfe, goldener Stuck, goldene Bilderrahmen und goldene Vasen auf dem Kaminsims - ohne Rücksicht auf ästhetische Befindlichkeiten hat Trump das Oval Office zu einem neureichen Pseudo-Versailles mit Rokoko-Nippes umdekorieren lassen. Vor dem Kamin stehen angewinkelt zwei offensichtlich wenig ergonomische Sessel, auf denen der Präsident und sein Gast sitzt. Von Merz aus gesehen links dürften auf einem Sofa Vizepräsident  J.D. Vance und Außenminister Marco Rubio auf ihren Einsatz lauern.

Zunächst sagt Trump gewöhnlich ein paar Sätze. Dann kommt der Aufschlag des Gastes. Für Merz ist das ein Drahtseilakt: Trump erwartet Huldigungen und Schmeicheleien. Die Zuschauer in Deutschland dürften für solche Peinlichkeiten wenig Verständnis haben. Der Kanzler kann sich weder an Macron orientieren, der in Erinnerungen an einen Trump-Besuch in Paris schwelgte, noch kann er wie Starmer mit den Worten „Das ist etwas ganz Besonderes. Das hat es noch nie gegeben“ eine Einladung des Königs aus dem Jackett zaubern.

Merz könnte auf härtere deutsche Einwanderungspolitik hinweisen

Allerdings könnte Merz auf die inzwischen härtere deutsche Einwanderungspolitik und die beabsichtigte Erhöhung der erweiterten Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent der Wirtschaftsleistung hinweisen. Als Themen für Small Talk bieten sich das gemeinsame Faible fürs Golfspielen und die Faszination für das Fliegen an, wenngleich Merz' private Propellermaschine den Präsidenten, der sich von Katar gerade einen Luxusjet im Wert von 200 bis 400 Millionen Dollar schenken ließ, kaum beeindrucken dürfte.

Nach Eröffnung der Fragerunde besteht die größte Herausforderung für den Gast darin, im Schwall der Trump-Monologe zumindest ein paar eigene Pflöcke einzuschlagen. Der Brite Starmer rückte irgendwann nach ganz vorne auf seinem Stuhl und signalisierte so Redebedarf. Macron meldete sich nach zehn und nach 20 Minuten jeweils per Handzeichen mit Zusammenfassungen seiner Position zu Wort. Beide Male sprach er anders als bei der Begrüßung Französisch. Auch die italienische Premierministerin Georgia Meloni antwortete einmal auf Italienisch. Das könnte eine geschickte Taktik sein: Die Muttersprache bietet ausländischen Regierungschefs eine Rückzugsmöglichkeit auf sicheres Terrain und nötigt Trump vorübergehend zum Zuhören.

Auch Friedrich Merz muss damit rechnen, vorgeführt oder gedemütigt zu werden

Gleichwohl müssen die Gäste jederzeit damit rechnen, vorgeführt oder gedemütigt zu werden. Das haben nicht nur Selenskyj und der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa erfahren, der durch eine plötzliche Videoeinspielung zum angeblichen Genozid an weißen Farmer überrascht wurde. Auch bei Starmer ergriff Vize Vance plötzlich das Wort und warf Großbritannien „Verstöße gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung“ vor. Angesichts der Sympathien der Trump-Regierung für die AfD, deren Einstufung als „gesichert rechtsextremistisch“ Außenminister Rubio als „verdeckte Diktatur“ bezeichnet hatte, muss der Kanzler auf ähnliche Attacken gefasst sein.

Doch nicht alles kann und sollte sich ein Gast im Oval Office bieten lassen. Er sollte nur eine offene Konfrontation vermeiden. Macron und Carney haben das vorgemacht. Als Trump zum wiederholten Male behauptete, die Europäer hätten der Ukraine viel weniger als die USA geholfen und überdies ihr Geld nur als Darlehen zur Verfügung gestellt, ergriff der französische Präsident den Arm des Amerikaners und sagte in freundlichem Ton: „Nein. Wir zahlen. Wir haben echtes Geld bereitgestellt.“

Der kanadische Premierminister biss sich während Trumps Ausführungen minutenlang erkennbar regelrecht auf die Zunge. Als Trump dann fabulierte, Kanada zum 51. Bundesstaat zu machen, widersprach er höflich, aber bestimmt:  „Wie Sie aus dem Immobiliengeschäft wissen, gibt es einige Plätze, die nicht zum Verkauf stehen“. Er habe im Wahlkampf „mit den Eigentümern von Kanada“ gesprochen und könne versichern: „Es steht niemals zum Verkauf.“

Trump wiegelte ab: Man solle niemals nie sagen. Aber „Canada is not for sale“ war die Schlagzeile des Tages. #ENDE#