Neue Serie „Ms. Marvel“Wie eine junge Muslima gegen den Comicfilm-Überdruss ankämpft

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Iman Vellani als Ms. Marvel 

Jersey City – Als Iman Vellani vor ein paar Jahren als Ms. Marvel verkleidet – das Kostüm hatte sie zusammen mit ihrer Großmutter genäht – den Halloween-Ball ihrer Schule im kanadischen Markham besuchte, hielten ihre Mitschüler sie für den Flash. Falscher Superheld, falsches Geschlecht, falscher Verlag. Um langwierige Richtigstellungen zu vermeiden, ergänzte die Tochter pakistanischer Einwanderer ihr Outfit kurzerhand um ein Comicheft der jungen Heldin mit den kosmischen Kräften.

Jetzt trägt die inzwischen 19-Jährige erneut das Ms. Marvel-Kostüm, sie spielt die  Titelrolle in der neuen Disney+-Serie „Ms. Marvel“. Eigentlich hatte man das MCU genannte Marvel-Universum nach viel zu vielen und zuletzt enttäuschenden Filmen („The Eternals“) und Serien („Moon Knight“) gründlich satt. 

Doch der von der britisch-pakistanischen Komikerin Bisha K. Ali geschriebene Sechsteiler entzückt mit seiner überdrehten Comic-Ästhetik,  die eher an Sonys Animationsfilm „Spider-Man: Into the Spider-Verse“ anknüpft als an das MCU. Dass „Ms. Marvel“ so frisch wirkt wie einst der „Iron Man“ hat es aber Vellani zu verdanken – und ihrer Figur, Kamala Khan.

Ein Fangirl aus Jersey City

Die erste Ms. Marvel hieß im Zivilleben Carol Danvers, war von Beruf Air-Force-Pilotin und feierte im Januar 1977 ihren Einstand als Superfrau. Im Kino wird sie derzeit von Brie Larson verkörpert. So weit, so weiß. 2014 jedoch erfanden die Marvel-Redakteure Sana Amanat und Stephen Wacker zusammen mit der Szenaristin G. Willow Wilson die Figur spektakulär neu: Fortan sollte Kamala Khan, eine 16-jährige Muslima aus Jersey City, New Jersey das Ms. Marvel-Kostüm tragen. 

Der monatliche Titel entpuppte sich als Überraschungshit. Offensichtlich existierten jenseits der traditionellen Comic-Leser  jede Menge bislang unerschlossene Zielgruppen: Frauen, Muslime, Menschen mit arabischen oder asiatischen Wurzeln zum Beispiel.  Unter anderem die junge Iman Vellani, deren sehnlichster Wunsch bald lautete, in irgendeiner Weise im großen Marvel-Universum mitspielen zu können.

Teenager-Probleme wie einst Spider-Man

Dass Kamala Khan pakistanische Eltern hat, ist für die Geschichten, die sich G. Willow Wilson für sie ausdachte, nicht wichtiger, als dass sie zuerst ein Marvel-Fangirl war, bevor sie selbst – fast möchte man sagen: selbstermächtigt – in den Pantheon der Übermenschen aufsteigt. In erster Linie aber ist Kamala ein stinknormaler Teenager mit stinknormalen Teenagerproblemen: Mit diesem Erfolgsrezept war schon Spider-Man zum beliebtesten aller Marvel-Helden geworden.

Iman Vellanis Geschichte doppelt auf wundersame Weise die der neuen Ms. Marvel, die sich als Cosplayerin versucht, bevor sie ihre eigenen Kräfte entdeckt. Vielleicht ist Vellani auch nur eine – schauspielerisch talentiertere – von Vielen, die sich überfälligerweise in überhöhter Form im Comic-Medium repräsentiert sehen. Dabei liegt genau hier, in den Träumen marginalisierter Teenager, der Ursprung des Superhelden-Genres. 

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Jerry Siegel und Joe Shuster waren zwei schmächtige jüdische Science-Fiction-Nerds aus ärmlichen Verhältnissen, als sie sich Anfang der 1930er Jahre ihren kugelsicheren und blitzschnellen Superman ausdachten. Ein außerirdischer Außenseiter, der sich am liebsten vor Schüchternheit in seine Festung der Einsamkeit  zurückzieht – und dennoch allen Normalsterblichen überlegen ist.

Auch Kamala Khan hat mit ihrer  Position am Rand der Mehrheitsgesellschaft zu kämpfen, mit überstrengen Eltern, einem religiös eifernden Bruder und mobbenden Mitschülerinnen. Vor allem aber muss sie sich ihren Platz in einer Welt voller Superhelden erobern, die unter ihren farbenfrohen Kostümen weiterhin weiß und männlich sind.

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