Neue „Star Wars“-SerieWarum die Macht nicht mit Obi-Wan Kenobi ist

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Ewan McGregor als Obi-Wan Kenobi 

Tatooine – Vor zehn Jahren kaufte Disney die „Star Wars“-Produktionsfirma Lucasfilm für etwas mehr als vier Milliarden Dollar. Der Maus-Konzern erwarb damit nicht nur eine ganze Galaxie (weit, weit entfernt) an Geschichten,  sondern auch die Erwartungen eines Fanimperiums, das nach frischen Inhalten dürstete und zugleich auf absoluter Kanon-Treue bestand. Wenigstens insoweit kann das Jedi-Rittertum durchaus als organisierte Religion betrachtet werden.

Neues, aber bitte ohne jede Veränderung – das konnte auf lange Sicht nicht gut gehen, selbst wenn sich die Kosten für Disney längst amortisiert haben dürften. „Obi-Wan Kenobi“, die neueste und am sehnlichsten erwartete „Star Wars“-Serie auf Disney+, ist das bislang beste, oder besser gesagt: erschreckendste Beispiel für die schleichende Entzauberung eines Kino-Mythos.

In dem Sechsteiler nimmt Ewan McGregor seine Rolle als Jedi-Meister aus den Prequel-Filmen der 1990er und Nuller Jahren wieder auf. Eine gute Nachricht: Der Schotte war das Beste an George Lucas’ zweiter Sternen-Trilogie. Den Kenobi hatte McGregor zuletzt vor 17 Jahren gegeben, in der Serie sind indes nur zehn Jahre seit den Ereignissen aus „Die Rache der Sith“ vergangen: Nach dem galaktischen Staatsstreich des Imperators dümpelt Obi-Wan auf dem Wüstenplaneten Tatooine herum.

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Immer Ärger mit den Jawas

Aus der Ferne wacht er über Luke, den Sohn seines Schülers Anakin Skywalker, den er an die dunkle Seite der Macht verloren hatte. Ansonsten hat er sich der Diktatur des Alltags ergeben, schlachtet als Tagelöhner eine Art gestrandeten Wüstenwalfisch aus – eine schöne, wenn auch ungewollte Metapher für die disney’sche Hackarbeit am „Star Wars“-Korpus – ärgert sich nach Dienstschluss mit Jawas, den glühäugigen Schrotthändler-Zwergen, herum.

Aber das will sich natürlich niemand sechs Folgen lang angucken. Weshalb recht unvermittelt der Groß-Inquisitor des Imperiums (bekannt als Antagonist aus der animierten Serie „Star Wars Rebels“) mit zwei seiner Schergen auftaucht, auf der Jagd nach den letzten noch lebenden Jedis. Sie finden auch gleich einen solchen, in Gestalt des Regisseurs (und Gelegenheitsschauspielers) Benny Safdie („Uncut Gems“). Hier fangen die Probleme der Serie an: Safdie entkommt, in dem er die Markise einer Bar herunterreißt – anscheinend ein unüberwindbares Hindernis für die Jedi-Jäger.

Was machen die Red Hot Chili Peppers auf Alderaan?

Währenddessen wird auf Alderaan Lukes Schwester Leia von einer Bande Kopfgeldjäger gekidnappt, die seltsamerweise vom Red-Hot-Chili-Peppers-Bassisten Flea angeführt wird. Sie ahnen es: Kenobi soll als einzige Hoffnung der kleinen Prinzessin in eine Falle gelockt werden. Der Plan geht beinahe schief, denn die Banditen haben ihre liebe Mühe, eine Zehnjährige einzuholen oder kleine Zweige zu überwinden, die quer über dem Waldpfad liegen.

Eine derart inkompetent geschnittene Verfolgungsjagd erwartet man vielleicht im deutschen Vorabendkrimi, aber nicht in einer Flaggschiff-Serie von Disney+.

Und auch nicht von der kanadischen Regisseurin Deborah Chow, die gute Arbeiten im Film- und Fernsehgeschäft vorweisen kann, unter anderem bei der allseits gefeierten „Star Wars“-Serie „The Mandalorian“.

Wie ein altes Videospiel

„Obi-Wan Kenobi“ wurde mit Hilfe derselben LED-Wand-Technik  gedreht, die im „Mandalorian“ erstmals zum Einsatz kam, doch    wirken die computergenerierten Hintergründe hier viel weniger glaubhaft. Wenn Kenobi in der zweiten Episode eine Spur auf dem Planeten Daiyu verfolgt, bewegt er sich auf Straßen, die weniger an „Blade Runner“ erinnern, als an ein altes Videospiel, das „Blade Runner“ zitiert.

Das mag Absicht sein: Die Nostalgiemaschine „Star Wars“ verarbeitet nicht länger exklusiv die Original-Trilogie, längst sind auch die Kinder erwachsen geworden, für die Jar-Jar Binks der erste prägende „Star Wars“-Charakter war – und auch die wollen ihre frühen Kinoerlebnisse verklärt wissen.

Übrigens ganz zu recht: Vieles von dem, was damals an Episode I bis III kritisiert wurde, wirkt im Rückblick als interessante Verschrobenheit ihres Schöpfers. Gemessen an heutigen Blockbustern waren das Autorenfilme.

Träume auf der Leinwand widergespiegelt

Einst hatte George Lucas einen Weg gefunden, der grenzenlosen Kinderfantasie, in der Monster, Cowboys, Aliens und Ritter im Kinderzimmer zusammenspielten, Form, Richtung und Rasanz zu geben. Seine Träume derart auf der Leinwand gespiegelt zu sehen, das war ein erhebendes Gefühl.

Doch individuelle Handschriften sucht man im disneyfizierten „Star Wars“-Universum vergeblich.  Der Ballast der Vergangenheit hält die neuen Geschichten am Boden. Als Rian Johnson mit seinem Kinobeitrag „The Last Jedi“ versuchte, das erdrückenden Erbe der Skywalkers mehr oder weniger lässig abzuschütteln, hagelte es Fanproteste. Der nachfolgende, ultrakonservative „The Rise of Skywalker“ machte dann alle Innovationsversuche prompt zunichte. 

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Sieben neue „Star Wars“-Serien sind derzeit in Arbeit, von „Andor“ bis „Rangers of the New Republic“, weitere Filme sollen in den nächsten Jahren auch ins Kino kommen, bestätigt ist derzeit allerdings nur einer, mit Taika Waititi („Jojo Rabbit“, „Thor: Ragnarok“) im Regie-Stuhl. Dem immerhin traut man einen unverbrauchten Zugang zum Material zu.

Auch „Obi-Wan Kenobi“ bleiben vier Folgen, um das Steuer herumzureißen. Doch das Vertrauen in die Macht ist erschüttert. Sonst heißt es am Ende wie schon zur Prequel-Trilogie: Ewan McGregor war noch das Beste daran.  

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