Das Kölner Museum für Angewandte Kunst zeigt in einer neuen Möbelschau „erzählerische“ Stücke aus seiner historischen Sammlung.
Möbel-Schau im MAKKIm Spiegelschrank der Gesellschaft

Reisetoiletten im Rokoko-Lackkästchen wie dieses (um 1740) waren ein im 18. Jahrhundert beliebtes Souvenir aus dem belgischen Kurort Spa.
Copyright: Historisches Archiv der Stadt Köln mit Rheinischem Bildarchiv, Marion Mennicken
Ein Klavier, das zugleich Aufbewahrungsort für Nähzeug, Malutensilien und Kosmetika ist, beinhaltete alles, was Frau brauchte – zumindest in der Biedermeierzeit. Dieses aus heutiger Sicht kuriose Möbelstück erzählt viel über das Leben der bürgerlichen Frau im frühen 19. Jahrhundert: Zurückgezogen ins Häusliche, stets auf Schönheit bedacht – in das aufklappbare Multifunktions-Schränkchen war praktischerweise auch ein Spiegel integriert – sollte sie sich musikalisch und künstlerisch betätigen. Hergestellt wurde das sogenannte Nähklavier um 1820 in Wien, wahrscheinlich von Klavierbaumeister Andreas Landschütz.
Aus dem Familiennachlass seiner Nachfahren kam es später ins Museum für Angewandte Kunst in Köln (MAKK), wo es jetzt in einer neuen Ausstellung zu sehen ist. Darin zeigt Kuratorin Anke Ehring „Möbel mit Geschichte(n)“ aus der historischen Sammlung. Da diese wegen der Generalsanierung des Hauses aktuell nicht zugänglich ist, präsentiert das Museum mit der Reihe „Ausgewählt“ zum mittlerweile dritten Mal jeweils einen kleinen Teil der rund 250.000 Objekte in neuer Zusammenstellung.
Kostbares Möbel aus der Toskana: Zwischen Ranken und urinierenden Leoparden
Beginnend mit drei prunkvollen italienischen Exponaten aus dem 15. und frühen 16. Jahrhundert, nimmt die chronologisch aufgebaute Schau zunächst das wichtigste Möbelstück des vormodernen Haushalts in den Blick. Lange bevor sich Schränke etablierten, bewahrte man sein Hab und Gut in der mobilen Truhe auf – der Begriff „Möbel“ leitet sich vom lateinischen Wort für Beweglichkeit ab. Die knapp zwei Meter lange toskanische Holztruhe im ersten Ausstellungsraum ist gleich ein echter Hingucker: Die Intarsien, handwerklich sehr aufwendige Einlegearbeiten aus Holz, auf ihrer Vorderseite zeigen Pflanzenranken, Tempelgiebel, übergroße Affen und auf einem Bein balancierende Leoparden, die ungeniert in eine Henkelvase pinkeln. Das entwertete das Möbel aber nicht – im Gegenteil, denn solche Grotesken nach antikem Vorbild erfreuten sich zu dieser Zeit großer Beliebtheit.

Aufwendige Intarsien schmücken diese Truhe aus der Toskana aus dem zweiten Viertel des 16. Jahrhunderts: Zwischen architektonischen Elementen und Pflanzen treiben allerlei Tiere ihr Unwesen.
Copyright: Historisches Archiv der Stadt Köln mit Rheinischem Bildarchiv
Von der mobilen Truhe zum repräsentativen Schrank
Ende des 17. Jahrhunderts hatte sich das Möbel längst von seiner Mobilität emanzipiert. Der stattliche Kölner Evangelisten-Schrank aus dem ehemaligen Bestand des Wallraf-Richartz-Museums wurde sicher nicht mehr bewegt; der mit zahlreichen figürlichen Schnitzereien überzogene, massive Überbauschrank diente vielmehr der Präsentation von edlem Ziergeschirr. Ebenfalls aus dem Köln des 17. Jahrhunderts stammt ein sehr ungewöhnlicher Prunktisch, getragen von einem kompliziert gedrechselten und so fragilen Stecksystem, dass an dem Tisch niemals jemand gesessen haben kann.
Nicht nur Kleider, auch Möbel machen offensichtlich Leute. Adel und später das reiche Bürgertum wollten mit ihren oft gar nicht mal so praktischen, dafür aber umso kunstvolleren Einrichtungsgegenständen angemessen repräsentiert werden. Die 36 ausgestellten Möbel aus fünf Jahrhunderten übertrumpfen sich gegenseitig in handwerklicher Präzision und künstlerischer Extravaganz. Ehring stellt sie neben Druckgrafiken oder andere Objekte der jeweiligen Zeit, um die medienübergreifenden Motivwelten zu demonstrieren.
Spiel um gesellschaftliche Anerkennung
Liebesszenen im Stile des Rokoko-Malers Antoine Watteau zieren etwa ein Lackkästchen aus dem belgischen Kurort Spa (um 1740), wo sich wohlhabende Badegäste gerne solche Reisetoiletten als Souvenir kauften. Dieses hier spuckt fast wie eine Matroschka zahlreiche kleinere Kästchen aus, in denen auch verschiedenfarbige Quadrille-Steine verstaut waren –ein Spiel, das sowohl am französischen Hof als auch in mondänen Bädern äußerst beliebt war.
Brettspiele gehörten im 18. Jahrhundert ohnehin zu den repräsentativen Beschäftigungen der Dame und sicherten ihre soziale Anerkennung in der adligen Gesellschaft. Davon zeugt auch der luxuriöse Spieltisch (um 1720/1730) aus dem Besitz der Fürstin von Schwarzburg-Sondershausen, der sich durch Umklappen jeweils in ein Dame-, Schach- oder Tricktrack-Spielfeld verwandeln lässt. Die Spiegel der historischen Schränkchen und Kästchen sind eben auch ein Fenster in das Leben ihrer einstigen Besitzer aus der gehobenen Gesellschaft.
„Möbel mit Geschichte(n)“, 23. Mai bis 31. August, Museum für Angewandte Kunst Köln, An der Rechtschule 7, Dienstag bis Sonntag 10–18 Uhr.