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Norbert Oberhaus ist Kulturmanager des Jahres„Nach dem ersten Tag waren wir Pleite“

Lesezeit 4 Minuten

Norbert Oberhaus in den Räumen von c/o Pop in Ehrenfeld 

Köln – Der Business-Plan besteht nur aus einer DIN-A4-Seite. „Und das“ sagt Norbert Oberhaus, „obwohl ich BWL studiert habe.“ Doch hinter der Idee, in Köln ein Pop-Festival aus dem Boden zu stampfen, steht kein wirtschaftliches Kalkül. Sondern Liebe, das darf man so kitschig sagen. Liebe zum Rheinland und zur Musik.

Am Montag wird Oberhaus als „Kulturmanager des Jahres“ ausgezeichnet, im Rahmen der Kölner Kulturpreise, die der Kölner Kulturrat seit 2010 auslobt. Schon 2011 gehört er zu den Nominierten. Der Preis geht an Karin Beier, die als Intendantin gerade deutschlandweit Furore macht. Pop hat es eher schwer.

In den 1990er Jahren ist Köln die deutsche Pop-Hauptstadt

In der zweiten Hälfte der 1990er und noch Anfang der Nuller Jahre sieht das ganz anders aus, da strotzt die Popstadt Köln vor Selbstbewusstsein: PopKomm, Viva, Sound of Cologne, das Kompakt-Label und die Total-Confusion-Party im Studio 672. „Der Stadtgarten mit dem Studio 672 war das, was heute unter anderem das CBE und das Gebäude 9 sind. Einer der angesagten Clubs, in dem jeder spielen musste“, erinnert sich Oberhaus, damals für Presse und Marketing im Stadtgarten zuständig. Und als Booker, zusammen mit Ralph Christoph, für alles, was Pop sein darf im angestammten Jazzhaus.

Dann der große Kater: 2004 zieht die PopKomm nach Berlin, 2005 folgt Viva. Oberhaus ist junger Vater und will nicht weg. Er ist in Lindlar aufgewachsen, Kölner Clubs wie das „Gypsies“ haben ihn als Teenager musikalisch sozialisiert. Mitte der 90er hat er sich selbstständig gemacht, seine Liebe zum World Pop entdeckt, die Summerstage – ein Weltmusikfestival im Tanzbrunnen – ins Leben gerufen, das Musikprogramm für die erste Museumsnacht kuratiert.

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Schon bevor sie erfahren, dass die Musikmesse wegzieht, haben sich Oberhaus und Christoph ein neues, weniger mainstreamlastiges Festival im Festival ausgedacht – „elektronische Musik spielt bei der PopKomm nämlich überhaupt keine Rolle“.

Nun, wo der Kölner August klanglos dasteht, springen sie ins kalte Wasser. Die erste c/o pop im Jahr 2004 erstreckt sich über 17 Tage („der vollkommene Wahnsinn“) und ist beinahe die letzte: „Wir haben gleich am ersten Tag sehr viel Geld verloren und waren eigentlich pleite.“

Dafür stimmt das Gefühl. Die Signale stehen auf Abfahrt, also rollen sie weiter, auf Kredit. Die Zug-Metapher greift: Die c/o pop reist dauerbewegt durch die Stadt, jede neue Station ist ein weiterer Bahnhof – vom Panoramapavillon vor den Rheinhallen in die alte Bahndirektion, auf den Offenbach- und zum Hans-Böckler-Platz, vom Belgischen Viertel nach Ehrenfeld. Der Popmusik baut niemand Kulturtempel, sie muss sie erstürmen.

In den Pandemie machte Oberhaus plötzlich Musikfernsehen

„Wir mussten uns immer neu erfinden“, resümiert Oberhaus. „Manchmal gezwungenermaßen, manchmal weil wir Lust hatten oder zur richtigen Zeit eine Chance genutzt haben.“ Zuletzt mit der coronabedingten XOXO-Digital-Ausgabe des Festivals: „Hätte mir vorher jemand gesagt, dass ich 2021 Musikfernsehen mache werde... das war wie ein Jungbrunnen für uns.“

Es bleibt ein „Was wäre wenn“: Hätten etwa Stadt und Land rechtzeitig erkannt, was so ein Festival für Köln bedeuten könnte. „Vor allen in den schweren Jahren hätte ich mir mehr Unterstützung gewünscht, auch auf Bundesebene.“ 2009 war die c/o Pop Marktführerin in ihrem Bereich, aber Hamburg lobbyierte erfolgreich für sein Reeperbahnfestival, das aktuell mit mehreren Millionen Euro vom Bund gefördert wird (die c/o Pop bekam erst nichts, inzwischen ist es ein Bruchteil der Summe, die nach Hamburg fließt). „Den Vorsprung haben wir nie mehr einholen können. Dass damals der politische Weitblick fehlte, ärgert mich bis heute.“

Trotzdem: Das ruhelose Reisen der c/o pop hinterlässt Spuren. 2009 ziehen unter der Federführung von Oberhaus rund 50 Kleinstfirmen aus der Kreativbranche ins 4711-Hochhaus an der Venloer Straße. Nach drei Jahren platz der Traum vom Kreativzentrum, die Landesförderung bleibt aus. Doch nicht der Drang nach Ehrenfeld, er verändert den Stadtteil. Was auch hält, sind die Netzwerke, die hier geknüpft werden. 2010 gründet sich mit der Klubkomm der Interessenverband der Kölner Musikclubs. „Uns war klar: Wenn wir was ändern wollen, müssen wir uns organisieren.“ Spätestens in der Pandemie hat sich gezeigt, wie wichtig das war: „Alle, die gut organisiert waren, haben auch schnell Hilfe bekommen“, sagt Oberhaus.

Oder der popNRW-Preis, den Oberhaus mitinitiierte, weil er es nicht verstehen wollte, dass „aus Köln und NRW nie mal ’ne angesagte Band kam“. Der mit 10 000 Euro bestdotierte Preis seiner Art hat etwa Acts wie Roosevelt und AnnenMayKantereit auf den Weg gebracht. Dieses Jahr wird er zum zehnten Mal verliehen. Der Kampf um die Gleichberechtigung (und Förderwürdigkeit) der Popmusik zur Hochkultur bleibt Norbert Oberhaus’ große Leidenschaft. Die eigene Auszeichnung sieht er deshalb auch „als Preis für die Sache“.