NRW-Medienminister Liminski über Presseförderung„Die Bundesregierung kommt nicht in die Puschen“

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Nathanel Liminski, Medienminister NRW

Nathanel Liminski, Medienminister NRW

NRW-Medienminister Nathanael Liminski (CDU) fordert von der Bundesregierung schnelles Handeln bei der Zustellförderung für Presseverlage. Ansonsten entstehe wirtschaftliche Gefahr für die Verlage und eine reale politische Gefahr für die Demokratie.

Herr Liminski, nachdem das Wirtschaftsministerium und die Kulturstaatsministerin Gutachten vorgelegt haben, die besagen, dass eine Förderung der Pressezustellung rechtlich möglich und wirtschaftlich sinnvoll ist, haben Sie sich mit Ihrem sächsischen Kollegen Oliver Schenk erneut an die Bundesregierung gewandt und sie aufgefordert, schneller als bisher zu handeln. Warum sahen Sie dazu die Notwendigkeit?

Weil die Bundesregierung nicht in die Puschen kommt. Wir reden hier über Vorsorge für unsere Demokratie. Gerade bei diesem sensiblen Thema ist es verantwortungslos, die Branche fast ein Jahr lang im Ungewissen zu lassen und als Begründung dafür Gutachten vorzuschieben, um bei deren Veröffentlichung lapidar zu erklären, dass man sich noch gar nicht einig sei, wer in der Bundesregierung überhaupt zuständig ist. Es passt ins Bild der Ampel: Alle bis hinauf zum Kanzler reden davon, wie wichtig Zeitungen für die Demokratie seien. Aber: Zwei Minister der Grünen wollen bei diesem Thema nicht zuständig sein. Der FDP-Bundesfinanzminister schweigt. Inhaltlich durchaus begrüßenswerte Namensbeiträge von SPD-Medienpolitikern täuschen Regierungshandeln vor, während gleichzeitig das SPD-Kanzleramt als Regierungszentrale ausfällt. Es gehört zu den ersten Pflichten einer Regierungszentrale, Zuständigkeiten zügig zu klären, damit zumindest klar ist, wer an der Lösung des Problems arbeiten muss.

Die Verlage weisen seit Jahren auf die Probleme, gerade bei der Zustellung, hin.

Die schwierige Situation der Pressezustellung besonders im ländlichen Raum existiert in der Tat schon seit einigen Jahren. Das hat zu tun mit sinkenden Abo-Zahlen und damit einhergehend einem höheren Aufwand pro ausgelieferter Zeitung, aber natürlich auch mit den gestiegenen Zustellkosten aufgrund des Mindestlohns. Hinzu kommen die gestiegenen Preise für Papier und Energie. Das alles trifft die Verlage in einer Situation, in der sie den kostenintensiven Übergang von analogen zu digitalen Produkten zu bewältigen haben. Dieser Übergang dauert länger als bei den Verlagen vielfach angenommen. Das ist im Rundfunk im Radio und Fernsehen nicht anders: Auch hier halten mehr Menschen länger am linearen Angebot fest als es die Sender angenommen haben.

Was sagen Sie denen, die anführen, man finde doch alle Inhalte online und müsse daher nicht an gedruckten Zeitungen festhalten?

Für die Menschen, die sich selbstverständlich digital informieren und recherchieren, mag die Vorstellung befremdlich klingen, auf gedruckte Presserzeugnisse nicht verzichten zu wollen oder zu können. Aber Fakt ist: Es gibt noch sehr viele Menschen, die aus unterschiedlichsten Gründen die digitalen Angebote nicht nutzen. Und natürlich ist den Verlagen daran gelegen, diese Kunden auch künftig zu erreichen und damit auch zu halten.

Weil man sonst einen Teil der Bevölkerung übersieht?

Ja, die Gefahr besteht. Natürlich muss die Verlagsbranche ihr Angebot wirtschaftlich digitaler gestalten und sich zukunftssicher aufstellen – ohne jedoch Gefahr zu laufen, Teile der Gesellschaft zu verlieren. Das gilt insbesondere bei bestimmten Zielgruppen, bei denen uns auch daran gelegen sein sollte, dass sie sich weiterhin als Teil des Ganzen unserer Demokratie empfinden. Ich denke an ältere Leserinnen und Leser oder die Menschen in den ländlichen Räumen. Für viele Abonnenten ist Zeitung lesen –  trotz vielfältiger digitaler Angebote der Verlage – damit verbunden, Papier in der Hand zu halten. Aus welchen Gründen auch immer, sei es das habtische Erlebnis oder auch das Gefühl, mit der Lektüre die eigene Information erledigt zu haben. So oder so sollte uns die damit verbundene Teilhabe es wert sein, für einen befristeten Zeitraum eine Förderung zu realisieren, die Zeit für den Umstieg ins Digitale bei Verlagen und Lesern gibt.

Aus meiner Sicht muss eine Vertriebsförderung für Presseerzeugnisse erstens staatsfern, zweitens degressiv, also sinkend, und drittens zeitlich begrenzt ausgestaltet sein
Nathanael Liminski

Wie sollte eine solche Förderung ausgestaltet sein?

Klar ist, eine solche Förderung muss einfach und pragmatisch ausgestaltet sein. Eine Orientierung an den Stückkosten ist die einzig sinnvolle. Aus meiner Sicht muss eine Vertriebsförderung für Presseerzeugnisse erstens staatsfern, zweitens degressiv, also sinkend, und drittens zeitlich begrenzt ausgestaltet sein. Es geht also ausdrücklich nicht um eine Dauersubvention. Sondern es geht darum, den Verlagen den Weg ins digitale Zeitalter so zu erleichtern, dass wir anschließend immer noch von einer vielfältigen Presselandschaft reden können.

Von welchen Summen gehen Sie aus?

Zuletzt war die Rede von 220 Millionen Euro. Das ist natürlich in Zeiten von Inflation und gestiegenen Kosten für Energie, Papier und Zustellung neu zu bewerten. Mit Blick auf die Zielgruppe muss klar sein: Wir reden sowohl über Tageszeitungen als auch über Zeitschriften und Anzeigenblätter, die vielfach von vielen Menschen sehr geschätzte lokale Informationen enthalten.

Der DJV-Vorsitzende Frank Überall hat in diesem Zusammenhang gesagt, die Zukunft des Printjournalismus sei gefährdet. Ist das alarmistisch oder eine berechtigte Einschätzung?

Leider ist das eine berechtigte Einschätzung. Der Blick ins Ausland wie die USA zeigt das. Dort gibt es große Städte und Regionen, wo es keine Tageszeitung mehr gibt. Wir stellen fest, dass die Teilhabe und Teilnahme an der Demokratie in diesen Gebieten besonders leidet. Wir erleben dort ein Erstarken extremistischer Strömungen. Wir reden also nicht mehr über Spekulationen und potenzielle Gefahren, sondern über eine reale wirtschaftliche Gefahr für die Verlage und eine reale politische Gefahr für unsere Demokratie. Jedes Jahr, das ohne Perspektive ins Land geht, wird dazu führen, dass die Vielfalt an Zeitungen auch hierzulande abnimmt. Der Konzentrationsprozess ist in vollem Gange. Irgendwann wird es zu immer mehr weißen Flecken auf der Karte kommen. Wir haben die ersten Gegenden dieser Art bereits im Osten der Republik, aber das ist auch im Westen nicht undenkbar.

Sie haben sich gerade in einem Interview mit der „SZ“ für Stabilität beim Rundfunkbeitrag ausgesprochen. Nun ist die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks etwas völlig anderes als das Geschäftsmodell von Verlagen. Dennoch sollte es in der Medienlandschaft in Deutschland für alle Beteiligten faire Bedingungen geben. Ein erhöhter Rundfunkbeitrag wäre doch vermutlich auch vor dem Hintergrund der gerade besprochenen Themen schwierig, oder?

Die meisten Bürgerinnen und Bürger haben für Medienangebote nur ein begrenztes Budget. Wenn das Geld etwas knapper ist, kann ein steigender Pflicht-Rundfunkbeitrag unter Umständen dazu führen, dass das eine oder andere kündbare Abo aufgelöst wird, vielleicht auch das der Tageszeitung. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk und die privaten Medien stehen im Wettbewerb zueinander, nicht nur publizistisch, sondern auch um das Geld der Menschen. Das müssen wir im Blick behalten. Aus diesen Gründen, aber auch mit Blick auf die generelle dauerhafte Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als pflichtfinanziertes System kämpfe ich dafür, den Rundfunkbeitrag stabil zu halten. Dafür tragen nicht nur die Länder Verantwortung, sondern auch die Sender.

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