Premiere im Theater der KellerMuss der Kapitalismus gerettet werden?

Lesezeit 3 Minuten
Neuer Inhalt (2)

Szene aus „Rettet den Kapitalismus“ 

Köln – Es sind die einfachen Fragen, die oft am schwierigsten zu beantworten sind. Das gilt insbesondere für unser Wirtschaftssystem, dessen Regeln wir alle folgen, das sich aber längst dem Verständnis des Normalbürgers entzogen hat. Man ist staunender Teilnehmer einer Art Nullsummenspiels, bei dem sich das Kapital durch ständigen Geldzufluss und Schuldenaufnahme wie von selbst zu vermehren scheint.

Ein Spiel, bei dem man ahnt, dass es nicht unendlich weitergespielt werden kann und bei dem doch keiner genau weiß, wie ein Ausstiegsszenario aussehen könnte. 

Ein Kurs zum Crash

Spielerisch gehen auch Regisseur Heinz Simon Keller und die Dramaturgin Ulrike Janssen ihre Crash-Revue „Rettet den Kapitalismus“ an. Wobei „Crash“ als „Crash-Kurs“ sowohl für den kurzweiligen und knappen Ablauf der ungemein unterhaltsamen Lehrstunde steht, wie für die Möglichkeit eines Zusammenbruchs, die wie ein Damoklesschwert über dem Wirtschaftssystem schwebt.

Alles zum Thema Film und Fernsehen

Als charmante und wortgewandte Moderatorin Mary fungiert Mira Wickert bei der munteren Fragerunde rund ums liebe Geld. Im lockeren Thea-Dorn-Duktus führt sie souverän Gespräche mit einer illustren Runde von Interviewpartnern. „It´s a Man´s Man´s Man´s World“ singt die Moderatorin mit eindrucksvoller Solostimme und tatsächlich bevölkert ein „Boys Club“ männlicher Alphatiere und Platzhirsche die Finanzwelt, deren unterschiedliche Protagonisten im Laufe des Abends ein amüsantes Schaulaufen betreiben.  

Über der Zufriedenheitsgrenze

Die beiden Schauspieler Matthias Lühn und Gareth Charles schlüpfen in die verschiedenen Rollen und stellen dabei ihre enorme Vielseitigkeit unter Beweis. Gareth Charles schwebt am Fallschirm mit „Jochen-Schweizer“-Attitüde auf die Bühne, um dann beim nächsten Auftritt die Red-Bull-Macher-Pose gegen die larmoyante Lethargie eines durch Erbschaft zu Reichtum gekommenen Jungspunds einzunehmen. „Ich schwebe ständig über der Zufriedenheitsgrenze“ klagt der arme Reiche und weiß nicht wohin mit dem Geld.

In hemdsärmeliger Handwerkerkluft spielt er wenig später den „Kapitalvernichter“ der im Keller der Finanzinstitute mit großem Appetit dafür sorgt, dass in der Krise, frei nach Karl Marx, das Kapital vernichtet wird. Matthias Lühn gibt anfangs den Mark Hanna aus Martin Scorseses „Wolf of Wall Street“, wenn er sich, wie im Film Matthew McConaughey, als flirtender Finanzhai summend auf die Brust schlägt.  Aus dem aalglatten Cum-Ex-Spezialisten im edlen Zwirn wird beim nächsten Auftritt ein abgehalfterter Ex-Broker mit Höhenangst und Second-Hand-Klamotten, bis er kurz darauf als geläuterter Wirtschaftskrimineller im weißen Guru-Look eine Agentur vorstellt, die kriminelle Finanzmanager ihre Knast-Zeit durch lukrative Beratung zur wertvollen kathartischen Lebenserfahrung werden lässt.  

Das könnte Sie auch interessieren:

Grandios auch sein Abschluss-Auftritt als „Hauptschuldner“, der im Epilog des wunderbar amüsanten Ritts durch die Finanzwelt, dem Ganzen die geldscheingeschmückte Dornenkrone aufsetzt. An dieser Stelle muss einmal die ebenso fantasievolle wie detailverliebte Kostümgestaltung von Lara Hohmann gewürdigt werden, die auch im Zusammenspiel mit den Videoeinspielungen von Nazgol Emami für das stimmige Bühnenbild mit Anklängen ans Monopoly-Spiel verantwortlich zeichnet. Dass diese fulminante Crash-Revue so wunderbar rund und unterhaltsam geraten ist, liegt neben den klug zusammengestellten Wort- und Musik-Beiträgen zwischen Brecht und Grönemeyer auch an der musikalischen Begleitband, die Gleb Tschepki am Piano anführt und die mit Victor Maria Diderich am Saxophon und Philipp Joerres an der Posaune zwei Mitstreiter hat, die zudem auch mit pointierten schauspielerischen Einfällen glänzen.  

Nach vollgepackten 90 Minuten hat der Zuschauer vielleicht keine Antworten auf die Frage gefunden, ob der Kapitalismus nun vornehmlich Krisen bewältig oder sie generiert, dafür aber die Gewissheit, sein Kapital dieses Mal in Form des Eintrittsgeldes glänzend angelegt zu haben.

Theater der Keller,  14. + 15.1., 20 Uhr, 23.1. 18 Uhr

KStA abonnieren