Rubens in Sankt PeterDie „Kreuzigung Petri“ ist wieder in Köln zu sehen

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Kopf des Petrus aus dem Rubens-Gemälde

Köln – In der Bibel steht es zwar nicht, aber wir glauben es trotzdem mal: Als der Apostel Petrus in Rom das Christentum predigte, wurde er verhaftet, zum Tode verurteilt und erbat sich lediglich, kopfüber gekreuzigt zu werden, weil er unwürdig sei, wie Jesus, nämlich in aufrechter Haltung, zu sterben.

Der flämische Barockmaler Peter Paul Rubens (1577-1640) stellt das Geschehen auf einem Großformat wuchtig vor uns hin, mehrere Muskelmänner haben alle Hände voll damit zu tun, Petrus zu halten, zu binden und ihm Nägel durch die Handflächen zu treiben. Ein Engel wartet bereits darauf, den Heiligen ins Himmelreich zu geleiten, doch der Malträtierte findet offenbar Trost in einem roten Kleidungsstück am unteren Bildrand – für Rubens’ Zeitgenossen leicht als päpstliches Gewand erkennbar. Statt dem Tod wird Petrus dem ewigen Leben als erster Bischof von Rom geweiht.

Seit 1642 ist das Petrus-Gemälde in Köln

In Köln kennt man diese Geschichte wohl besser als an jedem anderen Ort der Erde, denn Rubens schmückte sie nach allen Kräften seines barocken Talents für die hiesige Pfarrkirche Sankt Peter aus. Hier steht seine „Kreuzigung Petri“, mit längeren und kürzeren Unterbrechungen, den Bürgern seit 1642 vor Augen, was nach Epochen der Säkularisierung alles andere als selbstverständlich ist.

Einige Fürsten boten stattliche Preise für das Werk, doch die katholische Kirche widerstand der weltlichen Versuchung. 1794 verschleppten es napoleonische Besatzer in den Pariser Louvre und gaben ihre Beute erst 1815 nach zähen Verhandlungen wieder her. Seitdem gilt es den Kölnern als so kölsch wie Karneval, was vielleicht erklärt, warum ein Gemälde dieser Güte heute nicht in einem Museum hängt, sondern in einer kleinen Kirche in der Innenstadt.

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Schließlich sind mit einem solchen Schatz auch Verpflichtungen verbunden – finanzielle ebenso wie geistig-kulturelle. Seit 2019 war die „Kreuzigung“ in Sankt Peter nicht mehr zu sehen, weil sie nach langen Jahren intensiver Abnutzung durch Bakterien, Licht und staunende Blicke gründlich restauriert werden musste. Kein leichtes Unterfangen für eine Kirche, die zwar als Kunst-Station für die zeitgenössische Moderne ein reges Doppelleben führt, aber wenig eigenes museales Wissen hortet und selbstredend keinen angemessenen Petrus-Ersatz im Keller stehen hat. Für die restauratorischen Arbeiten wurden externe Sachverständige bestellt, das fehlende Gemälde wurde in der Ausstellungsreihe „Replace Rubens“ unter anderem durch einen „Grauen Spiegel“ von Gerhard Richter und aktuelle Arbeiten von Walid Raad und Kara Walker ersetzt.

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Das Gemälde vor der Restaurierung

An Ostermontag soll die restaurierte „Kreuzigung“ enthüllt und erstmals der Öffentlichkeit gezeigt werden. Aus diesem Anlass bringt der Landschaftsverband Rheinland ein stattliches Buch zum Rubens-Gemälde heraus, in dem die Restauratoren ihre Arbeit erklären und namhafte Kunsthistoriker in die Werkgeschichte einführen. So erfährt man von Nils Büttner, dass sich Rubens 1637 in einem Brief hoch erfreut über den Auftrag der Kölner Kaufmannsfamilie Jabach zeigte, nicht nur, weil er mehrere Jahre seiner Kindheit in Köln verbracht hatte, sondern auch, weil ihm bei der Motivwahl freie Hand gegeben wurde. „Doch wenn ich wählen oder zu meinem Vergnügen ein den hl. Petrus angehendes Sujet wünschen dürfte“, so Rubens, „dann sollte es seine Kreuzigung sein, mit den Füßen nach oben, welche sehr wirkungsvoll und passend ist, um etwas Außergewöhnliches schön (doch nach meinen Fähigkeiten) fertigzustellen.“

Das Meiste bleibt freilich im Unklaren. Wusste Rubens, dass er ein Werk für jene Kirche entwarf, in der sein Vater bestattet worden war? Wählte er ein Motiv körperlichen Leids, weil er selbst sein drei Jahre entferntes Ende kommen fühlte? Und wie intensiv arbeitete Rubens, der eine große Werkstatt betrieb und seit 1638 an schweren Gichtanfällen litt, selbst daran? Zur letzten Frage trägt Büttner etliche Indizien zusammen, die nahelegen, dass Rubens die „Kreuzigung Petri“ als persönliche Berufung ansah und nicht nur als lukrativen Geschäftsabschluss.

Die „Kreuzigung Petri“ gehört zu den letzten Werken der Rubens-Produktion

In jedem Fall gehört die „Kreuzigung Petri“ zu den letzten Werken der Rubens-Produktion (ausgeliefert wurde sie wohl erst zwei Jahre nach seinem Tod) und zu dessen eindrucksvollsten biblischen Gemälden. Selbst im Barock gab es wenige Maler, die christlichen Legenden ein derart wild-bewegtes Leben einhauchen konnten – auch der Familie Jabach mag ein von Rubens ausgemaltes Martyrium als wirkungsvolles Gegengift zur Diätkost der Reformationskunst erschienen sein.

Pater Stephan Kessler, Pfarrer von Sankt Peter, erkennt in seinem sehr lesenswerten Buchbeitrag im Heiligenbild eine zugleich urchristliche und allzeit gültige Botschaft: Erst wenn ich die eigene Sterblichkeit gelassen annehme, ist mir die tröstliche Zuversicht gewiss. Sein Petrus trägt im Untergang den „moralischen Sieg“ davon, mit ihm triumphiert die Tugend über die an ihr verübte Gewalt.

Anlässlich der Restaurierung der „Kreuzigung Petri“ ist ein deutsch- und englischsprachiger Band mit ausführlichen Beiträgen unter anderem von Nils Büttner, Stephan Ch. Kessler, Andreas Krupa, Anna Pawlik und Marc Peez erschienen.

Andrea Pufke (Hrsg.): „Die Kreuzigung Petri von Rubens“, Arbeitsheft der rheinischen Denkmalpflege 86, 256 Seiten mit Farbtafeln, Deutscher Kunstverlag, 48 Euro

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