Kölner Schauspiel-Chefs im Gespräch„Ich gehe davon aus, dass ich den Schlüssel im Frühjahr bekomme“

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Stefan Bachmann (l.), Rafael Sanchez, der scheidende und der Interims-Intendant des Schauspiels Köln

Stefan Bachmann (l.), Rafael Sanchez, der scheidende und der Interims-Intendant des Schauspiels Köln

Für Stefan Bachmann ist es die letzte Spielzeit am Schauspiel Köln, Rafael Sanchez folgt ihm. Sie sprechen über das Programm und den Umzug an den Offenbachplatz.

Stefan Bachmann leitet das Schauspiel Köln, wechselt aber zur Saison 2024/25 ans Wiener Burgtheater. Rafael Sanchez, der zusammen mit Bachmann 2013 als Hausregisseur ans Schauspiel kam, wird die Intendanz für die erste Post-Bachmann-Saison in Köln übernehmen – danach übernimmt Kay Voges.

Stefan Bachmann, Ihre letzte Spielzeit am Schauspiel Köln wartet mit vielen Ur- und Erstaufführungen auf, mit jungen oder hierzulande noch wenig bekannten Autoren. Sind Sie schon auf halbem Weg nach Wien und jetzt toben sich die Dramaturgen aus?

Stefan Bachmann: Nein, die Entscheidungen für diesen Spielplan sind weitestgehend gefallen, bevor das mit Wien aktuell war. Er entstand eher aus der Überlegung, dass das unsere letzte Spielzeit im Depot wird, bevor wir das Haus am Offenbachplatz eröffnen und dort vermutlich mehr auf bekannte Titel setzen werden, um das Theater möglichst zugänglich und nach außen hin lesbar zu machen. Deshalb waren wir im Umkehrschluss aber davor auch noch einmal sehr mutig sein – getragen von der Treue des Publikums, das auch zu eher komplizierten Sachen förmlich ins Depot geströmt ist. Dieses Vertrauen haben wir über die Jahre aufgebaut. Der Spielplan mag erstmal herausfordernd scheinen, aber natürlich verbergen sich ganz tolle Stücke, Projekte und Texte dahinter.

Zum Beispiel?

Bachmann: „Yazdgerds Tod“, unsere zweite Premiere, ist ein Stück, das der Autor Bahram Beyzaie in den 1970er Jahren geschrieben hat. Ein ganz toller Text, poetisch, spannend wie ein Krimi, ein ganz toller Autor. Sie können ihn sich als eine Art iranischen Heiner Müller vorstellen. Das Publikum in Mülheim ist auffallend gemischt, wir konnten hier zum Teil ganz neue Leute ansprechen und es ist immer wieder erstaunlich, worauf sie sich einlassen.

Gab es Produktionen, bei denen Sie das überrascht hat?

Rafael Sanchez: „Die Troerinnen“ könnte man doch eher als sperrig beschreiben. Da muss man als Publikum selber mitarbeiten und trotzdem kamen die Leute da begeistert raus, und es lief richtig gut.

Kann das mutige Programm am Offenbachplatz denn einfach so weiter gehen, Rafael Sanchez?

Sanchez: Für mich ist das Programm dreigeteilt: Zum einen können wir einige Produktionen mitnehmen, zum anderen haben wir jetzt endlich Platz für Dinge, die schon lange ums Haus herumschwirrten – und dann gibt es Sachen, die ich immer einmal machen wollte. Vor ein paar Monaten dachte ich, oje, der arme Stefan muss in anderthalb Jahren die Burg vorbereiten. Das geht eigentlich nicht. Jetzt hätte ich gerne anderthalb Jahre Zeit für Köln. Das ist jenseits von Gut und Böse. Wenn das Haus nicht so gut aufgestellt wäre, könnte man es vergessen.

Wenn das Haus nicht so gut aufgestellt wäre, könnte man es vergessen
Rafael Sanchez

Werden Sie Projekte übernehmen, die Stefan Bachmann bereits geplant hatte oder machen Sie alles neu?

Sanchez: Stefan hat mir das Haus besenrein hinterlassen. Manche Sachen kann ich machen, muss aber nicht.

Bachmann: Ein paar fette Bissen werde ich nach Wien mitnehmen. Wir müssen ja beide gucken, dass wir in knapper Zeit etwas Gutes hinkriegen. Die Erwartungen sind immer hoch, von außen interessiert niemanden, wie das logistisch von innen ausschaut. „Wir erwarten eine fulminante Eröffnungsspielzeit“ lautet der Standardspruch hier in Köln. Das verstehe ich auch. Nur müssen dazu eben sehr viele Faktoren stimmen, unter anderem, der, dass man rechtzeitig einziehen kann. Ein Theater kann sehr viel, aber es ist auch sehr komplex, und bis jedes Gewerk so vertraut mit der neuen Situation ist, dass alles abläuft wie ein Uhrwerk, vergehen manchmal Jahre. Aber Rafael Sanchez ist für diese Situation genau der richtige Mann, weil er sich nicht verkrampft und den nötigen Charme hat, die Dinge gut zu moderieren.

Werden Sie Produktionen so einrichten, dass die zur Not auch im Depot 1 gespielt werden können, Herr Sanchez?

Sanchez: Wir sind nicht naiv. Der Hintergedanke, was mache ich, wenn es nicht klappt - oder nur halb - schwingt immer mit. Aber ich gehe davon aus, dass ich den Schlüssel fürs Haus im Frühjahr 2024 bekommen und das Haus im September in irgendeiner Form eröffnen werde.

In Köln findet der Intendantenwechsel in aller Freundschaft statt, in Wien, Herr Bachmann, sind sie von ihrem Vorgänger nicht mit offenen Armen empfangen worden.

Bachmann: Der Wechsel kam für meinen Vorgänger schockartig. Das braucht also ein bisschen. Meine Situation ist etwas einfacher. Ich kann recht gelassen aus Köln weggehen, für mich ist das eine runde Sache: Ich habe das Depot in Mülheim gegründet und gehe in dem Moment, wo die Zeit, in der das Schauspiel hauptsächlich hier spielt, vorbei ist. Mit dem Bewusstsein, dass die Spielstätte weiter genutzt werden wird.

Wir sind gegen alle Warnungen an die Peripherie gegangen und das ganze Veedel hat sich belebt
Stefan Bachmann

Der Rat hatte vor den Sommerferien die Nachnutzung des Depots und die Einrichtung einer eigenen Tanzkompanie beschlossen …

Bachmann: Das war für mich die Glücksmeldung schlechthin. Wir sind 2013 gegen alle Warnungen an die Peripherie gegangen, wir haben hier im wahrsten Sinne des Wortes etwas hingepflanzt, attraktiv gemacht, mit Kunst und Geist erfüllt und die Menschen sind gekommen und das ganze Veedel hat sich belebt, eine sehr positive Gentrifizierungsgeschichte, die zeigt, wie viel Power Kultur entfalten kann. Köln steht jetzt kulturell komplett aufgewertet da.

Sanchez: Jetzt muss man dieselbe Operation mit dem Offenbachplatz vornehmen.

Der machte früher manchmal den Eindruck einer Wüste an der Nord-Süd-Fahrt …

Sanchez: Ich denke mir eher: endlich ein leerer Platz in Köln! Also, ich finde ihn herrlich.

Bachmann: Es wird ja auch anders als früher. Es wird eine offene Kantine geben und ein Café im kleinen Haus. Der Platz ist anders gestaltet, der wird einen aufgeräumten Eindruck machen. Darüber hinaus fände ich es schon wichtig, dass man diesem Einkaufs- und Autoterror in der Stadt etwas entgegensetzt. Das Schönste wäre natürlich, diese Nord-Süd-Fahrt massiv zu beruhigen und eine Verbindung zwischen Kolumba-Museum, dem Museum für angewandte Kunst, dem WDR und den Bühnen zu schaffen, dann würde viel manifester werden, dass Köln nicht nur eine Autofahrerstadt, sondern eine Stadt mit tollen Kulturinstitutionen ist. Die Kultur ist jedenfalls ein ganz wichtiger Faktor, um Innenstädte nicht aussterben zu lassen. Da lag ich immer etwas mit der Stadt im Clinch, weil ich gesagt habe: Ihr verändert euch zu langsam!

Das Schauspielhaus muss mit einem großen Wumms aufmachen
Rafael Sanchez

Sanchez: Auf jeden Fall wollen wir zum Eröffnungsfest am Offenbachplatz die Nord-Süd-Fahrt für den Autoverkehr sperren, die Oberbürgermeisterin versucht das mit uns. Ich mache mir jedenfalls gar keine Sorgen, dass das Publikum nicht sofort zum Offenbachplatz streben wird. Wenn diese Baustelle, die zwölf Jahre zu war, endlich aufgeht und an die Stadtgesellschaft zurückgegeben wird, ist das ein großes Ereignis. Und natürlich muss das Schauspielhaus mit einem dementsprechend großen Wumms aufmachen.

Da verwundert es ein wenig, dass Sie die Eröffnungspremiere gar nicht selbst inszenieren wollen?

Sanchez: Letztlich kann nur ich das Risiko auf meine Schulter nehmen, eventuell bloß knapp oder überhaupt nicht mit der ersten Premiere am Offenbachplatz eröffnen zu können. Also werde ich am Ende wohl doch die Eröffnungspremiere übernehmen.

Stefan Bachmann nimmt seinen Chefdramaturgen Thomas Jonigk mit nach Wien. Haben Sie schon eine neue Chefdramaturgie, Herr Sanchez?

Sanchez: Ja, Sibylle Dudek und Jan-Stephan Schmieding werden sich die Position teilen.

Und wie viele Schauspieler aus dem Kölner Ensemble gehen mit nach Wien, Herr Bachmann?

Bachmann: Das kann ich wirklich noch nicht sagen, die Gespräche sind zum Teil noch nicht abgeschlossen. Da hängen ja oft Familien mit dran. Alle, die nicht mit nach Wien kommen, können jedenfalls noch mindestens eine Spielzeit lang in Köln bleiben.

Sanchez: Für uns, die in Köln bleiben, wird das eine sehr emotionale und seltsame Zeit werden. Wir haben elf Jahre zusammen Theater gemacht, dann verabschiedet sich ein Teil der Familie, dann eröffnen wir euphorisch das neue Haus, dann kommen schon wieder die Neuen: Also, es wird eine Gefühlsachterbahn.

Haben Sie sich schon mit Kay Voges, dem kommenden Intendanten, getroffen?

Sanchez: Wir haben bis jetzt nur telefoniert. Soweit ich das aus der Ferne beurteilen kann, glaube ich, dass es in Köln mit ihm auf jeden Fall funktionieren kann. Man sagt ja immer, die Theaterfamilie sei eine Blase. Aber mit Voges kommt wirklich etwas Neues, da gibt es nicht viele Überschneidungen zu uns. Da werden viele neue Namen kommen, die noch nie hier waren.

Bachmann: Ich habe mich mit Kay Voges getroffen, am Abend, bevor er sich der Presse gestellt hat. Ich habe mich gefreut, dass er einen klaren und fundierten Blick auf die Situation in Köln hat. Er sieht auch die Potenziale der Situation in Mülheim. Jetzt braucht Voges, wie alle Intendanten, nur noch ein bisschen Fortüne.

Die Spielzeit am Schauspiel Köln startet am Freitag, 1. September, mit der Premiere von „Im Anfang war der Zaun“ im Depot 2, am 2. September folgt „Yazdgerds Tod“ im Depot 1, alle weiteren Informationen finden Sie hier.

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