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See the SoundDas bietet das Kölner Musikfilmfestival 2025

4 min
Michel Legrand steht vor einem Klavier.

Der legendäre Filmkomponist Michel Legrand in „Once Upon a Time Michel Legrand“

Das Kölner Filmfestival „See the Sound“ zeigt herausragende Filme über Michel Legrand, Meredith Monk und den Evergreen „My Way“. 

Es hätte der Höhepunkt seiner jungen Karriere sein können: Der französische Komponist Michel Legrand war gerade 37 Jahre alt geworden und durfte sich Hoffnungen auf einen Oscar machen. Er war dreimal nominiert, für die Musik und den Titelsong der „Thomas Crown Affair“ und für Jacques Demys herrliches Musical „Die Mädchen von Rochefort“. Stattdessen lag er während der Zeremonie mit Depressionen in einer Klinik. „Ich ging auf die 40 zu und hatte nichts zustande gebracht“, so Legrand. Sein Hollywood-Arzt verschrieb ihm Schlaftabletten und machte alles nur noch schlimmer.

Michel Legrand, berühmt für seine beschwingten, schwerelosen, nur manchmal sanft-melancholischen Melodien, hätte man solche düsteren Gedanken wohl am wenigsten zugetraut. Aber sie ließen sich auch nicht durch den Oscar für „The Windmills of Your Mind“, den Song aus der „Thomas Crown Affair“, vertreiben. Um sich aus der Düsternis zu befreien, verließ Legrand das Land seiner musikalischen Helden, das Land des Jazz, und kehrte nach Frankreich zurück. Wo er 2019 als nationale Legende starb.

Die Festivalnische bietet Platz für eine lange Liste an Berühmtheiten

In David Dessites Dokumentation „Es war einmal Michel Legrand“ geht diese depressive Episode so schnell vorbei, wie sie gekommen war – und hinterlässt wenig Spuren. Das ist ein wenig schade, denn sie hätte der altbekannten „Ein Leben wie im Rausch“-Dramaturgie des Films etwas entgegensetzen können. Natürlich gibt es auch sonst vieles zu erzählen und zu zeigen, gerade aus der frühen Karriere des „Wunderkinds“: Legrand, wie er aus einem Klavierkasten steigt oder auf einem qualmenden Piano spielt; Legrand, der 80-Jährige, für den die Bühne ein Jungbrunnen ist; oder der Legrand, der gleich von seiner ersten Platte acht Millionen Stück verkauft und daran kaum einen Cent verdient. Immerhin dankte es ihm die Plattenfirma mit einem Freibrief: Bei der nächsten darfst Du machen, was Du willst, und wir schenken sie Dir.

Das märchenhafte Leben des Michel Legrand läuft auf dem Kölner „See the Sound“-Festival, das ab diesem Mittwoch wieder die Höhepunkte des Musikfilmjahrs präsentiert – auf der großen Leinwand statt auf dem kleinen Bildschirm. Die Festivalnische bietet Platz für eine lange Liste an Berühmtheiten: „See the Sound“ zeigt Filme über Blur, John Lennon und Yoko Ono, Meredith Monk, Ol‘ Dirty Bastard und den Welthit „My Way“ – aus der Perspektive des Songs erzählt. Und entlegenes: von neuen Klängen aus Vietnam bis zum Akkordeonvirtuosen Otto Lechner aus Österreich. In den seltensten Fällen hält der filmische Einfallsreichtum dabei auch nur annähernd mit dem musikalischen mit. Aber das liegt nicht am Festival, sondern in der Natur des Genres.

Beim Legrand-Film lässt sich das leicht verschmerzen; die Dokumentation erzählt aus einem überreichen Leben und Werk. Die im sympathischen Heimvideo-Stil gehaltene „Blur“-Doku „To the End“ dagegen bietet dem Nicht-Fan wenig mehr als schöne Landschaftsbilder. „Monk in Pieces“ wiederum ist stilistisch weit entfernt vom Avantgardismus seines Gegenstands, der Sängerin, Komponistin, Choreografin und Performance-Künstlerin Meredith Monk. Aber die Regisseure nehmen ihr Publikum auf eine lehrreiche Zeitreise in die 1960er Jahre mit – mit David Byrne als Führer. Die Musikdoku-Manie, Stars über Stars sprechen zu lassen, führt selten zu tieferen oder wenigstens interessanten Einsichten; hier ist es anders.

Ein echter Publikumsliebling ist „My Way“ von Thierry Teston und Lisa Azuelos, der das Leben eines von Frank Sinatra unsterblich gemachten Evergreens erzählt. Geboren wurde er als „Comme d’habitude“ in Frankreich, ein Chanson, den Claude François über eine in Routine erstickte Ehe schrieb. Paul Anka machte daraus einen Song für den wegen seiner Mafia-Kontakte in Ungnade gefallenen Sinatra – und stellte dem Sänger damit den klangvollsten Persilschein der Musikgeschichte aus.

Das Regieduo erzählt diese bis zur Punkversion von Sid Vicious reichende Song-Karriere mit großer Liebe zum Detail, einer guten Auswahl an Archivmaterial - und lässt sogar einen Fachmann am Klavier vorführen, warum uns dieses zu Tode gedudelte Lied weiterhin zu Tränen rührt. „My Way“ ist auch deswegen ein ungewöhnlicher Musikfilm, weil die Musik in ihm die Hauptrolle spielt.


„See the Sound“, 9. bis 13. Juli, diverse Spielorte, Köln. Infos unter www.seethesound.de