Sky-Doku über Relotius-SkandalWeil nicht sein kann, was nicht sein darf

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Juan Moreno in der Sky-Doku über den Relotius-Skandal

Juan Moreno in der Sky-Doku über den Relotius-Skandal

Sky zeigt einen aufschlussreichen Dokumentarfilm über die Lügen des früheren „Spiegel“-Reporters Claas Relotius und die Folgen für die Branche.

Die Kamera fährt über das Ortseingangsschild einer amerikanischen Kleinstadt. „Welcome to Fergus Falls“ ist darauf zu lesen. Mehr nicht. Der Artikel, den ein Sprecher parallel vorliest, sagt etwas anderes: „Mexikaner bleibt weg!“ sei die zweite Botschaft. Das behauptete zumindest Claas Relotius in seiner „Spiegel“-Reportage „In einer kleinen Stadt“. Es ist nur eine von unzähligen Lügen, die der Journalist in seinen oft preisgekrönten Texten verbreitete.

Regisseur Daniel Sager hat für seinen Dokumentarfilm „Erfundene Wahrheit - Die Relotius Affäre“ viele Orte besucht, die in Relotius' Texten eine Rolle spielten. Er lässt die Menschen zu Wort kommen, denen der frühere Star-Reporter des „Spiegel“ wie im Fall von Fergus Falls Aussagen andichtete, die die Thesen seiner Artikel untermauerten, mit der Realität aber allzu oft nichts zu tun hatten. 

Juan Moreno drohte die Zerstörung seiner beruflichen Existenz

Es ist eine Stärke des Films, dass er die Menschen hinter den Geschichten zeigt. Die Journalistin Aisa Haidar hatte mit Relotius lange für einen Artikel über einen 13-Jährigen recherchiert, der möglicherweise eine Rolle beim Ausbruch des Syrien-Kriegs spielte. Irgendwann bootete Relotius sie aus, schreib den Artikel allein. Heute steht dieser Text in einer langen Reihe von mutmaßlich gefälschten Texten, ihre Arbeit, die auch ein Teil ihrer eigenen Lebensgeschichte war, ist zerstört.

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Die Zerstörung seiner beruflichen Existenz drohte auch Juan Moreno. Der freie Autor enttarnte seinen Kollegen, mit dem er einen Artikel über Menschen dies- und jenseits der amerikanisch-mexikanischen Grenze geschrieben hatte, nur durch seine Beharrlichkeit.

Zum ersten Mal ist in diesem Film das Video zu sehen, dass Moreno und ein befreundeter Fotograf von Tim Foley machten. Er war Protagonist in dem Artikel „Jaegers Grenze“. Doch anders als beschrieben, hatte Relotius ihn und seine Bürgerwehr, die auf eigene Faust die Grenze bewacht, nie getroffen. 

Beweise für Relotius' Lügen gab es schon viel früher

Die Verantwortlichen des „Spiegel“ glaubten Moreno trotz der erdrückenden Beweise anfangs nicht. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Auch der freie Kameramann Syara Kareb lieferte dem „Spiegel“ schon 18 Monate bevor Relotius aufflog, handfeste Beweise für dessen Lügen.

Von den damals Verantwortlichen bei dem Hamburger Nachrichtenmagazin wollte niemand mit den Filmemachern sprechen. Nur Stefan Klusmann, der aktuelle Chefredakteur, der aber erst nach dem Skandal in sein Amt kam, äußert sich.

Überraschend ist das nicht. Denn neben der Frage, wie es passieren konnte, dass Relotius' gewaltiges Lügengebilde so lange stehen blieb, beschäftigt sich der Film auch mit der Aufarbeitung der Affäre. Glaubt man dem Ermittler Paul Milata, der auf Betrugsfälle im Bereich der Wirtschaftskriminalität und Korruption spezialisiert ist, hat sich der Verlag auch da nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Es sei sehr ungewöhnlich, einen solchen Vorgang nicht extern untersuchen zu lassen.

Und Relotius selbst? Der wollte sich nicht äußern. Wie im Januar bekannt wurde, arbeitet er mittlerweile bei der Werbeagentur Jung von Matt. „Sagen was ist“, wie es Rudolf Augstein einst forderte, muss er dort nicht. 

„Erfundene Wahrheit - Die Relotius Affäre“ ist ab 24. März auf Sky documentaries, mit Sky Q und auf dem Streamingdienst Wow abrufbar.

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