So lief das TalkdebütDer freundliche Herr Merz bei Caren Miosga

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Caren Miosga sitzt mit Friedrich Merz im Studio ihres neuen Talks. Sie trägt eine blaue Bluse und eine rote Hose. Friedrich Merz trägt einen blauen Anzug

Caren Miosga (r), Moderatorin, spricht vor Beginn der Aufzeichnung ihrer Polittalk-Sendung „Caren Miosga“ mit ihrem Gast Friedrich Merz, CDU-Bundesvorsitzender.

Die Moderatorin war bei ihrer Talk-Premiere am Sonntagabend ruhig, fokussiert und gut vorbereitet. Doch zu viel Freundlichkeit kann auch problematisch sein.

Ein Licht ist Friedrich Merz am Sonntagabend in der ersten Ausgabe der neuen ARD-Talkshow „Caren Miosga“ wohl nicht aufgegangen. Der CDU-Vorsitzende steuerte zu der Nachfolgesendung von „Anne Will“ zumindest nichts bei, was man so oder ähnlich von ihm nicht schon zigmal gehört hat. Daran änderte auch nichts, dass Gastgeberin Miosga irgendwann eine schwarze Kaiser-Idell-Leuchte auf den Tisch stellte, die wie Merz aus dem sauerländischen Arnsberg stammt. 

Miosga zitierte daraufhin Christian Lindner, der mal gesagt haben soll, dass das Sauerland so schwarz sei, dass man auch tagsüber eine Lampe anzünden müsse. „Merz richtet die CDU neu aus - Wird Deutschlands Zukunft konservativ?“, lautete der Titel der Talk-Premiere. Was denn konservativ bedeute, wollte die 54-Jährige von dem CDU-Politiker wissen, und dieser warf mit einer Floskel nach der nächsten um sich: „Das Gute bewahren, für das Neue offen sein, den Fortschritt erklären.“ Wow, da steht das nächste Wahlplakat doch schon. Und das passende, aufgesetzte Lächeln hatte Merz auch gleich angeknipst.

Miosga will keinen inszenierten Krawall

Sie wolle keinen inszenierten Krawall, hatte Miosga im Vorfeld ihrer Talk-Premiere gesagt. Und sie hat ja recht, der Erkenntnisgewinn ist solchen Runden in der Tat meist erschreckend gering. Aber Merz in der heimeligen Atmosphäre ihres Studios - was genau soll eigentlich dieses Bauklötzchen-Logo, das am unteren Bildrand eingeblendet wurde? - mit Freundlichkeit einzulullen, ging auch nur bedingt auf. 

Ob er die Ängste der Hunderttausenden Demonstranten am Wochenende in ganz Deutschland teile, wollte sie wissen. Merz nannte die Demos ein ermutigendes Zeichen für die Demokratie. Und warum waren nur so wenige vom Spitzenpersonal der Christdemokraten mitgelaufen? „Wir machen da schon mit“, betonte er. Warum war er selbst nicht dabei? Er sei ja auf dem Weg zu ihrer Talkshow gewesen.

Eine Nazi-Partei, wie NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst es formuliert hat, wollte er die AfD, gegen deren Vertreibungspläne sich die Demonstranten in vielen deutschen Städten richteten, nicht nennen. „Die Nazi-Keule bring uns nicht weiter.“ Es gebe in dieser Partei richtige Nationalsozialisten, aber das treffe nicht auf alle Wähler zu. „Wenn wir die zurückgewinnen wollen, dürfen wir sie nicht beschimpfen.“

Eine knappe halbe Stunde sprach Miosga nur mit Merz. Es war eine ruhige, unaufgeregte Gesprächsatmosphäre, aber viel zu selten hakte sie so hartnäckig nach wie bei der Frage, ob er der nächste Kanzlerkandidat der Union werde - die gebetsmühlenartig wiederholte Antwort lautete „Das entscheiden wir im Spätsommer 2024“. 

Bei konkreten Fragen kam Merz ins Schwimmen

Einmal, als Merz erklärte, gegenwärtig könne Deutschland auf die Option Kernkraft nicht verzichten, wurde Misoga deutlich. Neue Kraftwerke zu bauen, dauere zehn Jahre. Solche Schaufensterpolitik helfe in der momentanen Lage nicht. Merz' schlichte Reaktion: „Das ist wahr.“ Überhaupt kam er immer dann ins Schwimmen, wenn er sich nicht als großer Denker der CDU inszenieren durfte, sondern konkrete Fragen beantworten sollte. „Warum kommen Sie bei Frauen nicht so gut an?“, wollte Miosga etwa wissen. Diese These stimme in dieser Allgemeinheit nicht, behauptete Merz. Mehr fiel ihm dazu nicht ein.

Miosgas Ansatz, nicht nur auf Aufsagen zu zielen, die sich gut bei Social Media vermarkten lassen - Merz' X-Account feuerte dennoch einen Tweet nach dem nächsten raus - ist gut und interessant. Krawall gibt es nun wirklich genug. Aber etwas mehr Dagegenhalten hätte man sich doch gewünscht.

Merz' unzählige populistische Ausfälle der vergangenen Zeit - von „kleinen Paschas“ in Schulen bis zur steilen These, dass sich Migranten erst mal in Deutschland die Zähne machen ließen - waren erst im zweiten Teil der einstündigen Sendung in Einspielern Thema. Doch die wischte Merz mit den Worten weg, ein Oppositionsführer dürfe eben auch mal zuspitzen. 

Eine Journalistin und ein Soziologe ergänzten die Runde im zweiten Teil

Sein offensichtlicher und gefährlicher Ansatz, durch solche Rhetorik der AfD Wählerinnen und Wähler zu abspenstig machen zu wollen, wurde deutlicher angesprochen, als die Runde um den Soziologen Armin Nassehi und die Journalistin Anne Hähnig, Redaktionsleiterin der „Zeit“ im Osten Deutschlands, erweitert wurde. Auch diese beiden waren übrigens nicht auf Krawall aus.

„Ich nehme AfD-Wählen als sehr bewusste politische Entscheidung wahr“, sagte Hähnig. Die Partei zu imitieren, helfe nicht. Sie werde von diesem Verhalten nicht geschwächt. „Diese Wähler halten den Nationalstaat für schwach.“ Sie glaubten nicht, dass die demokratischen Parteien stark genug seien, solche Pläne auch zu verwirklichen. „Sie sehen, dass die Populisten in anderen Ländern sie konsequenter umsetzen“, so Hähnig.

Als sie Merz vorwarf, seine Brandmauer gegen die AfD sei doch sehr schwammig, legte der CDU-Vorsitzende das freundliche Dauerlächeln dann auch ab. Es gehe in der Kommunalpolitik um alltägliche Dinge wie Zebrastreifen und Krankenhäuser. „Sollen wir Anträge zurückziehen, weil die AfD ihnen zustimmt?“

Auf die Frage, wie er etwa in Thüringen nach der Landtagswahl im September einen AfD-Ministerpräsidenten Björn Höcke verhindern wolle, wenn er die Zusammenarbeit nicht nur mit der AfD, sondern auch mit den Linken ausschließt, fiel Merz nicht mehr ein als zu sagen, man kämpfe dafür, dass es zu einer solchen Situation nicht komme. 

Armin Nassehi stützte Hähnigs Aussagen und ergänzte, eine Kernerzählung der AfD sei die „Inkompetenzunterstellung“. Sie behaupte, wichtige Fragen könnten von den anderen Parteien nicht gelöst werden, denn diese hätten die Kontrolle verloren. Und der Soziologe stellte zu Recht die These in den Raum, ob Migration wirklich das politische Hauptthema unserer Zeit sei, wie es von der AfD im politischen Diskurs permanent behauptet wird. Horst Seehofer habe Migration die Mutter aller Probleme genannt. So spiele man das Spiel der AFD mit. „Den Diskurs, dass wir ein erfolgreiches Einwanderungsland sind, führen wir nicht oft genug.“ Da widersprach nicht mal Friedrich Merz.

Und wie fällt nun das Fazit der ersten Ausgabe von „Caren Miosga“ aus? Alles in allem hat die Sendung Potenzial. Die 54-Jährige war konzentriert, ruhig, sehr gut vorbereitet. An der ein oder anderen Stelle bewies sie, dass man auch in freundlichem Ton die wunden Punkte des Gegenübers ansprechen kann. Wenn sie noch mehr von solchen Momenten herbeiführt, kann ihr Talk eine echte Alternative zu den oft erwartbaren Runden in deutschen Politik-Talkshows werden.   

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