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Schweres Schweben, leichte KraftSo war das Kölner Moovy-Tanzfilmfestival bisher

3 min
Moovy-Festival: Fountains (Fragments), deufert&plitschke

Die Installation Fountains (Fragments) vom Deutsch-Finnischen Künstlerduo deufert&plitschke befasst sich mit Körpern und Tabus.

Das Moovy-Tanzfilmfestival ist eine bemerkenswerte Kölner Spezialität. Die diesjährige Ausgabe punktet mit einem besonders reichhaltigen Programm.

Versinken! Im steigenden Wasser, im Spiel, im Gespenstergestöber, oder in den Sitz zu sinken vor Scham. Das Moovy-Tanzfilmfestival, geleitet von Ágota Harmati, führt seit 2017 jährlich eine Menge kurze, auch längere Tanzfilme unterschiedlicher Machart vor. Diesmal kommen sie aus aller Welt und aus Wuppertal. Doch die seltsamsten Entdeckungen macht man bei Moovy mit Filmen der Virtual und Augmented Realitiy, VR und AR, mit dicker Bildschirmbrille auf der Nase. Denen widmete sich das vorige Wochenende in der Tanzfaktur.

Der Begriff Tanz ist Impuls. Die Zuschauer selber geraten in Bewegung: mit dem Kopf, von vorn bis hinten, unten, oben, mit dem Hirn, den Armen, die Glühstriche umherstäuben, und stellenweise mit dem ganzen Körper: wenn man gebückt große Pixelmuscheln umkippt, kullert, in die Höhe bugsiert.

360-Grad-Filme versetzen Zuschauende in neue Dimensionen

Bei 360-Grad-Filmen erspähte man die Tänzer hinterm eigenen Rücken, plötzlich waren sie vorn oder standen scheinbar über einem. Am Himmel zogen Wolken, am Boden graue Graswüste, in der das Tänzerpaar visuellen Halt gab. Sie selber fanden ihn körperlich, um sich dann in die Quere zu kommen bei „See through“ von Ofra Idel.

Moovy-Festival: Hijin Lee - In the Head

Augmented Reality: „In The Head“ von Hijin Lee

Tore Knabes „Reverse Turing Test” setzt einen per VR-Brille in ein Zugabteil. Man personifiziert Dschingis Khan (ersichtlich am Spiegelbild im Zugfenster) und wird als Schwarzfahrer entlarvt, weil man ein Mensch ist und keine „KI“, also mit KI hirngefütterte Figur wie die Mitreisenden. Die geben wohlgestalte Sätze von sich und kommentieren das nervöse Gestotter Suchy-Khans auf die Frage nach dem besten Angriff aus der Wüste höflich herablassend.

Hojin Lees „D.I. – In the Head” nebenan verwirrt mit AR. Gezeichnete Gespenster sausen, andere hocken traurig erstarrt. Spiegel vervielfachen das Geschehen, öffnen neue falsche Räume, und die eigenen Hände werden sichtbar, schwarz, und fingern wie in einem Puppentheater in den Rahmen, mitten im Gesause; und was gefilmt ist, was realer Spiegel im Tanzfaktur-Keller, bleibt Rätsel.

Weitere Filme gibt es am letzten Novemberwochenende im Filmforum NRW im Museum Ludwig

Ein Boden spiegelt im rotplüschigen Theatersaal in „Oneironautika II“ von Laurenz Ulrich und Charlotte Triebus aus Düsseldorf: die Bühnenfläche aus sanft schwappendem Wasser, wie für Narziss gemacht, komplett digital. Aber es steigt an, mit ihr die Zuschauerin, die den majestätischen Raum wie von einem Floß aus betrachtet und per Knopfdruck navigiert. Auch hier wieder ein Tänzerpaar im Einsatz, diesmal aus Skizzenstrichen, das sich um Nähe oder Einigkeit bemüht und scheitert.

Die Technik des Filmens und der Herstellung digitaler Welten verändert sich. Bilder werden schärfer, scheinbar realer. Dass die Geschehen in und mit den Brillen relativ kurz sind, ist gut und genug. Nur Installationen wie „Turbulenz“ von Norbert Pape und Simon Speiser, die Text integrieren, Physik und Philosophie, Videoleinwand und VR-Muschelnhaschen wie unter Wasser, brauchen mehr Geduld. 

Am letzten Festivalwochenende, 28. und 29. November, präsentiert das Festival weitere Tanzfilme im Filmforum NRW im Ludwig-Museum. Online durchgehend Ultrakurzfilme von Kölner Tanzkünstlerinnen und -künstlern. Infos und Link unter www.moovy-festival.com