So war der „Tatort“Mordfall um Familiendynastie fehlt eine klare Linie

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Felix Voss (Fabian Hinrichs) und Eva Hentschel (Sina Martens) gehen in Deckung. Hinter ihnen sieht man die steinernen Überbleinsel einer Hütte.

Felix Voss (Fabian Hinrichs) und Eva Hentschel (Sina Martens) im Tatort „Hochamt für Toni“

Der Tatort „Hochamt für Toni“ behandelt den Streit in einer Familiendynastie. Die Folge scheitert an einer Vermischung von Genres und zeigt einen fragwürdigen Klassismus.

Es kann eigentlich kein Zufall sein. Kommissar Felix Voss (Fabian Hinrichs) steht kurz vor einer wichtigen Enthüllung zu seiner Freundin Toni. Ein gemeinsamer Freund, der Priester Marcus Borchert (Pirmin Sedlmeir), hatte die Enthüllung angekündigt und Voss dafür zu seinem Gottesdienst eingeladen. Doch dann wird der Geistliche in der Kirche erstochen, bevor er auf die Kanzel tritt.

Die örtliche Polizei schließt aufgrund einiger gestohlener Wertsachen darauf, dass es sich um einen Raubmord handeln müsse. Mit dieser Erklärung gibt sich Voss nicht zufrieden. Auch wenn er damit seine Zuständigkeit überschreitet, beginnt er selbst zu ermitteln.

Der Mordfall im „Tatort“ aus Franken

Doch zum ersten Schicksalsschlag gesellt sich schon ein zweiter. Er erfährt, dass seine Jugendfreundin und alte Flamme Toni Selbstmord begangen haben soll. Als er Tonis Familie, die Henschels, nach den Geschehnissen fragt, wird er brüsk abgewiesen. Von der Hütte, in der sie lebte und angeblich verbrannt ist, stehen nur noch die Umrisse. Von der Leiche ist nach dem Brand kaum etwas übrig. Voss vermutet, dass hier jemand ein Verbrechen vertuschen wollte, und richtet seinen Verdacht auf Tonis Familie.

Bei den Henschels handelt es sich um eine Familiendynastie, die die beschauliche Ortschaft durch ihre Geschäfte prägt. Schnell wird deutlich, dass der Patriarch der Familie, Johannes Hentschel (André Jung), nicht den Wunsch hat, die Investoren mit einer Mordermittlung um seine Tochter aufzuscheuchen. Auch die Erben des Imperiums Lukas Hentschel (Sebastian Zimmler) und Christian Hentschel (Johannes Allmayer) zeigen sich gegenüber Voss verschwiegen und unkooperativ.

„Ein Hochamt für Toni“ zeigt ein Familiendrama im „Tatort“ aus Franken

Rückendeckung bekommt Voss aber von seiner Kollegin Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel). Und auch die jüngste Tochter des Hentschel-Clans, Eva Hentschel (Sina Martens) treibt die Neugier um das Schicksal ihrer verstorbenen Schwester um, weswegen sie mit Voss redet.

Es ergibt sich eine spannende Familienkonstellation, bei der die eigentlich klar zu scheinenden Machtverhältnisse im Verlauf der Folge kippen. Denn die Mutter Anna Hentschel (Marita Breuer), die ganz harmlos daherkommt, scheint den Vater vor sich herzutreiben. Sie ist schließlich die reiche Familienerbin und er derjenige, der durch die Heirat mit ihr in die Firma kam. 

Allmählich bringt die Ermittlung allerlei Schmutz in der Familie zutage. Die Gebrüder Hentschel sind in Burschenschaften unterwegs und Lukas hat bereits Sexualdelikte, die die Familie mit ihrem Geld begraben konnte. Und es stellt sich heraus, dass Toni ihre Familie verklagt hatte. Sie wurde bei der Firmenführung übergangen, weil sie eine Frau ist. Ihre Anwältin verrät Ringelhahn, dass Toni durchaus realistische Chancen hatte, den Gerichtsfall zu gewinnen. 

Die Auflösung zum ARD-„Tatort“

Am Ende ergibt sich die Wahrheit auch dadurch, dass Eva ihre Familie weiter mit Toni konfrontiert. Wie sich herausstellt, ist Toni nämlich gar nicht tot. Die Leiche, die in der verbrannten Hütte gefunden wurde, ist in Wahrheit eine verschwundene Sexarbeiterin, die Lukas Henschel tötete. Toni half dabei, die Straftat zu vertuschen, indem sie mit Lukas ihren Selbstmord inszenierte. 

Im Gegensatz dazu unterschlug Lukas jede Menge Geld vom Familienunternehmen, um Toni doch noch zu ihrem Recht zu verhelfen. Da Borchert belastendes Videomaterial fand und alles enthüllen wollte, tötete Lukas den Geistlichen. 

Voss bekommt noch ein letztes Mal die Chance, Toni zu sehen, die sich nach der aufgeflogenen Affäre stellen möchte. Doch statt auf sie zu warten, fährt er seiner Kollegin Ringelhahn hinterher und zurück nach Hause. Er sieht nur noch, wie Toni mit dem Taxi an ihm vorbeifährt. 

Das Fazit zum „Tatort“ aus Franken

Rein optisch hat der Tatort etwas zu bieten. Die Sicht auf die fränkischen Landschaften lassen den Eindruck entstehen, hier spreche eine Filmförderung in den Tatort hinein. Die Überblendung der Ermittlung mit Voss Erinnerungen überzeugt. 

Auch die Familiendynamik und die Machtverhältnisse, die sich im Verlauf der Folge stark zur Matriarchin verschieben, erzeugen einiges an Spannung. Johannes Hentschels Verwandlung vom auf den Tisch hauenden Vater zu „Möchte noch jemand Kaffee?“ geschieht subtil und wird gut plausibilisiert. Die Verflechtung der Familienszenen mit der Ermittlung gelingen durchweg. 

Im fränkischen Tatort stehlen sich die Bestandteile gegenseitig die Glaubwürdigkeit

Die Handlung des Tatorts kommt aber nicht über das Mittelmaß hinaus. Das liegt auch in einer seltsamen Vermischung der Tropen, sodass trotz des durch die Musik klar gesetzten Tons keine klare Linie zu sehen ist. Die Dreiecksbeziehung von Voss, Borchert und Toni Hentschel hat in seinen Rückblenden eine Spur von Coming-of-Age, Lukas Hentschels wahnsinniger Ausdruck und Sportschützen-Geballler samt Schwesternentführung erinnert an Thriller, der Hentschel-Thronfolge-Streit an ein Familiendrama und der inszenierte Selbstmord Tonis an einen Heist-Movie. Die Teile werden letztlich nicht so zusammengeführt, dass die Folge rund wird. Vielmehr nehmen sie sich ihre Glaubwürdigkeit.

Zudem liegt der Folge ein sehr fragwürdiger Klassismus zugrunde. Eine verschwundene und ermordete Sexarbeiterin wird nur im Vorbeigehen und als Konflikt einer überprivilegierten Familie erzählt, die sich letztlich nur um sich selbst dreht. Die starke Fokalisierung auf Voss, der nur Toni im Kopf hat, unterstützt weiter die Sympathie an eine Person, die in ihrem letzten Stinkefinger an ihre Familie auch über Leichen geht.

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