Auch der zweite Tatort nach der Sommerpause versucht sich an einem Experiment. „Erbarmen. Zu spät.“ ist ein stimmungsvoller, aber langsamer Krimi.
So wird der TatortEin Krimi wie eine nächtliche Autofahrt

Paul Brix (Wolfram Koch) beim Tatort mit dem Titel: „Erbarmen. Zu spät.“
Copyright: HR/U5 Filmproduktion
Die Tatort-Experimente gehen weiter. Nachdem schon in der Vorwoche die Folge „Gold“ (Ausstrahlung am 03.09.) einen recht ungewöhnlichen Ansatz gewählt hatte, versucht sich auch der Frankfurter Tatort am 10.09. mit „Erbarmen. Zu spät.“ an einen unkonventionellen Krimi.
Der Beginn ist dabei noch harmlos. Wir verfolgen den Polizisten Simon Laby (Sebastian Klein), der mit dem Kopf nicht ganz bei der Arbeit zu sein scheint. Einen Raser ignoriert er schlichtweg, und als er auf einem Tankstellen-Parkplatz ein paar kiffende Jugendliche in einem Auto bemerkt, lässt er sie mit einer Warnung davonkommen.
„Tatort: Erbarmen. Zu spät.“ zeigt eine düstere Schnitzeljagd
Später trifft er an einer Landstraße im Nirgendwo zwei Fremde. Offenbar ist Laby mit ihnen auf kriminelle Weise verstrickt, möchte sich aber aus allem zurückziehen, weil seine Frau ein Kind erwartet. Als Zuschauer merkt man schnell, dass die Fremden Laby nicht gleiche Gnade erweisen werden, die er den Teenagern zukommen ließ.
Einer der beiden Fremden macht dabei einen sehr nachdenklichen Eindruck. Und schon in der nächsten Szene sitzt dieser Beifahrer, ein Mann namens Anton Schilling (Niels Bormann), mit Handschellen in einem Polizeiauto. Schilling soll ihnen verraten, wo sie Labys Leiche vergraben haben. Eine kleine Polizeikolonne kutschiert den mutmaßlichen Täter entlang einiger Felder, um zu sehen, ob er sich trotz der Dunkelheit an die Stelle erinnert.
Ermittler Paul Brix kommt mit dem Fall an die Grenzen seiner Geduld
Doch wann immer die Polizisten anhalten, weil Schilling an den Feldern am Waldrand etwas zu erkennen glaubt, macht er wieder einen Rückzieher. „Das war irgendwie'n Acker, aber anders“. Die Schnitzeljagd wird Kommissar Paul Brix (Wolfram Koch) nach dem dritten Halt mit vagen Hinweisen zu blöd. Er ahnt, dass Schilling sie alle hinhält. Dabei hatte er sich doch selbst der Polizei gestellt; es ist also nicht ersichtlich, warum er lügen sollte.
Parallel dazu befragt die Ermittlerin Anna Janneke (Margarita Broich), Labys Frau und bekommt einen entscheidenden Hinweis. Laby traf sich öfter mit Freunden in einer Waldhütte zum Grillen. Als Brix und Janneke die Schnitzeljagd mit Schilling ihren Kollegen überlassen und die Waldhütte aufsuchen, machen sie einen verstörenden Fund.
Am Sonntag wartet ein stimmungsvoller, aber langsamer Krimi
Es ist ein im wahrsten Sinne des Wortes düsterer Tatort. Da sich ein Großteil der Handlung auf einer dunklen Landstraße abspielt, bekommt der Fall trotz wechselnder Schauplätze einen kammerspielartigen Charakter. Surreale Lichteffekte und der elektronische Soundtrack, der an Sci-Fi-Klassiker wie „Blade Runner“ erinnert, fangen diese Stimmung wunderbar ein. Noch dazu erzählen die Figuren immer wieder kleine Geschichten, die dieses trostlose Gefühl weiter ausbauen.
Die Folge erfordert aber viel Geduld. Mit glazialer Langsamkeit verfolgen wir die Polizisten sicher eine halbe Stunde dabei, wie sie im Dunkeln stochern. Auch ein paar Wendungen verschaffen dem Fall kein wirkliches Tempo, und die Dunkelheit wird zunehmend eintönig. Eine Spannung, die einen im Atem hält, sucht man hier vergeblich. Trotzdem lohnt es sich einzuschalten: „Erbarmen. Zu spät.“ ist ein sehr stimmungsvoller und kluger Krimi mit einem Ende, das die meisten überraschen dürfte.