Spielzeitauftakt am Schauspiel KölnIn Mülheim werden Mauern hochgezogen — und abgebaut

Lesezeit 2 Minuten
„Im Anfang war der Zaun“,eine performative Kartografie gegenwärtiger Mauern
von what about: fuego
Regie: María F. Giacaman
 
Konzept & Stückentwicklung: what about: fuego
Regie: María F. Giacaman
Text: María F. Giacaman • Miriam Bini Schmidt
Szenografie & Kostüme: Linda Bühlmann
Outside Eye: Miriam Bini Schmidt
Licht- & Videodesign: Friederike Hänsel
Sounddesign: Juan Giacaman
Licht: Michael Frank
Dramaturgie: Stawrula Panagiotaki
 
Foto: Tommy Hetzel

Szene aus „Im Anfang war der Zaun“

Das Kollektiv what about: fuego eröffnete im Depot 2 mit dem Recherche-Stück „Im Anfang war der Zaun“ die letzte Kölner Spielzeit von Stefan Bachmann. 

Ein leerer Raum, von Mauern begrenzt, sonst wäre es keiner, aber ansonsten: offen und unbestimmt. Und ohne vierte Wand. Freundlich begrüßen die drei Performer — Anja Laïs,   Ignacia González Torres und Paul Basonga — jeden einzelnen Zuschauenden. Sie tragen Blaumänner, sie wollen heute Abend nicht schauspielern, nichts darstellen, sie wollen mit uns arbeiten, mit uns eine Kartografie gegenwärtiger Mauern und Grenzzäune teilen.

Das Kollektiv what about: fuego hat sich erst 2020 aus Künstlerinnen (und einem Künstler) aus Berlin, Hildesheim, Basel und Santiago de Chile gegründet, um an der „Schnittstelle von sozialem Aufbegehren, komplexer Globalität und Ungerechtigkeit“ zu forschen, gemeinsam mit dem Publikum. Jetzt darf what about: fuego mit „Im Anfang war der Zaun“ (Text: Miriam Bini Schmidt und María F. Giacaman) die Kölner Spielzeit im Depot 2 eröffnen, genau zehn Jahre nach Stefan Bachmanns Schritt in die Peripherie.

Ohne Grenzen gibt es keine Peripherie, noch nicht einmal im Rechtsrheinischen

Und genau darum, geht es zu Anfangs auch: Um einen grenzenlosen Urzustand, in dem alles Gebiet war, in dem es kein Zentrum und keine Peripherie gab. Aber durchaus natürliche Grenzen, Berge, Flüsse, denn ohne solche kann nun mal keine Kultur entstehen. Doch der Abend leistet sich keinen Exkurs in Luhmann'sche Systemtheorie, es soll ja um künstliche Grenzen gehen, um Mauern, die Gemeinschaft behaupten, in dem sie Menschen trennen und Gemeinschaften auseinanderreißen.

Die drei erzählen Kindheitsgeschichten, agieren erste Begegnungen mit Mauern und Zäunen aus, Begrenzungen ihres unendlichen Möglichkeitsraums.   Es ist Anja Laïs' Erzählung, die dem Abend sein Fundament verleiht, denn sie ist in West-Berlin im Schatten der Mauer aufgewachsen, die man meint, wenn man den bestimmten Artikel benutzt.

Deren Fall markierte, referieren die Performer, nicht das Ende der Geschichte, sondern den Beginn eines globalen Eingrenzungs- und Abschottungsbooms. Leitern zur werden zur Mauerschau bestiegen, Papierbahnen von der Decke ausgerollt, eine Glastischplatte wird in die Senkrechte gekippt und geweißelt. Sie dient, wie die Papierbahnen, als Metapher und Projektionsfläche. Und das gilt auch für die Körper der Performer, sie verhaken sich zum Bollwerk, ihre gekrümmten Schattenrisse bilden erst Wälle, dann, in einer Kartografie der Menschlichkeit, Kontinente. Ein kluger, unaufdringlicher Abend, eine Ideal-Entsprechung von künstlerischen Mitteln und Thema.

Nächste Termine: 9., 20. September, 8., 19. Oktober, 90 Minuten, keine Pause, Depot 2

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