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Interview

Stefan Charles
„Ich fand es unschön, wie Nanette Snoep angegriffen wurde“

4 min
Schriftzug des Rautenstrauch-Joest-Museums an der Hausfassade

Das Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln 

Kulturdezernent Stefan Charles über die Probleme am Rautenstrauch-Joest-Museum und die mauen Besucherzahlen in den Kölner Museen. 

Herr Charles, in der letzten Woche hat der Sammler Karl-Ludwig Kley der Direktorin des Rautenstrauch-Joest-Museums, Nanette Snoep, vorgeworfen, die Museumsarbeit einseitig zu ideologisieren. Das Ganze kulminierte in der Hoffnung, Snoeps Amtszeit möge ein „Ausrutscher“ bleiben. Wie bewerten Sie die Arbeit der RJM-Direktorin?

Sammler dürfen ihre Meinung haben und diese äußern. Aber ich fand es unschön, in welcher Form Nanette Snoep hier angegriffen wurde. Sie bringt inhaltlich wie programmatisch eine gute Leistung, ihre Arbeit ist national wie international anerkannt. Die Kritik an Nanette Snoep zeigt, dass sich die ethnologischen Museen in einer Transformation befinden. Es verändern sich gewisse Dinge, und Veränderungen sind nicht für alle Menschen gleich gut. Allerdings vertritt Snoep genau die Positionen, die auch vom International Council of Museums empfohlen werden.

Auch innerhalb der RJM-Belegschaft gibt es eine starke Opposition gegen Nanette Snoep. Gehört das zu den Geburtsschwierigkeiten des neuen RJMs?

Ich weiß von den Schwierigkeiten innerhalb des Museumsteams und bin in der Sache persönlich engagiert, führe viele Gespräche mit den Mitarbeitenden. Wir haben verschiedene Prozesse angestoßen, um die Situation zu verbessern, etwa die Trennung zwischen künstlerischer und geschäftsführender Leitung. Am 1. Januar 2025 hat Anne Fischer ihre Arbeit aufgenommen, um die internen Abläufe genau anzuschauen.

Nanette Snoeps Themen wurden national und international stark nachgefragt, das ist auch ein Reputationsgewinn
Stefan Charles

Hat sich das Betriebsklima verbessert?

Wir stehen noch am Anfang.

Es heißt, die Arbeitsbelastung am RJM sei sehr hoch, weil offene Stelle zu langsam nachbesetzt werden.

Stellenbesetzungen sind in allen Museen ein Thema. Die Personaldecke im RJM, aber auch in anderen Kölner Museen ist sehr dünn. Wir sind mit den Häusern derzeit in der Analyse, was gut läuft und was nicht, wo die Ressourcen für die gestellten Aufgaben ausreichen und wo nicht. Wie schnell Stellen nachbesetzt werden, ist nicht der Museumslogik unterworfen, sondern den Verwaltungsvorgaben. Wir versuchen, die Fristen kurz zu halten, aber das Museum hätte gerne, dass alles viel schneller ginge.

Anne Fischer hat auch eine doppelte Arbeitsbelastung: als geschäftsführende Direktorin gleich zweier Museen, dem RJM und dem Museum für Ostasiatische Kunst. Kann sie sich dem RJM überhaupt mit der gebotenen Kraft widmen?

Wir haben intensiv darüber gesprochen, wie diese Aufteilung funktionieren soll. Am Anfang hat sich Anne Fischer vor allem der Personalsituation am RJM gewidmet, weil ihr das am dringendsten erschien. Mittlerweile ist sie auch häufiger im MOK zu sehen. Ideal wäre gewesen, für beide Häuser Co-Direktorinnen zu engagieren. Dafür fehlen uns aber die Mittel. Im Moment sind wir in der Testphase, ob es so klappen kann.

Kulturdezernent Stefan Charles

Kulturdezernent Stefan Charles

Was hat denn schon geklappt?

Anne Fischer war stark an der kommenden „Amazonia“-Ausstellung im RJM beteiligt, das war sehr aufwendig. Und wir haben die Ausschreibung für die Gastronomie im MOK auf den Weg gebracht. Sie hat die wichtigen Dinge erkannt und arbeitet sich voran.

Die „Amazonia“-Ausstellung ist erst die zweite große Sonderausstellung des RJM unter Snoeps Direktion. Ist das nicht zu wenig für dieses Haus?

Das ist ein wichtiger Punkt. Ich habe eine Museumsoffensive ausgerufen und bin überzeugt, dass die Museen zusätzliche Potenziale haben, auch hinsichtlich der Besucherzahlen. Laut einer Analyse der Unternehmensberatungsfirma Actori sind zwei Millionen Besucher jährlich für die Kölner Museen möglich. Dafür müssen einige Punkte erfüllt sein, unter anderem attraktive Sonderausstellungen. Aber das ist nur ein Baustein von vielen. Es geht auch um Infrastruktur, Marketing, Kommunikation, Nachhaltigkeit. Es braucht ein solides Fundament der Museumsarbeit. Das ist die Voraussetzung, um sagen zu können: Darauf setzen wir jetzt einen Publikumsmagneten.

Trotzdem: Eine große Ausstellung in fünf Jahren?

Unter Nanette Snoep wurde das RJM über Köln hinaus wahrgenommen. Ihre Themen wurden national und international stark nachgefragt, das ist auch ein Reputationsgewinn. Zu sagen, das wäre weniger wert als die Zahl der Sonderausstellungen, finde ich zu kurz gegriffen. Es ist wohl ein frommer Wunsch, dass die Museumsdirektoren immer beides im Blick haben können. Aber auch hier kann eine geschäftsführende Direktion helfen, die Ziele zu erreichen.

Ende 2026 endet Nanettes Snoeps Vertrag. Wollen Sie ihn verlängern?

Darüber werden wir zu gegebener Zeit informieren.

Zu Ihrer Museumsoffensive: Genügen dafür die Ausstellungsetats?

Mit den augenblicklichen Mitteln ist das kaum zu schaffen. Die „Amazonia“-Ausstellung kommt nur deswegen zustande, weil ein finanziell potenter Partner mit im Boot ist. Zukünftig müssen wir mehr Eigen- und Drittmittel generieren und stärkere Ressourcen erzeugen, um unsere Museen erfolgreich bespielen zu können.

Im nächsten Jahr will das Museum Ludwig mit einer Ausstellung 300.000 Besucherinnen und Besucher ins Haus holen
Stefan Charles

Genügt das, um die kleineren Museen aus dem Besuchertief zu holen?

Nein, wir brauchen beispielsweise einen gemeinsamen Marketingpool für die Kölner Museen. Im Kleinen gibt es das schon, aber das reicht nicht. Wir haben viel vor. Im nächsten Jahr will das Museum Ludwig mit einer Ausstellung 300.000 Besucherinnen und Besucher ins Haus holen, hierfür braucht es eine bundesweite Marketingkampagne. Um diesen Marketingpool sollen sich alle Museen mit ihren Sonderausstellungen und Eröffnungen bewerben können.

Wie wollen Sie ihre Ziele finanzieren?

Wir werden mit den steigenden Besucherzahlen massiv mehr Einnahmen generieren. Wir sind im Moment bei durchschnittlich drei Euro pro Gast, das liegt am relativ hohen Anteil nicht-zahlender Besucher. Wenn wir unsere geplante Museumsstrategie bis 2029 erfolgreich umsetzen, können wir bis zu neun Euro pro Besucher generieren. Nehmen Sie das mal zwei Millionen, dann haben Sie 18 Millionen Euro in der Kasse. Wenn Sie die Hälfte davon in einen gemeinsamen Ausstellungs- und Marketingetat stecken, lässt sich das Potenzial der Kölner Museumsfamilie viel besser ausschöpfen. Deren Vielfalt finden Sie selbst im Wiener Museumsquartier nicht in dieser Form. Auch das Potenzial bei den Besuchern ist da: Es gibt im Umkreis 9,1 Millionen Menschen, die innerhalb einer Stunde in der Kölner Innenstadt sind.

Sie haben vom potenten Partner der „Amazonia“-Ausstellung gesprochen. Wie wir hören, hat es ihm die Stadt nicht gerade leicht gemacht, ihr das Geld zu überweisen.

Wir mussten komplexe Sponsoring-Verträge abschließen, und wie Sie es von uns kennen, waren viele Ämter damit beschäftigt. Solche Prozesse müssten einfacher und schneller gehen, das wissen wir. In diesem speziellen Fall hat es besonders lang gedauert, weil ein Teil des Geldes aus der Schweiz kam. Jetzt, wo das gelungen ist, kann sich das Museum auf die Vorbereitung der Ausstellung konzentrieren, die weltweit bereits zweieinhalb Millionen Besucher in die Museen geholt hat.