„Das war nicht gewollt“Faeser räumt bei „Reichsbürger“-Razzia Fehler ein

Lesezeit 3 Minuten
Nancy Faeser hat sich bei Anne Will zur „Reichsbürger“-Razzia geäußert.

Nancy Faeser hat sich bei Anne Will zur „Reichsbürger“-Razzia geäußert.

Wie gefährlich ist die Terrorgefahr aus der „Reichsbürger“-Szene? Und wurden Verdächtige vor der Polizei gewarnt? Diesen Fragen ist Anne Will mit ihren Gästen nachgegangen.

Eine mutmaßliche terroristische Vereinigung aus der „Reichsbürger“-Szene soll einen gewaltsamen Staatsstreich geplant haben. „Wie gefährlich sind diese Leute? Wie groß ist die Terrorgefahr, die von ihnen ausgeht?“, diesen Fragen ging Moderatorin Anne Will am Sonntagabend mit ihren Gästen nach.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser nannte die Verdachtsfälle „sehr ernst zu nehmend“. Sie sprach von „Umsturzfantasien“ und „sehr genauen Planungen“. Auch NRW‑Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte, er sei überrascht gewesen, wie konkret die Pläne der Verdächtigen gewesen seien.

Doch wie ernst muss man die Umsturzpläne der „Reichsbürger“ nehmen? Der ehemalige Bundes­innenminister Gerhart Baum (FDP) räumte ein, es habe viele Hinweise gegeben, dass diese Menschen gefährlich seien. Er relativierte jedoch: „Dass sie einen Staatsstreich durchführen, das sehe ich aber nicht.“ Gleichzeitig berichtete der FDP‑Politiker, dass der Verfassungsschutz die aktuellen Entwicklungen mit Sorge beobachte. Anhänger diverser Verschwörungstheorien seien „ausgewandert aus unserem System“, erklärte er. „Wir müssen auf alle diese Gruppen unseren Blick richten.“

Baum warnte vor einer „Infektion der Mitte“: „Die Akzeptanz für rechte Ideen ist viel größer als für linke. Hier sind Leute, die beginnen, das Volk zu erreichen, und das macht mir Sorgen.“

Kritik: Verdächtige vor Razzien vorgewarnt

Linken-Parteivorsitzende Janine Wissler forderte unterdessen, „Reichsbürger“ nicht als „Spinner“ abzutun. Sie kritisierte, dass Berichten zufolge Teile der Ermittlungen und der bevorstehenden Razzien schon im Vorfeld bekannt gewesen sein sollen. Journalist Florian Flade berichtete, dass er selbst über Kontakte rund zwei Wochen vorher von der Razzia erfahren hätte. Veröffentlicht habe er diese Informationen aber nicht. Aus seiner Sicht sei es utopisch anzunehmen, dass Experten und Polizeireporter nicht im Vorfeld über Untersuchungen dieses Ausmaßes erfahren.

Innenministerin Nancy Faeser räumte ein: „Das war nicht gewollt.“ Sie forderte Aufklärung, ob einzelne Verdächtige tatsächlich im Vorfeld informiert worden seien. NRW‑Innenminister Herbert Reul beteuerte unterdessen, er selbst sei erst einen Tag vor der Aktion informiert worden.

Als die Debatte auf Chatgruppen mit rechtsradikalen Inhalten kam, die immer wieder für Kritik an der Polizei sorgten, warf Linken-Politikerin Wissler den Sicherheitsbehörden ein strukturelles Problem vor. NRW‑Innen­minister Reul wehrte sich gegen diese Aussage. Es würde ermittelt, doch es sei schwer, gegen die Mitglieder der Chats vorzugehen. Die „rechtlichen Instrumente“ seien nicht ausreichend geschärft.

Doch wo hört die freie Meinungsäußerung auf und wo fängt Demokratiefeindlichkeit an, fragte Moderatorin Anne Will. „Wir sind eine verletzbare Demokratie“, sagte der ehemalige Innenminister Baum daraufhin. Er stellte in den Raum, dass Menschen mit demokratiefeindlichen Meinungen wieder in die Gemeinschaft zurück­geholt werden müssten. „Das nicht zu machen, wäre ein großer Fehler“, so Baum. Auch Flade sieht eine „Entfremdung aus der Demokratie“. Debatten würden nicht mehr in der Öffentlichkeit geführt, es gebe keine demokratischen Konsens mehr. Er warnte davor, dass „wir solche Entwicklungen in der Zukunft öfters sehen könnten“.

Ausschüsse beraten am Montag zu „Reichsbürgern“

Am Montag will sich der Bundestag mit den Ermittlungen zu der mutmaßlichen terroristischen Vereinigung aus der „Reichsbürger“-Szene beschäftigen. Sowohl der Rechtsausschuss als auch der Innenausschuss werden jeweils zu einer Sondersitzung zusammenkommen. Auch im geheim tagenden Parlamentarischen Kontroll­gremium wollen Abgeordnete Fragen zu dem Fall stellen.

Die Bundesanwaltschaft hatte am Mittwoch 25 Menschen festnehmen lassen, darunter auch frühere Offiziere und Polizeibeamte. 22 der Festgenommenen wirft sie vor, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein, die das politische System stürzen wollte. Drei Festgenommene gelten als Unterstützer. Die 23 in Deutschland festgenommenen Beschuldigten sind in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft sprach zudem von 27 weiteren Beschuldigten. „Reichsbürger“ sind Menschen, die die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen. (rnd)

KStA abonnieren