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The Offspring in KölnWillkommen im Punkrock-Entertainment-Land

4 min
Die kalifornischen Punkrocker The Offspring füllen mittlerweile Arenen (Archivbild)

Die kalifornischen Punkrocker The Offspring füllen mittlerweile Arenen (Archivbild)

Die Kalifornier The Offspring nehmen die Lanxessarena auf Nostalgie-Reise in die 90er mit. Das ist ein großer Fun-Punk-Spaß. 

Die Show von The Offspring beginnt, da steht die Band noch nicht einmal auf der Bühne. Während normalerweise die Konzertbesucher während der Umbaupause zwischen dem Support – hier den völlig belanglosen Simple Plan, eine kanadische Pop-Punkband aus maximal der dritten Reihe – und dem Mainact mit Klassikern aus der Konserve bei Laune gehalten werden, ist die knappe halbe Stunde in der Lanxess Arena ein integraler Bestandteil des Konzerts der kalifornischen Punkrocker.

Mehr noch, es ist ein Ausblick auf das, was kommen wird: eine Zeitreise in die 90er, dem Jahrzehnt also, in dem die hier Anwesenden zum größten Teil ihre Jugend und damit ihre musikalische Sozialisation verbracht haben, bevor sie erwachsen, berufstätig und finanziell so potent geworden sind, dass sie sich Konzertkarten für Preise jenseits der 100 Euro leisten können. Und wollen. Für die Show einer Punkrockband. In der ehemals größten Veranstaltungshalle Europas.

Punkrock Entertainment

Eine Person im Gorilla-Kostüm, die begleitet von einer Kamera die Besucher animiert, auf der Leinwand penetrant eingeblendete Aufforderungen sich für den Newsletter anzumelden oder den Merch der Band zu kaufen, der auf die Spitze getriebene Einsatz von Publikum-Kameras. Ein Stilmittel, dass den meisten Besuchern hierzulande erst durch den Kiss-Cam-Gate während eines Coldplay-Konzertes in diesem Sommer bekannt geworden sein dürfte. Bei Offspring wird die Matte zur „Headbang Cam“ geschüttelt, die Mittelfinger zur „Fuck You Cam“ emporgereckt, die Lookalike blendet Besucher ein, die mehr oder weniger wie Taylor Swift, Ed Sheeran oder Dwayne „The Rock“ Johnson aussehen, im Fokus der „Booty Cam“ wackelt so gar ein Ordner mit dem Hintern.

Die Party endet nie

Die 90er seien eine nie enden wollende Party gewesen, sagen die, die dabei waren. Und The Offspring sind der Gastgeber einer nostalgischen Zeitreise in das Jahrzehnt der Jugend. „(You Gotta) Fight For Your Right (To Party)“ grölte die damals noch pubertär Dosenbier herumspritzende Rap-Gruppe Beastie Boys bereits 1986. Treffender als durch diesen über die Hallenlautsprecher abgespielten Song hätte man das Motto dieses Abends nicht treffen können.

Als The Offspring schließlich zu dem gnadenlosen Riff von „Thunderstruck“ die Bühne betreten, haben sie das Publikum längst gewonnen. Die folgenden eineinhalb Stunden sind nun ein Leichtes für die Kalifornier, die nach mehr als 40 Jahren Karriere Vollprofis sind. „Come Out And Play“, „Want You Bad“, „Bad Habit“ – The Offspring gehen vom ersten Stück an in die Vollen. Das Tempo ist hoch, der Sound drückend, Songs Sing-A-Long-Hits ohne Chartplatzierung. The Offspring reden nicht, sie ziehen durch. Vorerst.

Zwischen den Songs redet vor allem der Gitarrist, der sich schon bei der Bandgründung 1984 den absurden Künstlernamen Noodles gegeben hat. 

Die immer gleichen, einstudiert wirkenden Witze und Dialoge zwischen ihm und Sänger Dexter Holland hätten gut und gerne etwas weniger Raum einnehmen können. Holland, der im Gesicht seit Jahrzehnten nicht gealtert ist – nur die geflochtenen Zöpfe trägt er seit Mitte der 1990er nicht mehr  – sorgt dann Mitte des Konzertes für den bemerkenswertesten Moment.

Nach dem für viele Bands mittlerweile obligatorischen Huldigung ihrer Vorbilder (hier ein Medley aus unter anderem Osbournes „Crazy Train“ und Sabbaths unwiderstehlichem „Paranoid“, im Anschluss die Offspring-Version von „I Wanna Be Setated“ der ewigen Punkrocker The Ramones) wird ein weißer Flügel auf die Bühne gefahren. In Bodennebel getaucht gibt Holland solo „Gone Away“, ein Song für all jene, die einen geliebten Menschen verloren haben. Ergreifende Darbietung, tausende Lichter der geschwenkten Telefone im Publikum inklusive.

Punk am Piano

Der anschließende Beatles-Song „Hey Jude“, Holland sitzt immer noch am Klavier, und wird jetzt wieder unterstützt durch die Band, ufert in ein Mitsing-Stück aus.

„Hey Jude, dont make it bad. Take a sad song and make it better“ – wie passend. Die Publikumslieblinge „Pretty Fly (For A White Guy“, „Original Prankster“) und natürlich „Self-Esteem“, der Über-Song der Band, dürfen natürlich auch nicht fehlen.

„Self-Esteem“, heute noch Bestandteil der Rotation in jeder Alternative-Disco, ist einer der Songs des Albums „Smash“, dem bis heute meistverkauften Indepentendalbum der Welt. 1994 stellte es den Durchbruch der Band dar. Die konzentriert sich auf ihre Werke aus eben dieser Zeit, aus den Jahren nach „Americana“ gibt es kaum etwas zu hören.

The Offspring erleben dritten Frühling

Mit diesem, ihrem fünften Longplayer, wurden The Offspring 1998 noch einmal größer. Heute spielen sie in der Lanxessarena, 20.000 Besucher finden in der Halle Platz.

Bei ihrer letzten Show in Köln, 2017, standen die Kalifornier im Palladium auf der Bühne. In der Live Music Hall und im Underground waren sie auch schon zu Gast.

Seit Corona ist vieles anders, Bands, die selbst zu ihren Hochzeiten nicht annähernd Hallen der Größe der Lanxessarena gefüllt hätten, etwa Nine Inch Nails, spielen heute vor Zehntausenden. Dass das eine Berechtigung hat, beweisen The Offspring an diesem Abend eindrucksvoll.