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WDR-KonzertMan kann Bescheidenheit auch übertreiben

3 min
Isabelle Faust

hält eine Violine in der Hand.

Isabelle Faust tritt mit dem WDR-Sinfonieorchester auf.

In der Kölner Philharmonie wollten Isabelle Faust und das WDR-Sinfonieorchester Romantik pur bieten - das gelang nicht ganz.

Deutsche Romantik pur und in einer repräsentativen Dichte, wie man sie in Konzertprogrammen nur selten erlebt – sie stand auf der Agenda des WDR-Sinfonieorchesters. Reizvoll wurde der Abend in der Kölner Philharmonie darüber hinaus durch die Konfrontation von Rennern des Repertoires – Mendelssohns spätem Violinkonzert und Schuberts „Unvollendeter“ – mit Mauerblümchen des Betriebs. Wer kennt schon Schumanns in der Düsseldorfer Zeit entstandene Ouvertüre zu Schillers Drama „Die Braut von Messina“ und seine Fantasie für Violine und Orchester (de facto ein einsätziges Konzert) opus 131?

Als Gast am Pult stand der britische Geiger und Dirigent Andrew Manze, ein Mann der historischen Aufführungspraxis (mit dem Schwerpunkt 18. Jahrhundert), deren Usancen er naheliegend auch diesmal zur Anwendung brachte. Das merkte man gleich bei der Schumann-Ouvertüre zu Beginn: Dramatisch geschärft, stets gleichsam auf dem Sprung zur Explosion erklang das Stück, und wenn es darum ging, mit dem in jeder Hinsicht gut aufgelegten Klangkörper widerborstige Unterstimmen und polyphone Anläufe herauszubringen, war Manze gleich zur Stelle.

Auch Isabelle Faust blieb einiges schuldig

Freilich: Die deutliche Trennung der Klangregister, überhaupt die Neigung zu prononcierter Klarheit und Durchhörbarkeit war wohl in der Tat noch eher „klassischen“ Geistes, der leicht gedeckte Mischsound, wie er der romantischen Ästhetik entspricht, kam hier nicht zur Geltung. Das fiel bei der Ouvertüre und auch in der sehr kontrastintensiv gestalteten finalen Schubert-Sinfonie weniger negativ auf als in den Mittelwerken mit Isabelle Faust als Solistin. Ein offensiv-aggressiver, teils lauter und harter Tuttiklang stieß zumal im Mendelssohn-Konzert unvorteilhaft zusammen mit der „vornehmen“ Spielweise der illustren Geigerin, die ihrerseits jenem leider einiges schuldig blieb.

Ihr feiner, leichter, heller, kristallklar-vibratoarmer und doch, zumindest im Prinzip, tragend-durchdringender Ton in Ehren, aber sympathische Bescheidenheit und Selbstzurücknahme können auch übertrieben werden. Faust ist in der Tat eine exzellente Ensemblespielerin, stets bereits, sich mit ihrem Kontext zu vermitteln und gleichsam ins Glied zu treten – hier etwa sehr schön zu erleben beim Übergang von der Kadenz zur Reprise im ersten Satz. Das darf aber nicht zu einer Unterbelichtung des konzertanten Effekts führen. Das WDR-Orchester steht am Beginn einer Tournee mit Faust und Manze – da wird es solche, vielleicht auch von der jeweiligen Raumakustik getriggerten Balanceprobleme noch zu justieren haben.

Auf der anderen Seite zeigte sich die Solistin mit einem – wie soll man es sagen? – gewissen „Mangel an Romantik“ durchaus an der Seite ihrer Begleiter. Fabelhaft geriet zweifellos das der Atmosphäre des „Sommernachtstraums“ entsprungene abschließende Rondo – Fausts im dreifachen Pianissimo absolvierten Staccato-Passagen waren hier genauso überwältigend wie überhaupt die absolut souveräne, von Spaß und Lust befeuerte Virtuosität und auch ihr vitaler Tempodruck, der aber nichts von überfordernder Hetze an sich hatte.

Indes sprang der Geist dieses Finales allzu ungebremst auf die ersten beiden Sätze über, und da fehlte es einfach an dunkler Glut, an jener Emotionalität, jener Intensität des lyrischen Singens, jener im Leitmotiv des Abends beschworenen „Sehnsucht“, die das Stück unverzichtbar verlangt – und durch die es in wirklich gelungenen Interpretationen immer noch unmittelbar zu Herzen geht. Es sind dies alles nicht Fragen des geigerischen Könnens, wohl aber der geistigen Auffassung.

Überzeugender gelang – der Geigerin wie dem Orchester – die Schumann-Fantasie. Hier eine erfüllte, völlig unschematische Phrasenführung, dort ein brillanter ritterlicher Glanz – dass man nach der Aufführung Lust verspürte, dieses Stück erneut zu hören, spricht eigentlich für sich.