Zwischen Ekstase und KatastropheGlanzvolles Gürzenich-Konzert mit Duncan Ward

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Simone Lamtsma                 

Köln – „Gischt“ war das jüngste Gürzenich-Konzert überschrieben – nicht sehr aussagekräftig, obwohl das „aquatische“ Motiv aus dem Meerjungfrau-Mythos die Rahmenwerke des Programms unstrittig verbindet: Mendelssohns Melusinen-Ouvertüre und Zemlinskys orchestrale „Seejungfrau“-Fantasie. Eine andere Verbindung drängte sich bei der von Duncan Ward so engagiert wie souverän dirigierten Agenda indes stärker auf: Alle drei Komponisten – neben den Genannten noch Korngold mit seinem Violinkonzert – wurden von den Nazis verfolgt (und sei es posthum), verfemt, ins Exil getrieben. Wegen ihrer jüdischen Herkunft oder „Versippung“ – musiksprachlich wären Korngold und Zemlinsky, die den atonalen Schönberg-Weg nicht mitgingen und bei der Spätromantik blieben, sogar anschlussfähig gewesen.

Star der Aufführung war die niederländische Geigerin Simone Lamsma, die mit dem Konzert, wie es aussieht, ihr – fulminantes – Köln-Debüt gab (merkwürdig: 37 Jahre alt und noch nicht hier gewesen?). Wegen der vielen verarbeiteten Filmmelodien mögen Geiger sich versucht sehen, das Werk in einen süffig-widerstandslosen Hollywood-Sound zu tauchen. Dem versagte sich Lamsma mit wachem künstlerischem Bewusstsein.

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Sicher gab sie mit der Dichte der Phrase und der Fülle des Einzeltons, auch mit dem dunklen Glanz ihrer G-Saite dem strömenden Melos ihres Parts alles, was dieser verlangt. Aber in den Kadenzen kam auch Druck auf die Saiten, wurde der Ton aufgeraut, körperlich-intensiv. Das war, mit Schiller zu sprechen, keine „schmelzende“, sondern „energische“ Schönheit.

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Fabelhaft klappte die Koordination mit dem hellwach aufspielenden Orchester, gerade das Variationenfinale zeitigte immer wieder spritzig herausgespielte Dialoge. Ihre musikalisch-virtuose Sonderklasse zeigte die Solistin noch einmal in ihrer Zugabe aus Ysaÿes dritter Solo-Sonate.

Was den geforderten romantisch-spätromantischen Grundklangs anbelangt, so ließen die Gürzenicher keine Wünsche offen. Imaginierten die Klarinetten bereits bei Mendelssohn suggestiv Meereswellen und Fischflossen, so stellte sich der Zemlinsky als den Hörer in Bann ziehendes lyrisches Drama zwischen Ekstase und Katastrophe dar. Klar, das Stück kennen die Musiker noch aus den Zeiten des GMDs Conlon, eines erklärten Fans dieses Komponisten.

Die schwere Aufgabe will aber stets aufs Neue bewältigt werden: über 40 Minuten hinweg eine Formspannung zu halten, die über der leicht reihenden Machart auch schon mal zusammenbrechen kann. Das war indes nicht der Fall – mit so viel Emphase und Farbenreichtum ins Werk gesetzt, möchte man diese Musik wieder und wieder hören.

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