Die richtige Schulform finden„Schule soll nicht weh tun“

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Herr Heidecke, gibt es Entscheidungshilfen für Eltern, wenn sie nach einer passenden weiterführenden Schule suchen?

Andreas Heidecke: Zunächst einmal sollten die Eltern bei ihrer Entscheidung immer im Hinterkopf behalten: Welche Schulform entspricht dem Wohl des Kindes? Das Kind sollte eine Schule besuchen, die seinen Möglichkeiten entspricht und wo es Hilfen bekommt, die es braucht. Viele Eltern haben einen zu weit in die Zukunft gerichteten Blick und überlegen zum Beispiel, was das Kind später mal werden soll. Wichtig ist aber zunächst, was das Kind im nächsten Jahr braucht, um erfolgreich zu sein. Die Leitfrage lautet: Wo ist mein Kind im nächsten Jahr sicher erfolgreich?

Welche Rolle sollte die Grundschulempfehlung bei der Schulwahl spielen?

Heidecke: Die Grundschulempfehlung ist eine Beratung, die nicht den eigenen Entscheidungsspielraum schmälert. Die Empfehlungen der Grundschullehrer haben eine gute Vorhersagekraft. Sie fußen auf langjähriger Erfahrung und auf Beobachtungen im Unterricht, die Eltern oft fehlen. Für Eltern ist die Empfehlung eine wichtige Information, die sie ernst nehmen sollten. Vor allen Dingen, wenn sie mit ihren eigenen Beobachtungen übereinstimmt. Natürlich können Eltern davon abweichen, sie entscheiden ja am Ende. Bekannte Schwächen des Kindes sollten dabei nicht ausgeblendet werden.

Inge, Michels / Stephan Lüke: Was Eltern bewegt – Die richtige Schule. 119 Seiten. Klett / Kallmeyer, 2013. In 9 Kapiteln werden typische Elternfragen zu weiterführenden Schulen beantwortet.

Wie sollten diese Schwächen bei der Schulwahl berücksichtigt werden? Viele Eltern sagen ja: „Erstmal Gymnasium. Wenn was schief geht, können wir immer noch wechseln.“

Heidecke: Ich rate von dieser Einstellung ab, das Scheitern eines Kindes in der Schule hat meist weitreichende Folgen. Zunächst einmal kann Überforderung zu einem Einbruch der Lernmotivation führen. Und auch nach einem Wechsel ist das Selbstvertrauen des Kindes so beschädigt, dass die Angst vor Misserfolgen bleibt. Weiterhin weichen Kinder durch die Überforderung in Fehlverhalten aus, stören im Unterricht. Andere leiden unter psychosomatischen Störungen wie Kopfschmerzen und Erbrechen. Mein Rat ist: Schule soll nicht weh tun! Das Kind sollte Freude an ihr haben und genug Freizeit. Und nicht permanent am Rande seiner Leistungsfähigkeit arbeiten. Die Durchlässigkeit unserer Schulformen ist groß: Selbst die Wahl einer Hauptschule schließt das Abi nicht aus.

Auf der anderen Seite: Wie kann ich mein Kind unterstützen, wenn es erfolgreich ist und etwa auf das Gymnasium wechseln kann?

Heidecke: Die Schule selbst muss aktiv auf die Eltern zukommen, wenn ein Wechsel sinnvoll erscheint. Sie stellt dann auch den Kontakt zur neuen Schule her und wird das Kind dementsprechend unterstützen. Ein Wechsel ist dann sinnvoll, wenn er für das Kind eine zusätzliche Motivation darstellt. Denn der Erfolg auf einer Schule spricht ja zunächst einmal für die aktuelle Schule.

Darf das Kind denn mitentscheiden bei der Wahl der Schulform?

Heidecke: Eindeutig: Nein. Die Wahl der Schulform treffen die Eltern, und nur die Eltern. Denn nur sie können, nach Beratung durch die Schule, entscheiden, wo das Kind im nächsten Jahr erfolgreich sein kann. Es ist in dem Fall auch nicht als nett zu werten, wenn Eltern den Wünschen von Kindern nachgeben, die versprechen: „Ich streng mich auch an“. Wenn es nach der Wahl der Schulform um die Wahl der passenden Schule geht, sollten Eltern jedoch das Anliegen ihrer Kinder respektieren – etwa wenn Freunde auf eine bestimmte Schule gehen. Dann ist es sinnvoll zu fragen: Was meinst du, wo du dich wohlfühlst?

Wie weit sollten denn die Neigungen und Fähigkeiten des Kindes in die Wahl der Eltern mit einfließen?

Heidecke: Natürlich sollten die Fähigkeiten eines Kindes bei der Wahl berücksichtigt werden. Gymnasien zum Beispiel verlangen eine gute Grundausstattung des Kindes. Das heißt: Es sollte sich gut selbst organisieren können und Interesse an Sprachen haben – schließlich ist hier eine Fremdsprache das vierte schriftliche Hauptfach. Für Kinder, die noch viel Hilfe bei der Selbstorganisation brauchen und viel Leitung beim Lernen, die möglicherweise noch Lücken im Gelernten haben, wäre zum Beispiel eine Hauptschule zu empfehlen. Hier bekommen sie die Hilfe, die sie benötigen. Und die Hauptschule ist ein kleineres, überschaubareres System als etwa ein Gymnasium.

Ausrichtung und Schwerpunkt

Im Vordergrund steht, wie bei der Gesamtschule, längeres gemeinsames Lernen. Das entspricht dem Wunsch vieler Eltern, Bildungswege länger offen zu halten. Die Sekundarschule umfasst die Klassen 5 bis 10, mindestens dreizügig. Sie bereitet auf berufliche Ausbildung und Hochschulreife vor. Der Unterricht bietet von Anfang an auch gymnasiale Standards, ein Wechsel an Kooperationsschulen mit einer Gymnasialen Oberstufe ist möglich. Der Unterricht in Klassen 5 und 6 wird im Klassenverband abgehalten. Ab Klasse 7 wird der Unterricht je nach Form der Sekundarschule integriert, teilintegriert oder kooperativ geführt. Teilintegriert bedeutet: In Beibehaltung der Klassenverbände werden in einzelnen Fächern Neigungs- und Leistungsprofile gebildet. Die kooperative Form führt entweder schulformbezogene Klassen oder zwei Bildungsgänge auf unterschiedlichen Anforderungsebenen (Grund-/Erweiterungsebene).

Der Übergang in Klassen 6 bis 9 verläuft in der (teil-) integrierten Form ohne Versetzung. In der kooperativen Form der Sekundarschule erfolgen Versetzungen ab Klasse 7 analog den Regelungen der Hauptschule, Realschule und des Gymnasiums.

Fächerwahl und

Fremdsprachen

Neben den Hauptfächern und Englisch kann eine zweite und dritte Fremdsprache oder praktische Philosophie gewählt werden. Die zweite Fremdsprache ab der 6. Klasse ist fakultativ, aber Voraussetzung für den gymnasialen Bildungsgang einer kooperativen Sekundarschule, ein weiteres Fremdsprachenangebot folgt ab Klasse 8.

Abschlüsse und Wechsel

Alle Abschlüsse sind möglich. Die Sekundarschule hat keine eigene Oberstufe sondern kooperiert mit einer Oberstufe. Die Eltern wissen so bei der Anmeldung, wo das Kind Abitur machen kann.

Ausrichtung und Schwerpunkt

Das Gymnasium vermittelt eine vertiefte allgemeine Bildung, die für ein Hochschulstudium notwendig ist. Es ist die einzige Schulform, die unmittelbar zur Hochschulreife führt und fordert ein hohes Maß an Selbstständigkeit, das heißt das Kind sollte etwa notwendige Arbeiten selbst erkennen. Es bietet einen durchgängigen Bildungsgang von Klasse 5 bis 12 an, also von der Sekundarstufe I bis zur Gymnasialen Oberstufe. Die Schulzeit bis zum Abitur ist verkürzt, die Sekundarstufe I endet am Gymnasium nach Klasse 9, danach folgt die dreijährige Oberstufe.

Auslandsaufenthalte in der Einführungsphase und im ersten Jahr der Qualifikationsphase sind ebenfalls möglich. Die meisten Gymnasien haben Spezialitäten und Vorlieben, also Fächer, die besonders gepflegt werden.

Fächerwahl und Fremdsprachen

Englisch wird ab Klasse 5 als erste Fremdsprache fortgeführt. Neben den Hauptfächern ist eine zweite Fremdsprache ab Klasse 6 Pflicht, eine dritte kann gegebenenfalls gewählt werden. Das kann eine moderne Sprache oder Latein sein. In manchen Gymnasien ist es möglich, schon in Klasse 5 die zweite Fremdsprache zu belegen. Ab der 8. Klasse folgt dann Wahlpflichtunterricht, das kann die dritte Sprache sein.

Abschlüsse und Wechsel

Alle Abschlüsse der Sekundarstufe I. Das Besondere: Am Gymnasium berechtigt die Versetzung in die 10. Klasse bereits zum Besuch der Gymnasialen Oberstufe (GOS) – an anderen Schulformen müsste dazu erst die 10. Klasse abgeschlossen werden. Der mittlere Schulabschluss und der dem Hauptschulabschluss gleichwertige Abschluss werden jedoch auch erst am Ende der Einführungsphase GOS erworben, also nach der 10. Klasse. Die GOS setzt Bildungsgang der Sek I fort und schließt mit der Abiturprüfung ab.

Reformpädagogik ist die Sammelbezeichnung für die pädagogische Gegenbewegung um 1900. Die Schule wurde in jener Zeit als Zwangsanstalt kritisiert, die zu wenig auf Neigung und Begabung eines Kindes eingehe. Betont wurde daher die Freiheit des Individuums, die eigene Aktivität der Kinder. Maria Montessori und Rudolf Steiner gehören bis heute zu den bekanntesten Reformern jener Zeit.

In Montessori-Schulen wird nach Wochen- und Monatsplänen gelernt. Die Lehrkräfte begleiten die Schüler und unterstützen sie. Die Freiarbeit ist ein wichtiges Merkmal dieser Schulform und gehört zum Konzept vieler weiterführender Montessori-Schulen.

Waldorfschulen werden unterschieden zwischen freien und staatlichen Schulen. Diese Unterschiede liegen in der Selbstverwaltung, den Lehrplänen und der Finanzierung. Typisch für Waldorfschulen ist aber generell: Sie verzichten weitgehend auf das klassische Notensystem und auf das Sitzenbleiben. Im Mittelpunkt steht eine ganzheitliche Bildung, das heißt: Theater, Tanz oder Handwerk gehört zum Lehrplan dazu.

Mehr Informationen:

www.montessori-deutschland.de

www.waldorfschule.de

Ausrichtung und Schwerpunkt

An einer Gesamtschule können Schüler aus dem Lehrangebot den zu ihnen passenden Bildungsgang zusammenzustellen – sie besuchen also den Unterricht, der zu ihrer Leistung passt. Das ermöglicht alle Abschlüsse an einer Schulform. Gesamtschulen werden in der Regel als Ganztagsschule geführt, oft mit Nachmittagsangebot inklusive Übungsstunden, Hausaufgabenbetreuung, Arbeitsgemeinschaften.

Fächerwahl und Fremdsprachen

Der Unterricht in den Klassen 5 und 6 wird im Klassenverband geführt und knüpft an Unterrichtsformen der Grundschule an. Neben den Hauptfächern kann ab der 8. Klasse eine zweite und dritte Fremdsprache, praktische Philosophie sowie Darstellen und Gestalten gewählt werden. In Klasse 6 folgt ein Wahlpflichtfach (zweite moderne Fremdsprache oder Latein, Arbeitslehre oder Naturwissenschaft, zudem z.B. Darstellen, Gestalten). Der Unterricht in einigen Fächern wird auf Grundebene und Erweiterungsebene (ab Klasse 7 in Englisch/Mathe, ab 8 oder 9 in Deutsch, ab 9 in Physik, Chemie) oder in gemeinsamen Lerngruppen geführt.

Bis Klasse 10 können Schüler im Einvernehmen mit der Schule zwischen Grund- und Erweiterungsebene wechseln. Oft werden zusätzliche Förderangebote und Ergänzungsstunden angeboten.

Abschlüsse und Wechsel

Alle Abschlüsse der Sek I. sind möglich. Voraussetzungen für Erwerb des mittleren Schulabschlusses: Mindestens ausreichende Leistungen in zwei Erweiterungskursen und im Wahlpflichtunterricht, befriedigende Leistungen in den Grundkursen, zweimal befriedigende und im Übrigen ausreichende Leistungen in anderen Fächern. Voraussetzungen für die gymnasiale Oberstufe: In drei Erweiterungskursen, im Wahlpflichtfach und in den übrigen Fächern mindestens befriedigende, im Grundkurs mindestens gute Leistungen. Bei besonders guten Leistungen und einer zweiten Fremdsprache in Klasse 6 bis 10 ist ein unmittelbarer Übergang zur Gymnasialen Oberstufe möglich.

Ausrichtung und Schwerpunkt

Die Hauptschule vermittelt grundlegende allgemeine Bildung, begabtengerechte Förderung, praxisnahen Unterricht und Betriebspraktika (bis 8 Wochen ab Klasse 9), Arbeitslehre (Vorbereitung auf Berufswahl und Ausbildung) sowie ein ausgeprägtes Klassenlehrer-Prinzip.

Fächerwahl und Fremdsprachen

Pflichtfächer sind Deutsch, Mathematik, Englisch, Naturwissenschaft, Gesellschaftslehre, Arbeitslehre (Technik, Wirtschaft, Hauswirtschaft), Kunst, Musik, Textilgestaltung, Religionslehre, Sport. Mathe und Englisch gibt es von Klasse 7 bis 9, die Fächer sind in Grund- und Erweiterungskurse eingeteilt mit unterschiedlichen Anforderungen. In den Klassen 7 bis 10 setzen die Schüler eigene Schwerpunkte mit Wahlpflichtunterricht. Gewählt werden kann zwischen einem erweiterten Angebot in Naturwissenschaften, Arbeitslehre sowie Kunst/Musik. Einige Hauptschulen bieten auch eine zweite Fremdsprache an und Ergänzungsstunden zur Förderung in einzelnen Fächern.

Abschlüsse und Wechsel

Alle Abschlüsse der Sekundarstufe I, also Hauptschulabschluss nach Klasse 9 oder 10 und mittlerer Schulabschluss.

Besonderheit

Klasse 10 ist in zwei Formen mit unterschiedlichen Schwerpunkten unterteilt: Typ A und Typ B.

So ist neben dem mittleren Schulabschluss auch der Besuch einer Gymnasialen Oberstufe am Gymnasium, einer Gesamtschule oder eines Beruflichen Gymnasium am Berufskolleg möglich – mit erfolgreichem Besuch der Klasse 10 Typ B, wenn alle Leistungen mindestens befriedigend sind.

Ausrichtung und Schwerpunkt

Sie vermittelt eine erweiterte allgemeine Bildung, fördert praktische Fähigkeiten ebenso wie das Interesse an theoretischen Zusammenhängen und hat berufsorientierte Inhalte in allen Fächern. Viele Realschulen haben besondere Profile (zum Beispiel Sport oder Wirtschaft). Eine Realschule ermöglicht strukturiertes Lernen (durch kleine Einzelschritte mit konkreten Anweisungen) und ist an den Anforderungen einer Lehre oder Fachoberschule orientiert.

Fächerwahl und Fremdsprachen

Neben Deutsch, Mathe, den Naturwissenschaften und der Gesellschafts- und Religionslehre sowie Sport wird die zweite Fremdsprache ab Klasse 6 vermittelt. Ab der 8. Klasse kann eine dritte Fremdsprache gewählt werden. Ab der 7. Klasse folgt Wahlpflichtunterricht, zum Beispiel mit fremdsprachlichem Schwerpunkt (die zweite Fremdsprache kann beispielsweise bis Klasse 10 fortgeführt werden), oder naturwissenschaftlich-technischem, sozialwissenschaftlichem oder musisch-künstlerischem Schwerpunkt. Viele Schulen bieten in Klasse 7 eine Kennenlernzeit der Schwerpunkte an sowie Ergänzungsstunden zur Förderung in einzelnen Fächern

Abschlüsse und Wechsel

Alle Abschlüsse der Sekundarstufe. Mit dem mittleren Schulabschluss kann ein Ausbildungsberuf gewählt oder ein Bildungsgang am Berufskolleg begonnen werden werden.

Mit der Berechtigung zum Besuch der gymnasialen Oberstufe steht der Weg zum Gymnasium, der Gesamtschule oder zum Beruflichen Gymnasium offen. Unterstützung in Klasse 10 gibt es zum Beispiel auch durch Hospitationen an anderen Schulformen.

Aber ist die Hauptschule nicht ein Sammelbecken für Schüler mit Misserfolg?

Heidecke: Nein, das ist ein Vorurteil. Hauptschulen realisieren Hilfen für manche Schüler, die sie nirgends sonst so bekommen würden. Die Lehrer dort leisten eine hervorragende pädagogische Arbeit. Viele Eltern sehen diese Schulform als Strafe, nach dem Motto: Wenn du es nicht schaffst, landest du in der Hauptschule. Tatsache ist aber: Die Lehrer dort kämpfen um den Erfolg jedes Kindes. Sie wissen, wie schwierig es ist, Kinder, die viele Misserfolge wegstecken müssen, zu erreichen. Die homogenen Lerngruppen der Hauptschulen entlasten diese Kinder. Und es ist auch wichtig zu wissen, dass Hauptschülern bei entsprechender Leistung das Abitur nicht verwehrt bleibt. In der Vergangenheit sind 6 bis 8 Prozent der Kölner Hauptschüler aus den 10. Klassen in die Gymnasiale Oberstufe gewechselt.

An welchen Typ Schüler richten sich die anderen Schulformen?

Heidecke: Die Realschule begleiten ihre Kinder sehr verbindlich, dort haben sie, neben anderen, die Möglichkeit, als 4. Hauptfach eine Naturwissenschaft oder zum Teil auch Informatik zu wählen. Gesamtschulen oder Sekundarschulen richten sich wiederum an alle Kinder. Sie geben viele Hilfen und bieten viel Spielraum an. Viele Gesamtschulen, zumindest in Köln, sind allerdings sehr groß – für sehr ängstliche oder ausufernde Kinder kann das schwierig sein.

Wie wichtig ist der Ruf einer Schule? Sollte er ein Kriterium für die Wahl der Eltern sein?

Heidecke Der Ruf ist nicht entscheidend. Viel wichtiger ist, ob die Schule und ihr Angebot zum Kind passen und es unterstützen. Das Prinzip „Ich gehe zu dieser Schule, da kriegt man viel mehr“ ist eine fatale Einschätzung und geht an der Frage vorbei, ob das „Mehr“ auch hilfreich für das Kind ist. Zudem sollte darauf geachtet werden, dass – egal, wie der Ruf einer bestimmten Schule ist – der Fahrtweg zu ihr für das Kind verträglich ist.

Gibt es denn weitere Fallen, in die Eltern bei der Schulwahl treten können?

Heidecke: Tatsächlich lässt der Mythos des Spätzünders viele Eltern in die falsche Richtung laufen. Das Phänomen gibt es: Ein Spätzünder kann zum Beispiel ein Kind sein, das mit durchschnittlichen Leistungen auf die Realschule kommt und dort nach einiger Zeit sehr gute Leistungen erreicht und später Abitur machen kann. Viele Eltern versuchen, diese Initialzündung künstlich mit Druck zu erzeugen. Etwa, indem sie sich sagen: Ich war auch Spätzünder. Das muss man bei meinem Kind nur herauskitzeln. Das aber ist der falsche Weg. Denn das „Spätzünden“ funktioniert ja vor allen Dingen bei Kindern, die auf der Basis von gutem Erfolg Selbstvertrauen und dann eine hohe eigene Motivation entwickeln. Aus diesem Grund sollten Eltern darauf achten, eine Schul form für ihr Kind zu wählen, auf der ein Erfolg sicher ist, wo das Kind seine Möglichkeiten bestmöglich ausschöpft. So kommt das „Zünden“ am wahrscheinlichsten.

Was können Eltern tun, die trotzdem noch unsicher sind bei der Wahl der richtigen Schule?

Heidecke: Sobald Eltern unsicher sind, sollten sie keine Scheu haben, beim Schulpsychologischen Dienst anzurufen. Sie können sich jederzeit für eine kurzfristige telefonische Beratung an uns wenden, sobald sie wichtige Informationen wie die Empfehlung der Grundschule zusammengetragen haben. In Einzelfällen machen wir auch eine schulpsychologische Diagnostik.

Andreas Heidecke ist Diplom-Psychologe und arbeitet beim Schulpsychologischen Dienst der Stadt Köln.

Das Gespräch führte Martin Gätke

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