Dietmar SchönherrEin Mann mit vielen Talenten

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Mit seiner Ehefrau Vivi Bach moderierte er „Wünsch Dir was“.

Mit seiner Ehefrau Vivi Bach moderierte er „Wünsch Dir was“.

Die rote Nelke war in Wirklichkeit violett: Dietmar Schönherr, der in der Nacht zum Freitag im Alter von 88 Jahren auf Ibiza gestorben ist, sorgte mit eben jener Blume im Knopfloch in „Wünsch dir was“ für einen Sturm der Entrüstung. Wollte er etwa Werbung für die sozialdemokratische Partei Österreichs treiben? Wer die Stationen des 1927 in Innsbruck geborenen Künstlers Revue passieren lässt, gerät angesichts einer komplett veränderten Medienlandschaft ins Staunen. Bis zu 30 Millionen Zuschauer saßen vor dem Fernseher, wenn Schönherr und seine 2013 gestorbene Frau Vivi Bach in der zwischen 1969 und 1972 ausgestrahlten Sendung drei Familien gegeneinander auftreten ließen. Über den Sieger wurde mittels Stromverbrauch abgestimmt.

Zu diesem Zeitpunkt war Schönherr längst als Commander Major Cliff Allister McLane berühmt. 1966 hatte er die Welt mehrfach vor den Frogs gerettet – in der ersten deutschen Science-Fiction-Serie „Raumpatrouille – Die phantastischen Abenteuer des Raumschiffes Orion“, ein Märchen von übermorgen, in dem es keine Nationalstaaten gibt, die Menschen in Weltraum-Kolonien leben und der Meeresboden zur Besiedelung erschlossen ist. Die Kulisse der am Samstagabend zur Primetime gesendeten Serie bestand unter anderem aus Duschköpfen, Plastikbechern und Bügeleisen – Alltagsgegenstände, die durchaus als solche zu erkennen waren. Mitte der 80er Jahre wurden die sieben Folgen im Fernsehen wiederholt und gelten seitdem als Kult, 2003 bastelte man aus ihnen einen Spielfilm, in dem Elke Heidenreich als Nachrichtensprecherin die einzelnen Teile miteinander verband.

Charmanter Gastgeber

Bahnbrechend war auch Schönherrs Idee, eine Talkshow nach amerikanischen Vorbild im Fernsehen zu etablieren. „Je später der Abend...“ hieß die 1973 zum ersten Mal ausgestrahlte Plauderstunde, die Schönherr folgendermaßen ankündigte: „Wir machen heute eine so genannte Talkshow. Was sie ist, das wissen Sie nicht – und wir auch nicht so genau. Denken Sie nicht, dass eine Talkshow das Gegenteil einer Nachtshow ist; Talk kommt von to talk, reden, das Ganze ist also eine Rederei.“

WDR-Fernsehdirektor Jörg Schönenborn würdigte Schönherr als charmanten Gastgeber, „der damit ein neues Fernsehformat entwickelt hat, das bis heute Bestand hat“. Tatsächlich zeichnete sich der stets gut gekleidete, seriös daher kommende Frauenschwarm durch viele Talente aus. Sei es als Schauspieler, Synchronsprecher – er war unter anderem die deutsche Stimme von James Dean – Schlagersänger, Schriftsteller, Übersetzer und Regisseur: Schönherr weigerte sich stets, in einer einzigen Schublade zu landen. Seine vornehmste Aufgabe sah er allerdings keineswegs darin, das deutsche Fernsehen aufzumischen. Vielmehr engagierte er sich seit den 80er Jahren als Friedensaktivist und Entwicklungshelfer. 1983 beteiligte er sich an der Blockade des US-Raketenstützpunktes Mutlangen. Gemeinsam mit dem Schriftsteller Ernesto Cardenal baute er in Nicaragua ein Kulturzentrum für Kinder und Jugendliche auf und gründete 1994 die Stiftung Pan y Arte („Brot und Kunst“), die seit Gründung zahlreiche Hilfsprojekte in die Wege geleitet hat.

„Vor allen Dingen aber geht mit ihm ein Unbeugsamer und Aufrechter, der, wenn es darauf ankam, kein Blatt vor den Mund nahm, einer, der sich sozial engagierte und für die Gesellschaft Verantwortung übernahm“, so ZDF-Programmdirektor Norbert Himmler.

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